Blindekuh von Wolochow. Deutsche, Schweizer Presse

Ìèõàèë Âîëîõîâ
1) Michail WOLOCHOW -  BLINDEKUN
2)
Deutsche Presse
3)
Schweizer Presse

*******

1)
Michail WOLOCHOW
 
BLINDEKUH

(Originaltitel: Igra v zmuriki) Deutsch von Dieter Welke unter Mitarbeit von Julia Konig
mvolokhov@gmail.com

PERSONEN

Arkadi
Felix

Die Handlung spielt in der Zeit der Perestroika Ende der 80er Jahre im Wachraum eines Krankenhauses des KGB, in dem die Mitglieder dieser Institution unter privilegierten Bedingungen behandelt werden.
Am Anfang ist die Buhne dunkeL Dann treten Felix und Arkadi auf. Sie sind mit groÂen EinkauÂtascben beladen. Felix macht das Licht an. Arkadi macht es sofort
wieder aus.

Arkadi Hast du n Arsch offen, du Pisser? Stell erstmal die Fressalien in den Kuhlschrank!
Felix Leck mich am Arsch.
Arkadi Das werden wir noch sehen, wer hier wen leckt.
(Sie holen Nahrungsmittel aus ihren groÂen Taschen und verstauen sie im Speiseschrank und im Kuhlschrank)
Immer pissen die uns an, die kranken Saue, wegen den Taschen! Die haben nix anderes zu tun. „Was klaut ihr denn heute aus dem Vorratslager?'' Ich scheiÂeuch was! Weil die vom KGB sind, schmieren sie sich Kaviar aufs Brot. Aber unsereins braucht nur n paar Pfund Kohl zu klauen, dann sind die auf 180. ScheiÂe!
Felix 50 Kilo, du Schwerathlet. Der Schrank geht gar nicht mehr zu. Na, wenn der Alte vorbeikommt, bist du dran.
Arkadi Den fick ich bis zum Anschlag, die judische KGB-Sau!
Felix Wo legsten deinen Kohl ein? Aufm Balkon?
Arkadi Halblang, Freundchen, ich mach dich auch nicht an, wenn du mit den Trockenaprikosen abziehst. Und die Milch. In Dreiliterkannen!
Felix Die ist fur mein Magengeschwur!
Arkadi Sein Magengeschwur!
Felix Verflucht, du gehst mir auf n Sack!
Arkadi Du wolltest doch in meine Schicht So ist das in meiner Schicht. Zieh dir das rein in deinen Arschkopp!
Felix Ich will dir mal was sagen, Schnucki: Ich lieb dich. Deshalb bin ich ruber zu deiner Schicht. Siehste, Ukraino, du kannst klauen, was du willst, du kannst das ganze Krankenhaus ausraumen. ScheiÂich drauf. Nur, du stehst doch sozusagen unter... Uberwachung, nicht? Keine Wohnerlaubnis... da muÂte aufpassen, ha? Ich hab das nicht notig.
Arkadi Ich steh vielleicht unter Uberwachung, aber ich bin kein Judenarsch.
Du
Wichser! ScheiÂe, der hatte wirklich Recht, der Hitler! Ich hatt euch alle durchn Kamin gejagt, alle kagebitischen Judenarsche!
Felix Und ich die ukrainischen Oberbonzen, verflucht Und fur die
„kagebitischen Judensaue" wurd ich dir gern die Fresse polieren.
Arkadi Waschechter Jude! Leck mich, ihr Juden seid wirklich Saue, und flutsch,
fickt ihr die Andern in den Arsch. Arschficker! Wenn du mir die Fresse polieren willst... muÂte erstmal konnen, Kumpel. Der Wahrheit kann man nicht die Fresse polieren! So, jetzt wird gemampft.
Felix Denkste, blodes Arschloch. Ich werd dich ficken, da kannste was er leben. Bis zum Hals fick ich dich, damit dir der Kopf nicht wackelt!
O.K.?
Arkadi Was O. K. ?
Felix Sag mal, haste kein Fleisch organisiert?
Arkadi Was, Fleisch? FriÂdas auf deiner Bude, schwuler Sack! Hier machstes
wie die Andern, hier friÂte HausmacherscheiÂe. PaÂt dem Herrn nicht? fressen die doch auch.
Felix Von wegen „fressen die doch auch"! Die lassen sich doch gebratene
Hahnchen von zu Hause bringen!
Arkadi Ja gut, aber die haben ihr Gehalt als Kagebiter. Bei dir ist das
was anderes, also blas dich nicht so auf! Du friÂt HausmacherscheiÂe, Ende!
Komm schon, mach dir nicht in die Hosen, ich hab ja Fleisch. Sonja hat mir was abgezweigt. Bei dir ist das was anderes, du bist Jude, also gibt sie dir keins.
Mit Recht.
Felix Die soll hier bloÂvorbeiwackeln, die Ziege. Der werd ichs zeigen. Der
reiÂich das Fleisch aus den Pfoten!
Arkadi Erstens geht die nicht durch die Pforte, und zweitens, was glaubst du
denn? Die hat n Macker, der schneidet dich in Scheiben. Schwor ich dir. Da war n Typ, der wollt ihr auch an die Wasche - der ist weg vom Fenster.
Felix Ihren Macker, den fick ich! (Er nimmt den Deckel vom Kocbtopf.)
Verdammt,
du hast das Fleisch in den Kohl geschmissen. Bist du bekloppt? Harn wir denn keine Teller hier?
Arkadi Ah, weil der Herr Minister n Teller braucht Na wenn du n Teller brauchst, hol dir einen! Ich scheiÂdir drauf.
Felix Kackarsch! Du gehst mir auf die Eier!
Arkadi Na warte, wenn ich dir an die Eier geh, dann siehste anders aus.
Aber
ich fang mit deinem Schwulimaulchen an.
Felix Und ich verpfeif dich bei den Kagebitern hier. Punkt.
Arkadi Wer verpfeift hier wen? DaÂdu n Spitzel bist, Itzig, und ne Dreck schleuder dazu, das war mir immer klar. "N Menschen hochgehen lassen, da stehste drauf, ScheiÂe, das macht dich geil. Ihr seid alle gleich, ihr kagebitischen Judenwichser. Zu feine Handchen zum Malochen, was Jungs? Ihr seid auf n
Nobelpreis scharf! Nee, ich werd dir was sagen, Hitler, der hatte recht Wenn ich das gewesen war, dasselbe: ab nach Dachau. Stalin auch, der lag auch richtig.
Felix Stalin! Aber Stalin hatt dich als ersten in den Gulag gesteckt,
ScheiÂukrainer. Du gammelst doch hier als Wachmann rum, weil dir das Malochen stinkt. Sogar aus dem versifften Kohl schlagste noch Kapital.
Arkadi Wieso denn nicht DaÂder Staat mich beklaut. Also beklau ich ihn. Ist
normal, ist gerecht Und dann vergiÂte, daÂich tagsuber im Taxidepot arbeite, als Schlosser. Wenn ich ne Bude hatte wie du, ich sage, wenn ich eine hatte, hattste mich an der Pforte hier nie gesehn. Mich in den Gulag schicken. Merk dir mal was:
Wenn ich dich nicht im Knast getroffen hatte, dann wurdest du mir heute nicht auf die Eier gehen. Deine Kutteln, ich hatt sie dir zu fressen gegeben. Deine Pisse, ich hatt sie dir zu trinken gegeben! Und dann hatt ich dich an die Decke
genagelt, am Sack!
Felix Ab in den Gulag, du Hampelmann, ab in den Gulag! Erst haste in Kuibyschew abgesahnt und jetzt machstc in Moskau die Tour. Ratte! In den Gulag!
Arkadi Abgefickter Intelleller, du kriegst mich nicht! Du entscheidest nicht,
wo
ich reinsoll. Manometer, wo sind wir denn? 'N Typ von 37 Jahren, keine Frau, keine Kinder, aber ne Dreizimmerwohnung im Stadtzentrum hat er, die schwule Sau! Wozu brauchste denn die Wohnung, und dann noch drei Zimmer?
Felix Werd ich dir sagen, Schnucki: Im ersten Zimmer fick ich dich, im zweiten geb ich dir deine Kutteln zu fressen, und im dritten nagel ich dich an die
Decke, am Sack. Und dann fick ich dich in alle Locher, ins Maul, ins Arschloch. Da geht aber die Post ab! Die ganze Zeit biste am Schreien und das Blut, das spritzt nur so! Aber ich, Mannomann, ich hab so einen stehen!
Arkadi Leck mich, bist du ein Kotzbrocken!
Felix Harteste Bock drauf, Ukraine? Auf so n Fickcenter? Nee, mal ernst: Hattste Bock drauf?
Arkadi Klar hatt ich Bock drauf. Felix Kriegst aber keinen.
Arkadi Drecksack! Und das will n groÂer russischer Schriftsteller werden! 'N Humanist! 'N Sadist biste, n Perverser! Du kannst mich mal! Und fummel bloÂnicht an deinen Geschichten rum. Du bist hier als Feuer wehrmann, du machst n Job als Feuerwehrmann, dafur wirste bezahlt Nachher, wenn du frei hast, wenn du dann deine ScheiÂe aufs Papier schmierst, ist das dein Bier, aber du bist hier, um deine vierundzwanzig Stunden Wache abzuziehen, also zieh sie ab. Aber sauber, du Feuerwehr arsch, du Schriftstellersau! Na, ich werd dir den Job schon beibiegen.
Schreibt, der Herr! Und wenn er nicht schreibt, kloppt er Karten mit den Kranken und
nimmt sie aus bis zum Gehtnichtmehr, Leute, die hierherkommen mit schweren Verletzungen aus Afghanistan, aus Tschernobyl, die Spezialauftrage hatten. Leck mich. Neulich, erinnerste dich, der aus Tschernobyl, dem du 350 Rubel abgeknopft hast Den ham sie begraben!
Felix Na ja, der ist halt tot Kommt von der Strahlung!
Arkadi Ja, die Strahlung. Die ham den vier Meter tief eingebuddelt, damit die nicht rauskann, die Strahlung.
Felix Wo der jetzt ist, braucht er seine 350 Rubel nicht mehr! Sag mal,
haste
nicht neben ihm gesessen, als wir am Kartenkloppen waren? Hast viel leicht auch was abgekriegt?
Arkadi Was? Ne Strahlung? Glaubste, daÂman das abkriegen kann? Felix Komm schon, Ukraino, scheiÂdir nicht ins Hemd! Die Ukrainos aus
Tschernobyl haben die Strahlung voll abbekommen, und trotzdem scheiÂen sie sich nicht ins Hemd, Oder sind die Ukrainos aus Kuibyschew groÂere HosenscheiÂer als die aus Tschernobyl? Interessant als Entdeckung, fur mich, als Schriftsteller! Ha,
Arschficker!
Arkadi Mit euch Karten kloppen! Ich war ja behammert. Hatt ich nicht tun sollen. Und dann haste mir noch 93 Rubel abgeknopft, du Arschgesicht. Einem
Kollegen, gnadenlos!
Feloix Moment, du hast sie doch machen wollen, die Partie. Du hast uns
doch
drum gebeten.
Arkadi Jaja, nur als ich drum gebeten hab, da hatt ich noch meine Hose an und als ich von euch weg bin, da hatt ich n nackten Arsch! So isses! Fick dich. Und paÂbloÂauf, wenn ich dich nochmal schreiben seh.
(Er iÂt seinen Kohl)
Felix Und wenn ich dich nochmal beim Klauen erwische, dann verpfeif ich
dich bei den Bullen, Ehrenwort! Da krieg ich nen Orgasmus.
Arkadi Was sagste da, du schwule Sau? Wiederhol das mal!
Felix Da geht mit einer ab, SuÂer! Von der Nille bis zum Arschloch!
Arkadi Schon gut, schon gut. MuÂdoch noch n kleiner Scherz erlaubt sein, oder? Du hast n Schreibzwang, na dann schreib sie doch, deine
ScheiÂgeschichte. Ist doch allen kackegal. Und wenn du Karten kloppen willst, dann klopp doch. Gibt ja sowieso nichts zu tun hier, also ... Ansonsten biste n Typ, dem man vertrauen kann. Bist n Kumpel! 'N Spielchen gefallig? Klar, mit nem Spielchen biste immer einverstanden. Nachher, wenn du sie ausnimmst, ist das was anderes, dann ist das ne Gluckssache. Wenn man keine Lust hat zum Spielen, braucht man ja nicht hinzugehen. Ja und manchmal ist Viktor dir uber. Ist doof so. Zwingt dich doch keiner!
Felix Ha, Viktor! Das ist n Typ, Viktor! Ich brauch nur n Wort zu sagen, dann macht der Hackfleisch aus dir! Da kannste Gift drauf nehmen!
Arkadi Au ja, leck mich. Viktor, das ist n super Typ. Viktor, der Kuhne! Felix Verruckt, wie der nach ScheiÂhaus stinkt, dein Kohl! Und das
Fleisch!
Stinkt auch schon, verflucht! Ich weiÂwirklich nicht, was ich mit dir machen soll, auÂer ich bring dich in den Gulag ... oder zu Viktor vielleicht? Der bringt sie dir schon bei, die Flotentone.
Arkadi Hast Recht, Felix ich spurs, du hast Recht, ich hatts nicht rein schmeiÂen sollen, das Fleisch. Is blod, was? Ja, stinkt nach ScheiÂe, der Kohl. Ich riechs doch auch!
Felix Riecht nach ScheiÂe, aber du friÂt ihn! 'N richtiger Gargantua. Arkadi Wer ist n das?
Felix VergiÂes!
Arkadi Hast Recht, Felix, du hast Recht, das kapier ich sicher nicht.
Siehst du,
ich bin ein Mann aus m Volk. Ich bin das Volk, verdammt. Und du schreibst doch furs Volk. Nur ScheiÂe, wenns dir Fragen stellt, das Volk, dann biste beschaftigt. Na gut, wenn du beschaftigt bist, biste beschaftigt Vielleicht biste n Volksgenie. Vielleicht brauchste jede Sekunde nur fur dich, um mitzuhalten, beim Nobelpreis. Ist moglich. Ich nehm dir das nicht ubel. Ich bin n einfacher Mensch,
Felix. Bei euch Juden ist das was andres, ihr muÂt ja Kohle machen. Nur schade ums Papier. Deine verfickten Geschichten. Mal ehrlich: Wer braucht die denn? Die werden
nicht gedruckt, sagste doch selbst Kannst dirn Arsch mit abwischen. Na ja, ist dein Problem. ScheiÂe, weiÂte, was du machen solltest. Kjescha kaufen! Meinen
Kanarienvogel! Der singt schon, das ScheiÂvieh! Singt ja so schon! So n klitzekleiner Kanarienvogel, hor mal, wenn der singt, das ist n GenuÂ. Das ist n Fest, das ist
Kunst! Aber du strampelst dich ab, und es kommt nichts bei raus. Erklar mir das mal.
Felix Der interessiert sich auf einmal fur Kunst! Arkadi Glaubste, ich bin blode?
Felix Na gut, ich werd sie dir mal verklickern, meine Kunst! Hast mich ja so nett gefragt!
Arkadi Das hort man gern.
Felix Also: ich bin nicht der erste, der schriftstellert, Ukraine. Ist das klar? Arkadi Klar.
Felix Und du bist nicht der erste Blodmann, der darauf scheiÂt, was ich schreibe, ha Ukraino? Klar?
Arkadi Na! Der erste war der Hitler! ScheiÂe, ich sag dir, der hatte recht, der Hitler! Obs dir nun paÂt oder nicht, Herr Schriftsteller, der hatte Recht, der Hitler!
Felix Siehste, wenn ich schreibe, dann gerade, damit auf der Erde nicht
solche
Pfeifen rumlaufen wie du.
Arkadi Nur, ich bin der Leser, und der Leser sagt dir, Judenarsche wie du,
die
gehoren ausgerottet.
(Man hort das Gerausch eines Autos.)
Geh schon, mach auf, der Alte kommt.
Felix Den Wachbullen spielen? Dafur werd ich nicht bezahlt, Ukraino! Arkadi ScheiÂe, du Arschgesicht, du Feuerwehrpisser aus Abrahams
SchoÂ! (Ergeht hinaus, fohrt den Wagen des Chefs auf das Krankenhausgelande und kommt zuruck.) Warte mal ab, du euerwehrarsch, wart mal bloÂ, bis es brennt
Kannst du sehen, wie du alleine klarkommst, du stinkiger Synagogenschammes!
Felix He Mann, du kriegst drei freie Tage pro Woche, bloÂweil du in der Feuerwehrmannschaft aufm Papier stehst Also halt die Luft an! Deine
ScheiÂpforte, was hatt ich denn davon?
Arkadi Hattet meine Achtung haben konnen, Jidd!
Felix Deine Achtung? Ich scheiÂwas drauf, du Vichtreiber!
MiÂgeburt!
Arkadi Du, mach dich gefaÂt aufs Krematorium, Itzig! Da kannste Gift
drauf
nehmen! PaÂbloÂauf, paÂbloÂauf! Ich wart nur, bis n biÂchen Wind kommt, und hopp! Haste dich schon mal gefragt, was passiert, wenn das alles brennt? Das Krankenhaus, die ganzen Kagebiter und das Importmaterial, was die in
Dollars kaufen? Nee?
Felix Na dann stecks doch an, wenn du Lust hast. Ich brauch bloÂdie
Feuer
wehr in der Stadt anzurufen.
Arkadi Leck mich, du bist wirklich n Jude. Dich ausm Schlamassel ziehen.
Felix 'N kleiner Drecksjude. Arkadi Was?
Felix Ich werds dir sagen, Viehtreiber: Die Spitzel und Killer, die ganze KGB-Mischpoche, die konnen brennen, in ihrem streng geheimen Krankensilo! Was sag ich? Die mussen brennen! Hier und jetzt! Sonst laufen sie dir in der
Holle noch ubern Weg.
Arkadi Sag mal, Jiddelfiddel, haste keine Angst, wenn du mir das alles
vor geigst?
Felix Und du? Geht dir nicht die Muffe, wenn du horst, was ich so
rede.
War ja
Arkadi Du hast Nerven. Ist n wahres Vergnugen, mit dir zu plaudern.
kotzlangweilig sonst, nicht? Schade, daÂMascha gekundigt hat. Haste sie wenigstens gefickt, die blode Fotze?
Felix Ich fick wen ich will, Kollege.
Arkadi ScheiÂe, alle ham sie sie abgefickt! Nur der Herr Verzichts Gesicht Sogar in den Geschichten trennste dich vom Kollektiv. Ach ja, ich habs
ver gessen: Der Herr nimmt die frisch desinfizierten Schwesternmaulchen mit in seinen Fickcenter, seinen dreizimmrigen Fickodrom, da nagelt er sie mit n Titten an die Decke, und dann hopp! Ficki ficki, rein und raus. In alle Locher! Aber feste! Ist doch so? Sag mal, du hast mir doch gesagt, daÂdu den Fickodrom von deiner Oma hast? Haste mir das nicht gesagt? Ah, die Omas! Die mogen doch Pilze, stimmts?
Felix Und was ware wenn?
Arkadi Naja, wenn die Oma einen friÂt, der giftig ist, dann isses verdammt
schwer zu beweisen, daÂdas n Mord war.
Felix WuÂt ichs doch, daÂdu so einer bist. Arkadi WuÂtest du?
Felix WuÂt ich.
Arkadi Und so haste jetzt den Fickodrom. Gratis. "N Prachtbau. Du haust sie
an die Decke ...
Felix An den Titten. Genau.
Arkadi Und in deinen Geschichten, sagste da, wie du sie vergiftet hast,
die Oma?
und
Felix Klar, Alter. Siehste, Dostojewski hat auch so n Ding geschrieben
ich mach jetzt n Remake.
Arkadi Na, wenns so ist, mein kleiner jiddischer Felix, wo du doch n groÂer
sowjetischer Schriftsteller bist, kann ich dir da mal ne Frage stellen?
Felix Klar! Ein groÂer sowjetischer Schriftsteller ist fur alle Fragen
offen. Also?
mit
Arkadi Haste keine Schwanzentzundung von der ganzen Fickerei? Felix Eine sokratische Frage! Auf so ne sokratische Frage geb ich dir
Verlaub ne epikuraische Antwort Arkadi Ich hore.
Felix Mein Schwanz hats gern, wenn er abspritzt.
Arkadi Leck mich, so n judischer ScheiÂknuppel ist mir noch nicht
vorge
kommen. Noch nie im Leben. Das sag ich dir als Freund.
Felix Und ich sag dir, und zwar nicht erst seit heute, sag ich dir: Ich hatte nie gedacht, das Mutter Natur so n ScheiÂhaufen scheiÂen konnte wie dich,
Ukraine.
Arkadi Das ist dein Leben, Felix, fick dich ab. Felix Deins auch.
(Man hort die Hunde winseln.)
Arkadi Naturlich, du hast den Hunden wieder nix gegeben; horste, wie sie jammern? Du hast es aufgefressen, das ganze Fleisch.
Felix Dann schlafen die Koter auch nicht ein. Die machen nachts deinen
Job
und du pennst Gegen die Dienstvorschrift!
Arkadi Du pennst doch auch. Gegen die Dienstvorschrift. Und wenn was ist, dann helfen dir die Tolen genauso.
Felix Ich hab ne automatische Alarmanlage, ne Sirene! Die gehen mich
einen
ScheiÂdreck an, deine Koter!
Arkadi Wer von uns beiden is n ScheiÂhaufen? Du hasts aufgefressen, das ganze Fleisch, verdammt... Tolstoi zum Beispiel, der hat nie Fleisch gefressen! Und trotzdem, mit sechzig bekam er den Schwanz noch hoch, da hat er seiner Frau noch Kinder gemacht! Und unter uns gesagt, das war n super Schriftsteller, der Tolstoi!
Felix Du friÂt auch kein Fleisch, und trotzdem bleibste n bloder Arsch! Arkadi Ach, quatsch doch, was du willst!
Felix Und woher weiÂte denn, daÂTolstoi kein Fleisch gefressen hat?
Arkadi Woher ich das weiÂ? Also stell dir mal vor, in unserem Taxidepot gibts noch n anderen Schriftsteller. Jaja. Einer, der auch zur Feuerwehr gegangen ist.
Der auch. Komisch, was? Der schreibt auch ScheiÂgeschichten. Nur, der ekelt sich nicht vorm Malochen, der macht sich nutzlich, der machts Tor auf, wie sichs gehort. Und die dicke Sekretarin, die Ludmilla, alle harn sie sie gevogelt, der auch, siehste? Und du hangst hier rum und tust keinen Strich, der Staat hat weiÂGott wieviel Rubel geblecht, damit der Herr Polytechnik studiert, damit er n Ingenieur wird. Spezialist im WeltraumschweiÂen. Aber nein! Der Herr will n Solshenizyn werden! Einfach so! Der bringt die Oma um die Ecke, der geht zur Feuerwehr, da kann er sich die Eier schaukeln, der vogelt die Karbolmauschen durch, der klaut Milch und Trockenobst, der kloppt Karten und zieht den Leuten s Fell uber die Ohren, und dann bastelt der sich so ne kleine antisowjetische DichterscheiÂe, zur „Selbstheilung seiner verkokelten Seele". Jaja, das hast du gesagt. Siehste Felix, so redet n typischer
Sowjetkommunist, einer, der an die Wand gehort. An die Wand, aber dalli! Meinste nicht auch. Anstelle dir den Zaster in den Rachen zu schmeiÂen! Nein, was dir fehlt, Junge, ist, daÂsie dich ins Uranbergwerk schicken. Da wurd n Mensch aus dir, das schwor ich. Und uberhaupt, warum biste nicht in Israel? Die brauchen dich auch nicht, ha? Ist doch so. Verseklopper, davon ham sie doch genug da unten. Die warten doch nicht auf dich. Und dann wurde man dich gar nicht rauslassen. Verstehste, die Typen, die wir hier kurieren, sind alle vom KGB, also sind wir zwangslaufig auch sowas wie Spezialagenten. Staatliche Geheimtrager. DaÂes das Krankenhaus hier gibt, ist n Staatsgeheimnis, indirekt Klaro. Die Eltern von den Oberbonzen liegen hier auf Halde, bis sie abkratzen. Die Kinder, diese Arschgeigen, kummern sich ja nicht um ihre Alten. Die kennen sich wohl nicht so in Pilzen aus. Schwamm druber.
Jedenfalls - daÂn gewohnlicher Sterblicher hier reinkommt, darauf kannste lange
warten. Wenn man sich das vorstellt, daÂhier mal n russisches Dorf gestanden hat, nicht weit vom Krankenhaus. Haben die alles plattgemacht - leck mich am Arsch.
Felix Na ja. Die hatten SchiÂ. Imperialistische Propaganda.
Arkadi Na ja, gut ist, daÂdu nicht nach Israel kannst Brauchst gar nicht erst
n
Antrag stellen.
Felix Biste sicher, daÂich da hin will?
Arkadi Was machste denn hier? Deine Geschichten interessieren kein Schwein,
die werden nicht mal gedruckt. Mit deinem Job als Ingenieur isses aus. Dein Job als Feuerwehrmann ist ScheiÂe. Du bist n Akademiker, Jude. Wirst schon sehen, wie die Patrioten, die wahren Russen, dich fertig machen. Wenns nur auf mich ankam, alle Rotzjuden, pft!, ab durch n Kamin, ohne zu mucken. Alle, auf einmal! Pfffttt! Die ganze schmierige Marxistenbande! Du bist aufm falschen Dampfer, Itzig! Hattest fruher abhauen sollen! Schade, schade. Du wirst's schon merken, du wirst dich noch dran erinnern, was ich dir gesagt hab, aber dann isses zu spat
Felix Ach weiÂte, Arkadi, vorm Leben hab ich keine Angst. Ich hab Kohle. 'N Haufen Kohle. Und dann werd ich dir mal was sagen: Leute von der arideren Seite zu liquidieren, darauf steh ich mehr.
Arkadi Was? Was sagste da?
Felix Los, den Schwanz auf die Schulter und dann gute Reise! Machen wir
n
Spielchen?
Arkadi In Ordnung. Kaufste mir meinen Piepmatz ab? Felix Singt er gut?
Arkadi Pervers!
Felix Wieviel?
Arkadi Fur dich funfundzwanzig. Funfundzwanzig mit Kafig. Der ist minde stens funfzehn wert.
Felix Was guckste so?
Arkadi Wie guck ich denn?
Felix Wie ne Jungfrau vorm Massagestab.
Arkadi Was? (Er lacht.) Ich wurd jetzt gern einen heben! ScheiÂe, wenn man ne
Leiche braucht, is keine da! Ich will dir mal was sagen, Felix: bei mir haste n Stein im Brett. Du hast mir am ersten Abend schon geholfen, die Leichen in n Keller zu verfrachten. Und daÂdu mir dann auch noch deine Schnapspramie furs Leichenschieben vermachst, sauber!
Felix Bei meinem Magengeschwur...
Arkadi Trotzdem! Ich versteh nicht, wie du schreiben kannst, wenn du
nicht
saufst. Zu quatschen wie ne Gulaghenne, damit isses doch nicht getan, wenn man n Schriftsteller werden will. Und uberhaupt, warste im Knast? Ha? Warste? Weswegen?
Felix Klassische Geschichte. Was blutiges. (Er zieht ein Kartenspiel aus der Tasche
und legt es auf den Tisch.)
Arkadi Leck mich am Arsch. (Nimmt das Kartenspiel in die Hand.) Sauber!
Neue
Karten! Wieviel haste geblecht?
Felix Wenn du mal blechen konntest, von Zeit zu Zeit, du fauler Sack! Arkadi Mein lieber Spitz, ich hab Familie, ich brauch mein Moos,
kapiert?
Felix Kapiert. (Er setzt einen Rubel ein.) Ein Lappen! Und wenn wir ein oder zwei
Kranke fragen wurden? Oder die vom Pflegedienst? Ah, ja, Viktor!
Arkadi Die sollen bleiben, wo sie sind. Die brullen bloÂrum, uberall schmeiÂen
die ihre Kippen hin, nee, nee! Und Viktor zieht uns aus.
Felix Dann zieh ich dich aus.
Arkadi Pah, zu zweit ist da nicht viel zu holen. Ein Rubel. (Er macht
seinen Einsatz.)
Felix Na, dann versuchen wirs mal.
Arkadi Kassieren tut immer der, der am Anfang die meiste Kohle hat. Felix Haste die Taschen voll mit Dollars, meinste das?
Arkadi Fick mir nicht ins Hirn! Wer gibt? (Er zieht eine Karte.) Zehn.
ScheiÂe, ich
bin ganz sicher, der zieht n As. Bin ich sicher.
Felix Sicher. (Erzieht.) Pik-As. Ich gebe.
Arkadi Ha, leck mich. Ich war sicher. Du Ratte! Limit bei zehn Rubel. Felix Warum nicht bei hundert? Hast doch n Haufen Piepen heut abend.
(Er teilt die Karten aus, eine nach der anderen, drei pro Spieler.)
Arkadi Macht man nicht! Man zahlt nicht die Flocken der Andern. Zehn.
(Er setzt zehn Rubel ein.)
Felix Bei zehn Rubel zieh ich immer mit. (Er setzt 10 Rubel ein.)
Arkadi Limit bei hundert Rubel, haste doch gesagt? Felix Hundert, wenn du willst.
Arkadi Wenns bei hundert ist, O. K. Leg ich noch zehn drauf. So! (Er legt
zehn
Rubel hinzu.)
Felix Ohne mich. (Er wirft seine Karten hin.)
Arkadi Gut. Machen wir n Jackpot. Gehn wir rein mit funfzig? Felix Auf gehts.
(Beide machen ihren Einsatz.)
Arkadi Ich lieb dich uber alles, mein kleiner Jidd. Besonders, wenn du absaufst
(Er verteilt nacheinander drei Karten an jeden Spieler.)
Felix Ich dich auch, ich weiÂnicht, warum, aber du gefallst mir, verdammt, du gefallst mir!... Zehn. (Er macht seinen Einsatz.)
Arkadi Ah, das Rabenaas, er will mich ubers Ohr hauen! Ah, der Hurenbock!
Und funfundzwanzig, paÂt dir das? (Er sttzt funfundzwanzig ein.)
Felix Da wo der Ukrainer paÂt, passiert dem armen Juden was! Funfund zwanzig. (Er macht seinen Einsatz.)
Arkadi Ah, so ist das! Ich geh hoch auf funfzig! (Er setzt Ânjzig ein.)
Felix Geh ich mit, was n Schnitt, steig ich aus, was n Graus. Na, ich geh
mit
(Er setzt fonÂig ein.) Sag mal, verehrte Drecksau, ist das wahr, daÂdu soviel Moos hast?
Arkadi Warum sollst denn nur du soviel Moos haben, ha, Rothschild? Also, Hosen runter, Karten auf n Tisch!
Felix Ich zeig noch nix.
Arkadi Leck mich, der will den Tod des Gerechten! Funfzig. (Er setzt fiinjvg
ein.)
Felix Du weiÂt doch, bei funfzig laÂich nie als erster die Hosen runter.
(Er setzt fonÂig ein.)
Arkadi Ich spurs, du haust mich ubers Ohr, Itzig, das spur ich. Ich zeig jetzt DreiÂig.
Felix DreiÂig.
(Sie decken ihr Spiel auf.)
Arkadi Verdammte Hacke! Gut gespielt! Wer gibt?
Felix (Zieht eine Karte.) Acht..
Arkadi Na, ich werd weniger ziehen. Klar! (Er zieht eine Karte.) Was hab ich gesagt? Sechs. Du hast mich gefickt!
Felix Wollen wir wieder, Saftarsch? (Ergibt) Du sagst an. Arkadi Funfzig. (Er macht seinen Einsatz.)
Felix Gut gefurzt. Hundert. (Er macht seinen Einsatz.)
Arkadi Bist ne freche Drecksau! Du hast mindestens dreiÂig Punkte auf der Hand, hundert mehr. (Er macht seinen Einsatz.)
Felix Ha, was der fur ne ernste Fresse macht! Hast drei Asse gezogen?
Mit der
Hackemutze siehste aus wie Mussolini! Ich geh mit. (Er macht seinen Ein satz.)
Arkadi WeiÂte, der Zaster da ist mir scheiÂegal, da hab ich nix mit am Hut (Er setzt hundert mehr ein.) Mein Arsch sagt mir, daÂdu mich schon wieder drankriegst Verdammt, der blufft!
Felix Ha! Ein Jude der n Ukrainer nicht blufft, war kein Jude! (Er setzt hundert
ein.)
Arkadi Hosen runter, verflucht noch mal! (Er legt hundert hinzu.)
ZweiunddreiÂig.
Felix Ha, dreiunddreiÂig.
Arkadi Ah, der Jidd, der Hurensohn, jetzt hat er mich zur Schnecke gemacht!
Funfhundert Rubel in nicht mal funf Minuten. Zeig mal die Karten her! (Er pruft die Karten.) ScheiÂe, drei Asse auf der Hand, und ich: den Joker, das As und die
Pik-Dame! ScheiÂvotze! (Wirft die Pik-Dame auf den Tisch.)
Felix Noch n Spielchen?
Arkadi VerpiÂdich! Schreib deinen stinkigen Judendunnpfiff.
Felix Was denn! Du brauchst doch nicht gleich einzuschnappen. In der nachsten Schicht kannste dich revanchieren. Geld ist doch nur ScheiÂe aus Papier.
Arkadi Funfhundert ScheiÂrubel aus ScheiÂpapier! In weniger als funf ScheiÂ
minuten. Ich brauch ein halbes Jahr, um so ne ScheiÂe zu verdienen! Und du kriegst jetzt n Steifen! Machst dir schon das Hoschen naÂ?
Felix Hab ich doch gesagt, fur mich ist das alles Mull. Deswegen gewinn
ich.
Das Geld fliegt denen zu, die drauf scheiÂen.
Arkadi Und ich scheiÂvielleicht nicht cfrauf. Ich hab gerade funfhundert
Rubel
verloren, in weniger als funf Minuten! Nee nee, ich werds dir sagen, du gewinnst, weil du keine Weiber hast!
Felix Wie, keine Weiber? Ich hab n Haufen Weiber! Die blasen mir einen,
ich
fick sie in den Arsch. Geht alles klar, Junge. Ich fick sie echt in den Arsch. Echt. 'N Lebewesen in den Arsch ficken, kannste dir gar nicht vorstellen, wie geil das ist!
Kannste dir nicht vorstellen. Erstens, isses weich wie Samt. Zweitens, klemmts dir den Schwanz zusammen, ganz stark. Und drittens, drittens: Da spritzts einfach phantastisch.
Arkadi Na ja. Nicht ubel. Kann man nachvollziehen.
Felix Hastes versucht?
Arkadi Nein verdammt! Ich werds versuchen! Ich erwurg dich und dann probier ich dich aus. Du ScheiÂer!
Felix VergiÂt dus nicht? Ein Mann, ein Wort?
Arkadi ScheiÂe, ich bin vielleicht n Schwachkopf. Ich kam nach Moskau und war mein ganzes Geld los. "N Schwachkopf bin ich! Fruher, in Kuibyschew, da hatt
ich Moos!
Felix Da harteste doch ausgeschissen, und dann biste hergekommen.
Ganz normal.
Arkadi Pro Tag hab ich mir n LKW Kartoffeln untern Nagel gerissen.
Tausend
Rubel jedesmal.
Felix Na ja, funfhundert Rubel in weniger als funf Minuten, ist ja schlieÂlich auch nicht von Pappe.
Arkadi Das ist gut Echt! Geld ist mir wurscht Ich steck in der ScheiÂe, ich steck in der ScheiÂe, das ist alles. Ist kein Drama. Du hattest dir langst ne Kugel in die Birne gejagt Nur eines bedauer ich: daÂso ne Pfeife wie du mir Piepen abzockt
Felix WeiÂte, der Zaster, der kommt und geht Ubrigens, um die funfhundert
Rubel zu krallen, muÂteste da nicht was drehen?
Arkadi Fur die funfhundert Rubel hab ich n feines Ding gedreht "N elegantes Ding. Das hattest du nicht hingekriegt, du Hirnwichser!
Felix Stell ich mir vor, daÂdas n feines Ding war. Das kriegt man nicht hin, wenn man n halbes Jahr in dieser Wachklitsche hockt.
Arkadi Du kannst mich mal, kapiert? Felix Ich kapier uberhaupt nichts.
Arkadi Und wenn ich dir eins aufs Maul hau, kapierstes dann besser? Felix Und ich, wenn ich dir aufs Maul hau? Ha? Mit ner Schaufel, mit ner
Brechstange, mit m Feuerloscher? Ist verruckt, wieviel Werkzeug ich hab, fur die
Brandbekampfung. Fur den ukrainischen Brand! Oder einfach n Stich, mit m Messer, mit ner Rasierklinge, wies beliebt.
Arkadi Was soll denn der Quatsch, Itzig? Felix Quatsch? Was fur n Quatsch?
Arkadi 'N Typen kalt machen, konntste das? Felix Warum? Du nicht?
Arkadi Blode Frage! Ich blick da nicht durch.
Felix Hor mal, du bist es, der mir auf n Sack geht mit der Fragerei. Arkadi Ich frag nur, was du fur ne ScheiÂe im Kopf hast
Felix Und du, keine ScheiÂe im Kopf? Du haltst mich wohl fur n Vollidioten, du OberklugscheiÂer!
Arkadi Is doof so. Hor auf, mich zu fetzen!
Felix Sag mal, hast du mitgekriegt, daÂdie gestern n rothaarigen Juden
umge
legt haben, auf der Treppe vom Hochhaus? Gestern morgen um sieben. Es war noch dunkel.
Arkadi Hab uberhaupt nix mitgekriegt.
Felix Im Viertel nebenan ... Haste nix gehort?
Arkadi Im Hochhaus meinste? Nee, ich hab nix gehort. Harn die n Juden umgelegt.
Felix 'N kleinen Drecksjuden, Tatsache.
Arkadi Na, wenn das ne Tatsache ist, dann gibts n Juden weniger. Sauber. Felix Klar, der hat mit dem KGB rumgemacht, und zack isses ihm passiert. Arkadi Woher weiÂtn du, daÂder mit dem KGB rumgemacht hat? Ist doch
Gequatsche!
Felix Weil ich nicht so n armer Koter bin! Ich bin Schriftsteller, mein Herr.
Ich hab meine Beziehungen.
Arkadi Warum soll er mit denen rumgemacht haben? Ha?
Felix Da hattest ihn fragen mussen. Sieht so aus, als ob der am Anfang
mit
Buchern rumgehandelt hat: so fotokopiertes, illegales Zeug. Nietzsche, Freud, Berdjajew, Solshenizyn. Du weiÂt schon, was ich meine.
Arkadi Klar, Solshenizyn kenn ich.
Felix Nachher haben sie ihn am Arsch gepackt und zu nem Kuhhandel gezwungen: Entweder du arbeitest fur uns oder du kommst an die Kolyma. Ins
Uranbergwerk! Wirst schon sehen! Klar, der hat gespurt.
Arkadi Wie „gespurt"?
Felix Er hat gespurt. Er hat seine Kumpels verpfiffen.
Arkadi Verflucht, der Wichser! Na ja, seine Kumpels waren bestimmt auch Wichser. Fur mich sind die alle Wichser, die mit den Buchern. Da war einer,
dem hab ich mal den Monte Christo von Alexandre Dumas abgekauft, vierzig Rubel hat der mir abgenommen! Fur mich sind alle Wichser.
Felix Warum schwitzte so? Gehts dir nicht gut? Arkadi Nee, warum? Seh ich so aus?
Felix Na ja, nach ner Zeit gewohnt man sich dran. Bei Schichtbeginn hat mans echt mehr gesehn.
Arkadi O! Was hat man mehr gesehn?
Felix Na, weiÂnicht, deine Hande zittern. Und die Stimme auch. Wie wenn sie nicht richtig geolt war, nicht richtig gespult. Was haste denn, Ukraine?
Arkadi (Rausptrt sich.) Nee, nur gestern, da ham wir uns einen angesoffen,
mit
den Kumpels. So ne Birne. Ich habe die Stimme eher zu viel gespult.
Felix Gestern? Wann gestern? Danach?
Arkadi Klar. (Kurze Pause.) Das heiÂt, als wirs mitgekriegt haben, daÂdie so nen
kleinen Drecksjuden umgelegt haben, im Hochhaus nebenan. Klar, wir sind hingegangen, und dann ham wir uns einen angesoffen. Leck mich, das Blut, n richtiger Bermudaozean. Dem ham sie ne Rasierklinge durch die Gurgel gezogen, der hat bestimmt nicht gelitten, oder?
Felix Nein, der hat nicht gelitten. Und, hats dir gefallen, wie sie deri Typen abmurksen?
Arkadi Den Juden, meinst du? Na ja, ist immer interessant, sowas zu sehen.
War n Haufen Leute da. Das Blut, die ScheiÂe, der Tod. Ist alles interessant.
Felix Wir sind ja alle so gebaut. Raskolnikow auch. Der muÂte auch immer wieder an den Ort zuruckkehren. Danach.
Arkadi Was fur n Ort? Felix Nichts nichts.
Arkadi Du warst auch da. Ich hab dich gesehen.
Felix Ja ja, du hast mit m Finger auf mich gezeigt, vor deinen Kumpels.
Arkadi Warum biste nicht zu uns rubergekommen? Hattest uns guten Tag sagen konnen. Aber nein, die Drecksjuden verkehren ja nicht mit dem gemeinen Volk.
Felix Also, und danach habt ihr euch einen famosen Rausch angesoffen. Arkadi Der war wirklich famos. Ich hatte Mattscheibe. Den ganzen Tag.
Felix Das heiÂt, am Morgen habt ihr euch die Judenleiche angeguckt, und dann habt ihr euch den Ranzen vollgesoffen, so wars doch?
Arkadi War so.
Felix Und dann harteste Mattscheibe. Den ganzen Tag. Arkadi Na und? Juckt dich das?
Felix Und wie biste dann an die funfhundert Rubel rangekommen, genau gestern? Funfhundert Rubel im Vollrausch. Das kannste deiner GroÂmutter erzahlen, du Hampelmann.
Arkadi Sag mal, horste jetzt mal auf, den Bullen zu spielen? Felix Bin ich nicht gut als Bulle?
Arkadi Verfluchter Jidd, du gehst mir auf n Sack! Du gehst mir echt auf n
Sack!
Du hast mir funfhundert Rubel abgenommen, also geh mir nicht auf n Sack! Was willste? Wulste, daÂich dich deine ScheiÂe schreiben lasse? Schreib doch deine ScheiÂe. Aber laÂmich in Ruhe, verstanden?
Felix      Ich hab keinen Bock mehr, meine ScheiÂe zu schreiben. Ich ziehs
vor, n
biÂchen mit dir zu plaudern, Ukraine! Offen und ehrlich!
Arkadi Von wegen plaudern. Du klaffst mich doch an wie n Koter! Felix Du hast doch angefangen.
Arkadi Das ist noch sehr die Frage. ScheiÂe, du hast vielleicht n Charakter!
'Ne
richtige Gulagblume! Na ja, der Charakter geht noch, aber der Rest! Entschuldige, daÂich dir das sage, aber was den Rest betrifft, biste wirklich ne traurige Nummer. Du bist n Intellektueller, du schreibst deine ScheiÂe da, die ist allen kackegal, nee, wirklich, kapier ich nicht. Du saufst nicht, hast Marina nicht gefickt. Bist n
Einzelganger, ha? Und das mit dem Juden, der mit dem KGB anbandelt: das KGB stellt keine Juden ein.
Felix      Die stellen alles mogliche ein, wenns brennt. Sogar Typen von der
CIA.
Hastes nicht gesehen? Ham sie gezeigt in der Glotze. Horst wohl keine Politik?
Arkadi Ah, ja, hab ich gesehen. 'N Typ von der CIA. Hat sich ans KGB ver kauft. Der hat Mumm.
Felix Ja der hat Mumm. Aber du, warum scheiÂt du dir ins Hemd?
Arkadi In was furn Hemd? Warum soll ich mir ins Hemd scheiÂen?
Felix Na, weil du ihn doch mit dem Rasiermesser bearbeitet hast, den kleinen
Drecksjuden.
Arkadi Was?!!
Felix Ja und wenn schon. Du hast keinen Grund, dir ins Hemd zu scheiÂen.
Du hast ihn kaltgemacht, klassisch. Klassisch sowjetisch! Ist alles ganz in Ordnung.
Arkadi ScheiÂe, dich mach ich kalt, du miese Tunte! Ich leg dich um, du schwule Sau!
(Er sturzt sich auf Felix, der ihn mit einem Karategriff umwirft.)
Arkadi Aahh!
Felix Na Ukraine, biste ausgerutscht? (Er lacht.) Kannst dich bedanken bei mir, daÂich dich so sanft angepackt hab.
Arkadi Was hab ich dir denn getan? (Er steht wieder auf.) Wieso weiÂte das
alles?
Felix Ganz einfach. Ich bin vom KGB. Und dann? Du gefallst mir,
Schnucki!
Arkadi Du miese Tunte, vom KGB? VerpiÂdich, Hundeficker! Du versuchst, mir die Judenleiche anzuhangen. Das schaffste nicht, das sag ich dir! Und der auch vom KGB? Dir hamse wohl ins Hirn geschissen.
Felix Ja, der war vom KGB, siehste, und dann ist er zur CIA ubergelaufen.
Der hat seine Genossen fur Dollars verkauft. Lustig, nicht! Wir konnten das nicht zulassen. Mir hat man den Job aufgetragen. Und ich hab ihn an dich weitergegeben, kapiert? So daÂdu jetzt einer von uns bist. 'N examinierter Genosse. Und du findest n Grund zu meckern? Die menschliche Undankbarkeit!
Arkadi Arschloch, du hast mit uberhaupt nichts weitergegeben.
Felix Nein, nein, nur n Umschlag mit funfhundert schonen Rubelchen in deinen Briefkasten.
Arkadi Verdammtes Faschistenschwein, ich bring dich um!
Felix Ich wuÂte, daÂdas laufen wurde. Bei so nem Rassisten wie du. 'N Pa-triot! Haste meinen Schrieb aufgehoben, oder haste ihn weggeschmissen.
Arkadi Ich hab ihn verbrannt. ScheiÂe.
Felix Schade. War ganz gut geschrieben. (Er rezitiert.) „Lieber Arkadi alias Ukraine, es tut mir wirklich leid, aber ich habe deinen Kopf beim Hutchenspiel an einen Afghanerkiller verwettet und du hast verloren. Ich schlage dir also einen Handel vor, Leiche gegen Leiche: schneide dem Sascha, dem kleinen rothaarigen
Drecksjuden aus der UschakowstraÂe Nummer 6, Appartment 18, die Gurgel durch und du bekommst funfhundert Rubel. Sonst bist du dran! Noch n Detailchen zur Hilfe: der kleine Sascha geht um sieben Uhr morgens aus dem Haus zur Arbeit.
Gezeichnet: der Afghaner, der beim Hutchenspiel weichgeklopft worden ist, der sich aber an einen gewissen Ukrainer erinnert, an einen gewissen Tag, vor einem gewissen Gericht, und der das so schnell nicht vergiÂt." Der war gut geschrieben, der Brief, stimmts oder hab ich recht?
Arkadi Ja, ja.
Felix DaÂdu ihn verbrannt hast, das war wirklich Profiarbeit. Der hatte
doch
Stil, nicht? Wo du doch einem standig auf n Wecker fallst, weil sie zu nix taugt, die Literatur, siehste: dazu taugt sie, das ist Kunst, verdammt!
Arkadi Na gut, du hast mir Angst eingejagt, und weiter? ScheiÂe, ist doch bekannt, daÂdie Afghaner Killer sind!
Felix Killer, Killer ... Was willste denn? Als die raus waren aus der Armee und wieder zu Hause, muÂten sie ja nen kleinen Job finden! Ans Killen gewohnt man sich schnell. Du, zum Beispiel, du warst nicht mal in Afghanistan. Dafur hast du dich ganz gut aus der Affare gezogen, aber die, ist doch klar.
Arkadi Und dann die Geschichte mit dem Gericht. Gut, ich war Zeuge gegen einen von diesen Mistkerlen, aber ScheiÂe, der hatte einen von unseren Taxifahrern kaltgemacht, um ihms Wechselgeld zu klauen.
Felix WeiÂich. Siehst du, das hattest du mir nicht erzahlen durfen.
Arkadi WeiÂte, was du bist? 'N ScheiÂhaufen! 'N stinkiger Haufen ScheiÂe!
Felix Du bist auch nicht gerade n Geschenk. Von einem Ohr zum anderen hat der gelachelt, der arme kleine Jude. Als ob du das dein ganzes Leben gemacht hattest. War das nicht hart fur dich?
Arkadi Wie hart? Ich hab mir n paar Bierchen reingezogen, und wenn ich mir
n paar Bierchen reinzieh, ist mir alles scheiÂegal. 'N paar Bierchen, mehr nicht!
Danach, ja, danach hab ich mir einen angesoffen. Weil, verstehste, ich hab ne Frau und zwei kleine Tochter, da hab ich mir gesagt: ScheiÂe, was wird aus denen ohne mich? Zu den Bullen gehn konnt ich nicht. War noch schlimmer gewesen! So isses! So hab ich das gesehen.
Felix Ich wuÂte, daÂich mich verlassen konnte, auf deinen Familiensinn. Arkadi Bist nur n dreckiger Nazi. Wegen dir hab ich n Juden abgestochen.
Und
es hat mir gar nix ausgemacht. Felix Das weiÂich.
Arkadi Wie „weiÂich"? Haste auch welche umgelegt? Wen? Auch Juden?
Felix Die, die ich umgelegt hab, die leben nicht mehr und sind auch nicht mehr Juden.
Arkadi Aber ScheiÂe, du bist doch selber n Jude! Felix Wer denn nicht? Marx, Jesus, alles Juden!
Arkadi Nee, halt mal: Haste viele umgelegt? Eigenhandig? Felix Ist mein Beruf.
Arkadi 'N schoner Beruf, leck mich am Arsch! Jetzt versteh ich, warum du deine ScheiÂgeschichten schreibst: Zur Selbstheilung! Und warum sie niemand lesen kann. Du erzahlst deine blutigen Ruhmestaten, du tauchst deine Feder in Blut. Klar, wenn deine Kumpels vom KGB das lesen, dann muÂte dran glauben, bevor du sonstwie krepierst.
Felix Du kannst dir nicht vorstellen, wie geil du mich machst.
Einverstanden,
ich kauf ihn dir ab, deinen Kanarienvogel.
Arkadi Was hab ich dir denn getan? Verflucht, was hab ich dir getan? Ich
hab
dir doch gesagt, du sollst vorsichtig rangehn an die Milch im Vorrats lager. Ja und du? Verstehste, die Kranken, erst klauste denen die Milch, und dann trickste sie aus beim Kartenspielen! Na gibs doch zu ... bei dem, was du denen abguckst, konntste nach
jeder Schicht n Tankwagen voll Milch bezahlen.
Felix Ja, aber wenn man sie bezahlt, schmeckt sie nicht so gut.
Arkadi Na ja, ist nicht falsch.
Felix Dagegen, wenn du den Kollegen hier was vor der Nase wegklaust, besonders wenn die Kollegen Killer sind, Profikiller, dann, verdammt nochmal, ist das gut. Ist noch besser als Toto. gesagt: ScheiÂe, was wird aus denen ohne mich? Zu den Bullen gehn konnt ich nicht. War noch schlimmer gewesen! So isses! So hab ich das gesehen.
Felix Ich wuÂte, daÂich mich verlassen konnte, auf deinen Familiensinn. Arkadi Bist nur n dreckiger Nazi. Wegen dir hab ich n Juden abgestochen.
Und
es hat mir gar nix ausgemacht. Felix Das weiÂich.
Arkadi Wie „weiÂich"? Haste auch welche umgelegt? Wen? Auch Juden?
Felix Die, die ich umgelegt hab, die leben nicht mehr und sind auch nicht mehr Juden.
Arkadi Aber ScheiÂe, du bist doch selber n Jude! Felix Wer denn nicht? Marx, Jesus, alles Juden!
Arkadi Nee, halt mal: Haste viele umgelegt? Eigenhandig? Felix Ist mein Beruf.
Arkadi 'N schoner Beruf, leck mich am Arsch! Jetzt versteh ich, warum du deine ScheiÂgeschichten schreibst: Zur Selbstheilung! Und warum sie niemand lesen kann. Du erzahlst deine blutigen Ruhmestaten, du tauchst deine Feder in Blut. Klar, wenn deine Kumpels vom KGB das lesen, dann muÂte dran glauben, bevor du sonstwie krepierst.
Felix Du kannst dir nicht vorstellen, wie geil du mich machst.
Einverstanden,
ich kauf ihn dir ab, deinen Kanarienvogel.
Arkadi Was hab ich dir denn getan? Verflucht, was hab ich dir getan? Ich
hab
dir doch gesagt, du sollst vorsichtig rangehn an die Milch im Vorrats lager. Ja und du? Verstehste, die Kranken, erst klauste denen die Milch, und dann trickste sie aus beim Kartenspielen! Na gibs doch zu ... bei dem, was du denen abguckst, konntste nach
jeder Schicht n Tankwagen
voll Milch bezahlen.
Felix Ja, aber wenn man sie bezahlt, schmeckt sie nicht so gut. Arkadi Na ja, ist nicht falsch.
Felix Dagegen, wenn du den Kollegen hier was vor der Nase wegklaust, besonders wenn die Kollegen Killer sind, Profikiller, dann, verdammt nochmal, ist das gut. Ist noch besser als Toto.
Arkadi Du meinst, wir sind alle Killer hier?
Felix Vor mir steht einer. Willkommen im Klub. Du schweigst. Arkadi Einverstanden.
Felix So geht das nicht. Dein Stimmchen zittert. Ist noch weit bis zum Profi.
Arkadi Warum haste das mit mir gemacht? Konntest das nicht mit jemand anders machen?
Felix Du bist wie alle Andern, du druckst dich gern. Glaubst du, ich hab
mich
bei dir geirrt?
Arkadi Nicht wirklich. Felix Was heiÂt das?
Arkadi Ich glaube, du hast dich nicht bei mir geirrt, Genosse.
Felix Das, genau, das ist ne Antwort. Wir haben ja soviel neue Kader
notig.
Verstehst du, mit Verratern mimen wir hier nicht die Perestroika! Die schicken wir in den Ruhestand. (Erfahrt sich mit dem Daumen uber dieKehle.)
Arkadi Jawoll!
Felix Und ... mit nem anderen Auftrag ... einverstanden? Arkadi Einverstanden. Welchen Auftrag?
Felix Na ja, noch n Typen ausradieren. Mitglied, von ich weiÂnicht was, n judischer Schmarotzer, der die Sowjetmenschen beim Leben stort. Du bist doch n
Sowjetmensch, Ukraino?
Arkadi Exakt.
Felix Dann legst du ihn um.
Arkadi Wenn man mir den Befehl gibt, dann leg ich ihn um, den anti sowjetischen Schmarotzer.
Felix Du bist ne gute Neuanschaffung. Siehste, ich weiÂnicht, wie ich dir dein Kanarienvogelchen nicht abnehmen konnte. Wieviel weiteste dafur?
Funfundzwanzig?
Arkadi Ach komm, ich schenk ihn dir!
Felix Bist wirklich n Kumpel. LaÂdich umarmen. (Er druckt ihn an sich.)
Ich
bin dir dankbar, Ukraine, bis zum Tod!
Arkadi Nix zu danken, Itzig, nix zu danken. Sag mal! - sei mir nicht bose - das Buchelchen, haste das?
Felix Das Buchelchen?
Arkadi Na das kleine rote, mit dem man uberall durchkommt.
Felix Das vom Schriftstellerverband? Nee, das hab ich nicht, stell dir mal
vor!
Ich bin noch nicht offiziell eingetreten. Arkadi Nee, Felix, das andere, Felix Das andere ... n rotes? Arkadi Na ja, das vom KGB. Felix Was willste denn damit?
Arkadi Ist interessant. Hab sowas noch nie gesehen.
Felix Hab sowas noch nie gesehen! Von wegen! Jeder zweite zeigt dir seins und tut sich damit dicke. Damit man auch weiÂ, daÂer von der Firma ist.
Arkadi Na, ich verlang nie die Papiere. Drei Jahre arbeit ich hier, nie hab ich Papiere verlangt. Der Schuster tragt die schlechtesten Stiefel.
Felix Schuster, von wegen, du ScheiÂer! Alles, was du rausbekommen
willst,
ist, ob ich wirklich von der Firma bin.
Arkadi Genau, Itzig. Hast ins Schwarze getroffen. Ich will n Beweis. Felix Du hast Zukunft in der Firma! 'N As biste! Hier ist es, mein
Buchelchen, du unglaubiger Thomas! (Er holt seinen roten KGB-Ausweis heraus und zeigt ihn Arkadi)
Arkadi „Ausgestellt an Hauptmann Felix Felixowitsch Poliwailow".
Dienstsiegel,
Foto. Sieht dir Ahnlich. Tut mir wirklich leid, Genosse Hauptmann. Hab n biÂchen gezweifelt. Entschuldigung. Sehr schones Buchelchen. Klein. Praktisch.
Felix Schrecklich praktisch. Sowas gibts nicht aufm Schwarzmarkt.
Arkadi Und noch dazu n anstandiger Dienstgrad. Gluckwunsch! Bist n guter
Mann!
Felix Ja, fur mein Alter ist der annehmbar.
Arkadi Entschuldigung, Felix Felixowitsch! Das konnt ich nicht wissen,
verstehste, ich hab geglaubt, ich habs mit nem ScheiÂ-Schreiberling zu tun, und jetzt biste plotzlich n Mensch!
Felix Das konntest du nicht wissen. Wir mussen uns ja tarnen. Gehort zum Beruf. Ubrigens, ich hab ja auch geglaubt, daÂdu n mieser ukrainischer Taschendieb bist, der zu nix taugt. In Wirklichkeit biste fahig. Das versteckste gut hinter deiner doofen Fresse.
Arkadi Du glaubst gar nicht, wie glucklich ich bin.
Felix Aber sag, wenn man sie dir nicht bezahlen wurde, deine Fahigkeiten, wurdest du es trotzdem machen?
Arkadi Warum soll man mir den Job nicht bezahlen?
Felix Also, bei uns arbeitet man erstmal aus Uberzeugung. Die Kohle kommt
spater.
Arkadi Aus welcher Uberzeugung?
Felix Aus kommunistischer Uberzeugung, du Ochse! Wo bistn du geboren?
Wo lebstn du? Sagt dir das nix, kommunistisch?
Arkadi Na ja, das heiÂt... im Augenblick gehn die Kommunisten grad den Bach runter, mit der Perestroika.
Felix Pustekuchen, Vollidiot! Die Alten auf n Mull, die Jungen an die Macht,
verdammt! Die Organisation wird umgebaut!
Arkadi Und dann haust du ab?
Felix Wieso hau ich ab? Sag mal, fur wen bist du eigentlich? Arkadi Ich bin fur den KGB.
Felix Na dann halt dich mal fest, in der Kurve.
Arkadi Ich werds versuchen. Aber sag, gehor ich jetzt dazu? Felix Alles in allem: wurdest du das wollen?
Arkadi Wenn ihr meint, daÂich klarkomme, dann will ich schon.
Felix Wir sind absolut der Meinung, daÂdu klarkommst, Ukraino. Und dann, wirst schon sehen, wir bezahlen unsere Leute immer, wir sind nicht wie die anderen. Und dazu kriegste von uns auch noch haarklein die richtige Wohnung.
Arkadi   Werd ich vorgezogen?
Felix Wieso vorgezogen? Bei uns gibts keine Wartelisten, die gibts fur ge wohnliche Werktatige. Wir sind Spitzenkrafte.
Arkadi   Ja, das isses! Jetzt hab ichs kapiert: Spitzenkrafte. Das hab ich mir
jetzt reingezogen.
Felix Trotzdem, du hast mir nicht geantwortet: wenns keine Kohle gabe, wurdest du dann ein oder zwei Krafte, die nicht von der Spitze sind, ausblasen? (Er blast.) Auf Befehl naturlich. (Er blast noch einmal)
Arkadi (Blast auch.) Ohne Kohle? Denkste! Wollt ihr mich bescheiÂen? Und
die
Wohnung, krieg ich die wenigstens gleich? Na, weil sonst... Sag mir, als Freund, krieg ich die gleich?
Felix Hier wird nicht in Freundschaft gemacht. Das ist nicht so ne kleine SchieberscheiÂe, hier mal ne Ladung Kartoffeln und da mal ne Ladung Kartoffeln. Hier ist nix mit Zappzerapp! Wir sind das KGB, verdammt! 'Ne seriose Firma!
Selbstkontrolle! Selbstdisziplin! Personliche Verantwortung! So isses! Also Freundschaft ist nicht drin! Doch! Manchmal! 'N Kumpel ins Jenseits befordern, schmerzlos, zack, von einem Ohr zum Andern. Klar, das ist Freundschaft. Das ist aber auch alles. Bei uns ist das so: entweder biste n bewuÂter Kommunist, dann kannste bei uns arbeiten, ansonsten Feierabend. Also uberleg dirs gut. Haste n kommunistisches BewuÂtsein?
Arkadi Felix Felixowitsch, ich sags dir, ganz uberlegt: Ich spurs, ich hab n kommunistisches BewuÂtsein. In jedem Blutkorperchen hab ich das.
Felix Das nenn ich ne Antwort, Kackmeier.
Arkadi Ubrigens, bei dem anderen Juden, als ich dem seinen Schnitt verpaÂt
habe, da war mir das nicht klar, aber da hab ich den Schnitt einem Feind der kommunistischen Wirklichkeit verpaÂt. Das sag ich dir! Mit meiner ganzen personlichen Verantwortung.
Felix Goldene Worte, Saftarsch! Bist n ganzer Profi.
Arkadi Ein As. Ich hab ein As. Im Grunde wars n Glucksfall, daÂihr auf
mich
gekommen seid.
Felix Ich habs gespurt. Ich hab n guten Riecher.
Arkadi Was krieg ich denn furn Dienstgrad? Bei der Armee war ich Oberfeld webel zum SchluÂ. Drunter fang ich gar nicht an.
Felix Ach was, Kumpel, bei uns geht das klar. Wirst schon sehen, wir machen
viel Kohle! Jedenfalls kriegste sofort n hoheren Dienstgrad. Und dazu noch die Wohnung. Ohne Warteliste.
Arkadi Fur ne Spitzenkraft.
Felix Richtig. Aber nur, wenn du wirklich n kommunistisches BewuÂtsein
hast.
Arkadi Ich bewahr mich in der Praxis! Wirst schon sehn, mit mir macht ihr n
guten Schnitt. Sag mal, werd ich hier bleiben zur Arbeit oder werdet ihr mich versetzen? Mir isses egal.
Felix Das ist nicht das Problem, aber da gibts was anderes, was mir auf
die
Leber geht...
Arkadi Was isn das, was dir auf die Leber geht?
Felix Nix besonderes, aber trotzdem, bei dem Typen, dem kleinen Drecks juden, haste dir auf einmal ins Hemd geschissen und hast ihn umgelegt, n vollig unbekannten Typen, einfach so! Um die funfhundert Rubel zu kriegen und weil du
SchiÂhattest vor dem Afghaner.
Arkadi Wieso soll ich SchiÂhaben? Ich hab den Befehl ausgefuhrt, genauso, wie
dus mir aufgeschrieben hast, Genosse Hauptmann.
Felix     Ja, aber du hast nicht gewuÂt, daÂich den Wisch geschrieben hab, im Auftrag vom KGB. Du hast ihn umgelegt, weil du SchiÂhattest vor dem Afghaner. "N feiger Hund biste!
Arkadi Dann bist du dran schuld! Hattest klar sagen mussen in deinem Brief: Hallo hier ist das KGB.
Felix      Das war Absicht. Wir wollten dich auf die Probe stellen.
Arkadi    Und ich behaupte, daÂes n Irrtum war! Du hattest schreiben sollen:
Da
ist n jiddisches Arschloch, n antisowjetisches, der gehort kaltgemacht, aus kommunistischem BewuÂtsein! Halt ich gemacht, aus kommunistischem BewuÂtsein! ScheiÂe. Das ist nicht meine Schuld.
Felix Na ja, daÂdu deinen Standpunkt mit Klauen und Zahnen verteidigst, das haut hin. Aber trotzdem, n Typen zu liquidieren, bloÂweil du SchiÂhast, und noch nicht mal n Unterschied sehen zu ner Liquidie rung aus kommunistischem
BewuÂtsein, das ist n schwaches Bild. Echt!
Arkadi ScheiÂe. Ich sag dir doch, ich seh den Unterschied. Genau den, seh
ich.
Mann, das ist doch nicht dasselbe! Das ist dem Volke dienen, verflucht! Das ist von nutzlicher Nutzlichkeit, wurd ich sagen!
Felix Genau. Das isses. Du bist auf dem richtigen Weg. Daruber bin ich
sehr
glucklich. Glucklich fur dich, Genosse Oberfeldwebel! Genosse Kommunist!
Arkadi Danke fur dein Vertrauen, Genosse Hauptmann. Danke fur die Freude,
die du mir machst. Aber ScheiÂe, wenn du mir in dem Brief sofort gesagt hattest, da ist n kleiner Jidd, den muÂte mir zurechtschnipseln, aus kommunistischem
BewuÂtsein, leck mich, ich hatt ihn zurechtgeschnipselt! Aber dalli! Aus kommunistischem BewuÂtsein, Genosse Hauptmann!
Felix Na sagen wir, ich war halt aufm falschen Dampfer. Wir haben soviel
zu
tun, da haben wir auch das Recht auf Irrtum. Wenn mans bedenkt, der
Kommunismus, der ist noch ganz am Anfang. Der ist noch ein kleines Kind. Vor uns hats den noch nie gegeben in der Geschichte der Mensch heit. Wir sind die ersten, die sich abrackern fur den Kommunismus!
Wir sind die Avantgarde! Also gell! 'N Irrtum bei so nem Gartenzwerg wie du, das macht den Kohl nicht fett.
Arkadi Und ich, hab ich jetzt auch n Recht auf Irrtum? Felix Du? Warum?
Arkadi Na ja, wo ich doch jetzt auch vom KGB bin, nehmen wir mal an, daÂich den Itzig aus SchiÂgetotet hab, das war doch n Irrtum, wurde man doch sagen, da hatt ich doch n Recht drauf gehabt.
Felix Siehste, jetzt gestehste! Jetzt wurmts dich! Nur, als du dem da die Gurgel
durchgeschnitten hast, da warste noch nicht vom KGB! Da warste nur n mieser Sowjetukrainer.
Arkadi Geh mir nich auf n Sack. Man lebt doch nur einmal, historisch. Da hat man doch n Recht auf n kleinen Irrtum. Jeder Sowjetmensch muÂte n Recht drauf haben, verfassungsmaÂig!
Felix Jetzt verarscht der auch noch die Verfassung. 'N Ukrainer im KGB!
WeiÂte, wenn man die Sache so nimmt, dann hatte der kleine Itzig auch n Recht gehabt auf Irrtum. Das Recht, uns zu verraten, das Recht zu sabotieren ... Dann hatten wir uns geirrt, als wir ihn zurecht-geschnipselt haben, schnallste das? Das isses, was rauskommt, wenns nach dir geht?
Arkadi    Das versteht doch keine Sau! Keine Sau!
Felix      Jetzt hor mal auf mit deinem saugroben Ton! Ich hab sie bis hier,
deine
Dreckschnauze.
Arkadi Ich sag doch nur, das versteht kein Schwanz.
Felix Jetzt uberleg doch mal n biÂchen: War nicht grad die feine Tour, n Sowjetmenschen zurechtzuschnipseln, der n Recht auf Irrtum hat.
Arkadi Was weiÂich denn. Ich will nicht uberlegen. (Erfongt an zu weinen.)
Felix Sehr gut. Das ist sehr gut. Die Frauen auch. Arkadi Sehr gut? Nehmt ihr mich?
Felix   Ich habs dir doch gesagt, Ukraine, auf dich hab ich Bock. Du gefallst mir gut. Echt gut. Wirklich! "N Typen wegputzen, bloÂweil man SchiÂhat, na, das ist kein Irrtum! Das ist bloÂdeine wahre Natur! 'Ne mordsmaÂige, ne schiÂmaÂige! Gell Schnucki, ne wahre HosenscheiÂernatur! Aber ich werd sie dir schon rausficken, mit meinem Stahlschwanz, KGB-gehartet, deine HosenscheiÂernatur! Kapiert, Ukraine? Ich spurs, ich bin scharf auf dich!
Arkadi Und ich erst, Genosse Hauptmann! DaÂdu mir den SchiÂrausfickst, genau das will ich! Und bei der Milchklauerei kannste jetzt zuhauen soviel du willst. In Funfliterkannen, wenn du willst. Ich werd sogar mit Klawa sprechen. Die wurd sich n Bein fur mich rausreiÂen, die Klawa.
Felix Haste sie gefickt?
Arkadi Na und ob, mein lieber Spitz, und ob ich die gefickt hab. Bis zur Milz!
Ah ... isses gut oder isses schlecht, daÂich sie gefickt hab!?
Felix Bis zur Milz? Ist gut. 'Ne Nutte zu ficken, bis zur Milz, ist immer gut.
Das gehort zum Privatleben jedes Sowjetmenschen!
Arkadi Genau, so isses. Und deine verfickten Geschichten, schreib davon, soviel du willst. Du kannst sie sogar hier schreiben, auf Wache, die ganze
Schicht durch.
Felix Nett von dir. Vielen Dank.
Arkadi Trotzdem, sich den Arsch aufzureiÂen, mit dem ScheiÂgeschreibsel, wenn man vom KGB ist, ist doch bekloppt. SchlieÂlich ...
Felix Du bist bekloppt, Ukraine. Siehste nicht, daÂdas meine Tarnung ist?
Hastes immer noch nicht kapiert? Du bist nicht nur bekloppt, du bist total behammert!.
Arkadi Hor mal, von wegen behammert... n Typ, der behammert is, glaubst du, der wurde ganze LKWs klauen? Bitte keine Beleidigungen, Genosse Hauptmann!
Felix Ach, und wenn ich dir sag, daÂdu bloÂn Lump bist, bist du nicht beleidigt? Ist das so, Arschficker! Und wenn das so ist, dann sag mir: glaubst du wirklich, daÂdie solideste aller sowjetischen Institutionen so n Lumpen notig hat?
Arkadi Also, damit du weiÂt, wos langgeht, ich laÂjetzt mal n Gedanken
raus,
der ist intelligent und der ist verantwortungsvoll.
Felix Spitze! Aber paÂbloÂauf, daÂdu nicht draufgehst bei der Schwer geburt.
Arkadi Also, wenn die Lumpen den Institutionen was nutzen, dann hat sie
sie
notig! Zwangslaufig!
Felix Du sagst es, Goldmaulchen. Zwangslaufig.
Arkadi Na ja ... das ist meine personliche Meinung. Aber wenns sein muÂ, wenn die Partei, wenn das Volk von mir verlangt, daÂich mich anstreng fur den
Aufbau des Kommunismus, also, ich sag dir, dann hor ich auf: ich klau nix mehr! Besonders, wenn man mir funfhundert Scheinchen ruberschiebt, bei jeder Intervention! Das ist klar! Na ja, andrerseits, ist ja keine schlechte Tarnung. So als mieser Kartoffeldieb. Wenn du n KGB-Offizier bist, so mit Achselstucken, und mit Lametta!
Felix Trotzdem, immer wieder fangst du mit der Kohle an. Du hast n Web
fehler.
Sau?
Arkadi Ich werd mich bessern, ScheiÂnochmal. Findste, ich bin ne arme
Im Augenblick bin ich ne arme Sau. Den Itzig zurechzuschnipseln, das war nicht einfach, verflucht. Aber ich habs geschafft. Ich habs geschafft! Und n guter Typ
werden, das schaff ich auch. Wenns sein muÂ! Ist nicht einfach, aber ich kann auch was machen, was nicht einfach ist, das spur ich! Typen liquidieren! Wenn ihr mir sagt, mach das, dann mach ichs.
Felix WeiÂt du, heutzutage langts nicht, Befehle auszufuhren. Na, was
notig
ist heutzutage, das ist personliche Initiative.
Arkadi Das weiÂich. Deshalb sag ich dir ja, personliche Initiative, da hab ich so viel, da kann ich was von abgeben! Leck mich. Ich mach tausend Rubel pro Tag, manchmal! Ich klau, Felix! Ich klau! Aber mit Anstand, nee? Mit Anstand! Das sag ich dir, aufrichtig. Und dem KGB steh ich zu Diensten. Leck mich!
Felix Jedenfalls, das sind alles Nebensachen. Sag mir, den Typen zu liquidie
ren, hat dir das gefallen oder nicht?
Arkadi ScheiÂe, weiÂich nich. Sag du mir, was ich antworten soll.
Felix Du muÂt ganz alleine antworten. 'N Typ vom KGB, der muÂalles ganz alleine tun. Karten spielen, Leute umbringen, wuste Weiber ficken, Manner auch, Zyankali schlucken und Wodka.
Arkadi Lieb von Euch.
Felix Is normal. Also, der Itzig, hats dir gefallen oder nicht?
Arkadi ScheiÂe. Jetzt tu mir doch den Gefallen, du Kackarsch. Sag mir, was
ich
antworten soll! Tschuldigung: Kackarsch zieh ich zuruck.
Felix „Den Gefallen" ... Du hast wirklich nichts kapiert. Is doch nur rausgeschmissene Zeit mit dir. Bei uns, Schnucki, da is nix drin mit „Gefallen". Das ist die Grundlage.
Arkadi Na gut, wenn ich nutzlich sein kann, nehmt mich, und wenn ich nix tauge: (Er trallert.) „Liebling, ich sag dir fur immer Adieu". Werd schon klarkommen, ich find immer was zu fressen in der nationalen Volks wirtschaft.
Felix      Kein Zweifel, bei deinem Talent! WeiÂt du, die Jungs, die zuviel
wissen, auf die lassen wir manchmal n Afghaner los, eben mal so, siehste? Und der Afghaner, der pustet dir n Loch in die Birne, aus kommunistischer Uberzeugung! (Er pustet.) Als Superprofi! Kapiert? Siehste, ich tu dir n Gefallen.
Arkadi Das heiÂt, ab jetzt habt ihr mich aufm Kieker, isses so? Felix Kann sein. WeiÂte, ich entscheid nicht alles.
Arkadi Dann will ich die sehn, die alles entscheiden. Genau, ich werd selbst hingehn, ich werd nach deinem Chef verlangen!
Felix Also da, Ukraino, da wurdest du n Fehler machen, du Pflaume, du damliche! Du wirst denen sagen: Ich hab n kleinen Juden kaltgemacht. Und ich werd sagen: Ich hab ihn nie geschrieben, den Brief! Nie! Siehste, wie einfach das ist? Ich, siehste, ich arbeite allein. Allein, und im Untergrund. Ich hab den Befehl gekriegt, ne Gruppe zu bilden, ich bild sie. Nach meiner
Superauffassung von meiner Supermission, klar. Kapierste das oder nicht?
Arkadi Und ob ich das kapier! Hat mir wirklich gefallen, den abzustechen. Ha!
Felix Ha. Also, jetzt muÂich das ganz genau wissen: was hat dich
scharf
gemacht? DaÂdir das Kohle bringt? Oder daÂdu SchiÂhattest vor dem
Afghaner? Oder, ganz einfach: der Afghaner war dir schnuppe und den Itzig haste mit Lust abgegurgelt. Mit Wollust! Ha? Mal ehrlich? Die Ehrlichkeit,
Ukraino, die allein kann dich retten!
Arkadi Ich weiÂnicht. Mir ging der Arsch auf Grundeis, gut. Und s is
wahr,
ich hab an die Kohle gedacht. Aber ehrlich, als ich dem die Klinge durch die Gurgel gezogen hab, leck mich, da hab ich alles vergessen. Der hatte soviel Sommersprossen, leck mich. Ich hab alles vergessen. Ist das gut oder nicht gut?
Felix Das bloÂe Abmurksen, hat dich das spitz gemacht?
Arkadi Irrsinnig spitz. Als ich den abgemurkst hab. (Er weint.)
Felix Das ist nicht nur gut, das ist Spitze! Und die Tranen, die Kindertranen,
die Unschuldstranen, sind die nicht Spitze? Genial, Ukraino, genial! Was ist das Ziel des Kommunismus? Das Ziel des Kommunismus ist: erstens, den unschuldigen Wunsch, seinen Nachsten zu killen, in der Praxis zu erproben; zweitens, n MordsspaÂzu haben, beim Killen; drittens, sich den Arsch zu waschen mit den bitteren Tranen der Reue und der Gewissensnot; und viertens, klar und deutlich Ziel und Sinn des eigenen Schicksals als Kommunist zu begreifen.
Arkadi Indem man funftens furs KGB arbeitet.
Felix Exakt. Und sechstens gibts dann niemand mehr, der dich verschaukelt.
Arkadi Also dann kann man liquidieren, wen man will. Entschuldige, aber ...
isses so?
Felix So isses. Du bist entschuldigt. Vollig! Wir mussen die ScheiÂe weghauen aus dieser Nation. Wie die Wolfe. Also die Wolfe, die fressen nur die kranken und schwachen Tiere auf, in den Herden. Die raudigen Schafe. Alles was gesund ist, und stark, da gehn sie nicht ran.
Arkadi Sowas liegt mir.
Felix Ist ne Frage von Sozialhygiene.
Arkadi Eigentlich durften nur die Leute vom KGB bleiben. Die Andern ab ins Krematorium. Da wurden wir dann Dunger draus machen. Na ja, n paar von den
Hanseln mussen wir behalten. Als Soldaten. Sonst ham wir die Amis hier. Immerhin, man kann sagen, was man will, das KGB, dem sein Hauptziel ist, daÂes bei uns keine Amis gibt.
Felix Das Hauptziel, Ukraine, ist, daÂman sich nicht verfruhstucken laÂt, Punkt. Wenn du uns vertraust, kann dir nix passieren.
Arkadi Danke, Felix! Leck mich, jetzt gehts mir blendend. Siehste, vorher, da hab ich mich immer unterdruckt gefuhlt! Aber jetzt, s is vielleicht blod, aber jetzt isses richtig geil! ScheiÂe, ich brauchte bloÂn semitischen Gartenzwerg zu verarzten ...!
Felix Ich werd dir was sagen, Ukraine: der Kommunismus tut der Seele
wohl.
Arkadi So isses. Der Kommunismus! Leck mich! Wenn du quatschst, spurt
man, daÂdu n sensibler Typ bist.
Felix Denn der Kommunismus, siehste, der ist ne Wissenschaft. Und
gegen
die Wissenschaft, da kann man nicht an.
Arkadi Mir war die scheiÂegal, vorher, die Wissenschaft, aber jetzt, mein
lieber
Spitz. Hut ab.
Felix Ja ja, Arkadi, vor der Wissenschaft hat man Respekt. Besonders bei
uns,
wir sind doch ne wissenschaftliche Nation! Siehste, zum Beispiel, es gibt keinen
Wissenschaftler, der nicht wissenschaftlich weiÂ, daÂman imstande ist, ihn uberall und jederzeit wissenschaftlich am Arsch zu packen und in den Knast zu stecken.
Einfach so! Das ist Wissenschaft! Im Knast nehmen ihn dann die Kriminellen in die Mache, die bear beiten ihn auch wissenschaftlich. Die ziehn ihm wissenschaftlich ne Strumpfhose aus Nylon uber, mitm Loch am Arsch, und ficken ihn durch, alle Mann! Vom Arschloch bis zur Milz, vom Maul bis in den Magen! Ne volle Ladung AIDS. Und Syphillis zum Nachtisch. Das ist auch Wissenschaft! Dann treten sie ihm noch n
biÂchen in die Eier und bringen die Sache zum SchluÂ. Aber mit Schmackes. Und
wissen schaftlich! Rauf auf n Hocker, Schlinge um den Hals, und hopp! Nachher kann man sich nicht mehr rachen. Also isses besser, sich vorher zu rachen,
wissenschaftlich. Ich zum Beispiel, siehste, ich frage mich jeden Tag, warum biste noch nicht im Knast und wirst gefickt wie die Andern. Oder warum haben die mich noch nicht fur nen kauflichen Itzig gehalten und mich bedient mit m Stiletto.
Arkadi Du hast bestimmt Schwein gehabt. Du bist wie ich, du bist n Typ, der
Schwein hat. Sag mal... biste sicher, daÂwir beide hier uber Wissen schaft quatschen konnen? Das hier keiner mithort?
Felix Na, ist schon n Weilchen her, daÂdie mir vertrauen, und zwar
ohne
Horch und Guck!
Arkadi Also nimmste mich? Verdammt, du wirst es nich bereuen! Ich
hab n
Haufen guter Eigenschaften! Besonders, wo ich jetzt auch noch ange fangen hab zu schnallen, was das ist, der wissenschaftliche Kommunis mus, aber grundlich, mein lieber Spitz! Marx, leck mich, Lenin, leck mich! Die lieb ich nicht nur, leck mich am Arsch! Die respektier ich!
Felix Und Engels, verflucht! Warum vergiÂte Engels? Ha?
Kommunist!
Arkadi Engels? Aber den vergeÂich doch nicht, den Engels! Uberhaupt nich! Nur hatten die ihren Kommunismus und wir ...
Felix Was haste gesagt?
Arkadi Den wissenschaftlichen Kommunismus! Wir ham unsern. Mit denen ham wir nix am Hut! Das isses doch, das hab ich verstanden, nee? Mein Operationsauftrag?
Felix Sag mal, daÂKarl Marx, der Erfinder des wissenschaftlichen Kommu
nismus, n Jude war, wie erklarst n du dir den Widerspruch, du Arsch geige?
Arkadi Mit der Dialektik und dem Materialismus.
Felix Guck mal her, der denkt wissenschaftlich, der Viehtreiber!
Arkadi Also nimmste mich? Ne Spitzenkraft!
Felix Hor zu, im Prinzip biste schon der Richtige. Aber sag mal,
Denker: Dir sind doch bestimmt schon welche ubern Weg gelaufen, in deinem Leben, so Feinde der Wissenschaft.
Arkadi Na klar, auf Schritt und Tritt; soviel wie dir wahrscheinlich. Felix Warum hast du die Dreckswanzen dann nicht ausgerottet? Arkadi ScheiÂe, ich hatt schon Bock drauf gehabt, das sag ich dir!
Eigenhandig hatt ich das erledigt. Dich zum Beispiel: bevor wir beide das Gesprach hatten, das wissenschaftliche Gesprach, also da ... Und nicht nur dich! Das ganze Intellellengesocks. Diese ScheiÂantiwissenschaftler! Ich hatt sie dir zurechtgeschnipselt! Bei dir, tschuldigung, konnt ich ja nicht wissen!
Jetzt ist das was anderes! Jetzt weiÂich, der ist vom KGB, und der is echt
wissenschaftlich, und ich weiÂ, du schleust mich da rein, echt wissenschaftlich, nee, das ist was anderes! Jetzt mag ich dich echt wissenschaftlich!
Felix Hattste ja auch mal aktiv werden konnen! 'N antiwissenschaftlichen Dichterling kaltmachen! Haste nicht gemacht. Das war blod.
Arkadi War das blod, daÂich dich nicht kaltgemacht hab? Ausgerechnet du sagst mir das?
Felix Ja, saublod war das.
Arkadi Ich hab dir doch gesagt, beinah hatt ichs getan! Aber ScheiÂe, ich
allein,
wie hatt ichs denn gekonnt? Das war nicht wissenschaftlich! Jetzt, wenn du mich anheuerst, dann ist das wissenschaftlich! Dann machen wir ne Superarbeit!
Felix Mann, bist du blod. Was n Blodsinn, verflucht! Glaubst du wirklich,
ich
wurd mir hier den Arsch aufreiÂen als Feuerwehrmann, wenn ich vom KGB war? Mitm Feuerloscher die Treppen raufwetzen! Wichser jagen, die aufm Lokus rauchen! Mich plackern, mit so nem Arsch wie dir! Glaubste das wirklich? Verflucht, nicht mal als Tarnung will ich dich! Ah, Ukraino, du bist vielleicht Ukrainer, aber verflucht, dir haben sie ins Gehirn geschissen, du Pfeife. Ich bin nur n Schreiberling, Ukraino, sowjetischer Graphoman! Und ich hab SchiÂ, daÂdie mich am Arsch packen, besonders wegen Parasitentum, deswegen Job ich als Feuerwehr mann, so isses.
Ich werd erst nach meinem Tod veroffentlicht. Ist halt so, bei den GroÂen. Ein Prophet gilt nichts in seinem Vaterland. Das ist das Gesetz des Lebens. 'N
wissenschaftliches Gesetz. Und RuÂland ist da ganz vorne!
Arkadi Was sagste da?
Felix Ja ja, Brett vorm Kopf, Klavier vorm Bauch, du Matschpflaume! So,
los,
den Schwanz auf die Schulter und dann gute Reise.
Arkadi Sag mal, warum haste mich verarscht? Warum haste versucht, mich
zu verschaukeln?
Felix Ja verflucht, du hast es doch so gewollt, Ukrainokaffer! Du hast mich gebeten, dir zu erklaren, was Kunst ist, und ich verklickers dir! Ich Versuchs dir zu verklickern! Auf die allerdemokratischste Tour! Damit du nicht gleich wieder einschnappst, wenn ein judischer Intellektueller jeden Umgang ablehnt, weil er in
jeder Sekunde seiner kostbaren Zeit n Nobelpreis in der Mache hat, wo er sein Hundeleben beschreibt!
Arkadi Ja ja, und der Brief, ha? Der Brief. Der Wisch. Und der kleine Stinke jude mit den Sommersprossen, ha? Das ist doch wohl nicht wahr. Zeigste mir nochmal deinen Ausweis?
Felix Reg dich ab, komm Ukraine, der ist von meinem Alten. (Er reicht ihn Arkadi) Mein Alter war General. Ich bin nur der Sohn. Doofi Doofowitsch. Siehste da, die Jahreszahl? 1958. Der war Hauptmann damals. Sieht mir doch n biÂchen Ahnlich
... Und du, siehste deinem Alten Ahnlich oder nicht? Arkadi Leck mich, wie ein Ei dem Andern.
Felix Und dann heiÂen sie in meiner Familie auch noch alle Felix. Der GroÂvater, der Vater, der Sohn, alle Felix. Na, Ausweise wie den, die muÂman sich schon genauer anschauen. Besonders du, verflucht, bei dem Posten, den du hast. Mit der Jahreszahl haste dich ganz schon ins Knie gefickt! 1958!
Arkadi Du hast mich angeschmiert, angeschmiert haste mich! Na ja, bei so
nem
Vater war ich nicht Doofi Doofowitsch. (Er reicht den Ausweis zuruck.)
Felix Tja! Jedem das Seine! Gott, was Gottes ist, und dem Matschkopp
seinen
Matsch! Und dem Ukrainer den Rest! Mach dir nichts draus, Rest gibts noch machtig! Man muÂnur zulangen konnen.
Arkadi ScheiÂe, was fur ne Drecksau! Du bist ne richtige Drecksau! Warum haste meine Hande mit Blut beschmiert, du Drecksau?
Felix Sieh mal, mein Papa hat mir was anvertraut: er hat gesagt, daÂder kleine Drecksjude sich an das KGB verkauft hat, daÂer uns verpfifffen hat, mich und meinen Kumpel, n Jugendfreund. Wir hatten antisowjetische Literatur gedruckt. Mein Papa hat mich gedeckt, aber der Kumpel, dem haben sie funf Jahre aufgebrummt, der hat sich umgebracht. Mein Alter hat nix machen konnen. Und weil auch der kleine Itzig unser Freund war, konnt ich ihn nicht eigenhandig umlegen, verstehste? Sogar n ehemaligen Freund. Konnt ich nicht. Und dann hatte ich Lust, ne wissenschaftliche Idee von mir mal in der Praxis zu uberprufen: wieweit im Volk noch der Drang zum
Abmurksen lebt. Du hast gerade an einem wissenschaftlichen Experiment teilgenommen. Und dann beklagste dich auch noch?
Arkadi Arschloch, was hab ich dir getan?
Felix „Liebling, was hast du mir getan? Liebling, was hab ich dir getan?" Arkadi Was?
Felix Das ist von der Zwetajewa. Der Dichterin. Kennste die nicht?
Arkadi Nee, aber ich kenn dich, du bekackter jiddischer Schmierant. Das
reicht
fur meine Bildung.
Felix Also hor zu, du hast n Typen umgelegt, das ist dein Problem! Na ja,
tut
mir leid fur dich. DaÂdu menschlich nicht die Kraft gehabt hast, dich dran zu hindern, das macht mich traurig, echt. Und das du bereit bist, dich ratzeputz ans KGB zu verkaufen, das auch, verdammt, das macht mich auch traurig! Ubrigens, nur zur Information: unser kleiner suÂer Judenarsch mit den Sommersprossen: der war kein Jude! Der war n waschechter Russe, Junge, n hundertprozentiger. Genau wie ich!
Arkadi Ja ja, wir kennen euch, ihr blonden Itzigs! Ihr seht aus wie Russen,
aber
ScheiÂe, ihr stinkt auf tausend Kilometer gegen den Wind. Euch erkenn ich schon am
Geruch.
Felix Na und du, du blonder Marchenheld, du Siegfried. Bist du sicher, daÂdu nicht einer bist, n Jude. Haste vielleicht ne judische Mutter, ha? Die hat dich
wahrscheinlich irgendwelchen Ukrainern vor die Tur gelegt, als andere Ukrainer sie zur Schnecke gemacht haben. Die wildesten Antisemiten sind selber Juden!
Ubrigens, dein Name: Arkadi, der ist durch und durch semitisch.
Arkadi Ich hab ne russische Mutter, is das klar? Ne russische Mutter! Und wenn ich Arkadi heiÂ, dann zum Andenken an mein Onkelchen, der is im Krieg gefallen! Der Bruder von meinem Alten! 'N Russe!
Felix     In der kommunistischen Gesellschaft sind wir alle Juden. Unser Papa ist Marx und unsere Mama is Josef. Und dann sagen die Leute: ich bin Russe, ich bin Ukrainer. So haben sies gern. Is aber alles Quatsch.
Arkadi   Vielleicht isses Quatsch. Was du bist, das weiÂich nicht, aber was
ich
weiÂ, daÂich dich bald untern Rasen schicke, zu deinem Kumpel.
Felix Und wer kauft dir deinen Piepmatz ab, ha? Funfundzwanzig Rubel? Arkadi ScheiÂegal, ich laÂihn frei.
Felix Endlich mal ne gute Tat. Nur, dein Kanarienfifi, der halts allein nicht aus! Der kann nicht in Freiheit leben! Der steckt im Kafig, seit der Geburt, verstehste, der hat ne vergitterte Weltanschauung. DrauÂen, da bekam er SchiÂvor allem und
jedem, sogar vor nem Wurmchen. Nee, nee, Ukraine, den lassen wir mal hubsch im Kafig. Da kann er seine Kornchen auf Staatskosten picken. Und weil er drauÂen
SchiÂhat, sogar vor den Wurmchen, n biÂchen wie sein Herrchen vor dem Afghaner, he?, geht er zu den Vogelchen vom KGB, verkauft sich an die und dann: guck mal, wie er dann fliegt, von Haus zu Haus, wie er durchwitscht durchs Klappfensterchen, uberall, wo seine Vettern hocken, die in ihren Kafigen herumvegetieren. Und hopp, schmeiÂt er ihnen vergiftete Kornchen ins Napfchen. Weil die Wurmchen vom KGB den Vogelchen nicht ubern Weg trauen, sogar im Kafig.
Arkadi Du quatschst gut, Kunstlerarsch!... Sag mal, jetzt, wo ich doch alles weiÂ, und schon einmal den Schritt gemacht hab? Was man einmal gemacht hat, kann man ja wieder machen.
Felix Ach weiÂte, auf die Dauer ist das zum Kotzen. Nee, nur das erste
Mal,
das is gut. Find doch was anderes, ich weiÂnicht, Versuchs doch mal.
Arkadi Leck mich, du bist wirklich n Schwein! Ich versteh nich, wie man so n Sauknuppel werden kann! Na bravo, deinen Eltern haben dich gut
Felix Meine Eltern, die konnen mich mal.
Arkadi Ha, wenn mich meine so erzogen hatten, dann konnten die mich
auch
mal. Du? Bist du sicher, daÂdie nicht beide vom KGB waren, deine Alten?
Felix Volltreffer!
Arkadi ScheiÂe, ich habs doch gerochen. Und was haben die gemacht. Es
gibt
ja n Haufen Jobs in der Firma. Waren die zum Killen da?
Felix Mein Vater, der hat gekillt. Im Ausland. Meine Mutter nicht, die war
in Moskau. Die arbeitete horizontal, die fickte den Diplomaten die Geheimnisse raus.
Arkadi Sauber! Da haste echt Schwein gehabt!
Felix 'N Doofi Doofowitsch bin ich geworden. Ich hab die ganze Zeit anti sowjetische Schmoker fotokopiert und damit rumgehokert, und jetzt schreib ich mein Zeug. In aller Seelenruhe. Nix Genaues, wie du siehst. 'N Schriftstellerarsch. Wer spricht denn von Hiob und Christus heute in RuÂland, ha? Wer?
Arkadi Was weiÂich denn.
Felix Armes, armes RuÂland. Wer kommt und fickt dich? Na immerhin, ich seh, man steckt mich nicht in den Knast. Den Sohn von nem x-beliebigen
Minister, den hatten sie schon lange unter die Dusche befordert, zur Abhartung. Aber dem Sohn von nem KGB-General, der sein ganzes Leben lang die Leute gekillt hat, dem kann man nicht ans Leder. Also: Ich mach, was ich will. Ich hab n heiÂen Draht zu Typen, die arbeiten mit m Ausland. 'N Mordsding. K. U. heiÂt das: Kollektives
Unternehmen. Manchmal sagen wir auch S. U. : Schwule Union. Will heiÂen: Wer fickt wen, moralisch, oder auch mittenmang ins Arschloch. Zum Beispiel: Ich hab dich gefickt. Moralisch. DaÂes nur so dampft! Findste das beknackt, daÂdu die zerquetscht hast, die Wanze?
Arkadi Ich hab keine Wanze zerquetscht, ich hab n Typen abgestochen.
Weil
ich SchiÂhatte. Das ist die Wahrheit Was hattst du denn gemacht an meiner Stelle?
Felix Zum Ungluck oder zum Gluck, ich hatt genau dasselbe gemacht.
Siehste, an dich hab ich den Brief abgeschickt, aber an mich hab ich ihn geschrieben. Ja, ja, ich hab ihn an mich geschrieben, den Wisch, und zwar so, daÂer fur mich funktioniert, damit er fur dich funktioniert, verstehste? Wir stehen doch unter der gleichen Fahne, wir haben doch was gemeinsam.
Arkadi Sag mal, warum heirateste nich? Da harteste Kinder, da wurdeste aufhorn mit dem Blodsinn.
Felix Kinder! In dem Saustall! Nee, nie! Dafur steck ich den Schwanz in keine Fotze!
Arkadi Was denn, ich hab ihn doch auch reingesteckt... Da fragste doch nicht oben nach bei deinem Hirn.
Felix Ach ja! Leben schaffen wie die Affen! Mit dem Schwanz und ohne Hirn, ha? Ne geile Nummer, Gipskopf!
Arkadi Probiers doch mal mit Heiraten. Der wurd vielleicht finden, wos langgeht, dein Schwanz.
Felix Ja ja! Ne Hure heiraten wie meine Mutter! Arkadi Nee nee, ich sprech von Liebe!
Felix Von Liebe? Meine Liebe hab ich umgebracht. Arkadi Du hast deine Liebe umgebracht?
Felix Auf die elegante Tour. Arkadi O!? Erzahl mal.
Felix Na, das erzahl ich niemandem. Arkadi O, mir kannstes doch.
Felix Warum soll ich bei dir ne Ausnahme machen?
Arkadi Du hast doch schon mal eine gemacht! Na komm, tu mir den Gefallen!
Vielleicht wirds danach leichter. Mir!
(Schweigen.)
Felix Also, wer Ohren hat zu horen, der hore. Der Auftrag lautete folgender maÂen: ich sollte in ein gewisses Land fahren, dort ne gewisse Juden schickse anbaggern und sie dann heiraten. Ihr Vater war n Dissident, der uns machtig auf n
Sack ging. Ich war 25. Hatte gerade mein Studium abgeschlossen. Mit dem KGB hab ich seit dem dritten Semester rumge turtelt. Kundschafter und so. Haste schon unsre Agentenfilme gesehen?
Arkadi Warum?
Felix Weil die total daneben liegen! Ist was vollig anderes. Zwei Wochen lang haben die meinen Schwanz auf Harte getestet, um zu wissen, ob ich die Mieze auch bumsen kann. Also: du fickst ne Tussi, und hinterm Wandschirm steht n Typ, der zahlt, wie oft dus schaffst. Mein Rekord ist zwolfmal in einer Nacht! Die drei ersten, ohne das er rausflutscht!
Arkadi Gigantisch!
Felix Also, dann haben sie mich nach London verfrachtet, auf Umwegen,
und
mich mit der kleinen Judenschickse zusammengebracht, eines Abends, in nem
Restaurant. Die war zwanzig. Catherine hieÂsie. Hier ist ihr Foto. (Er zeigt das Foto.)
Arkadi Feine Schnitte! Sieht man sofort, daÂdie nicht von hier ist.
Felix Hat geklappt im Restaurant, die hatten saubre Arbeit gemacht. Die Mieze hat in Cambridge studiert, also bin ich da auch hin. Als Hospitant. Mit schon viel Zaster auf der Bank. Ne Erbschaft, hab ich gesagt. Ich konnte ja auch Englisch. Meine Mutter hatte drauf bestanden, „du gehst in ne Schule mit Fremdsprachen" hat sie gesagt, als wenn sie n Riecher dafur gehabt hatte, daÂmir das was nutzen wurde eines Tages. Naturlich war das Madchen, Catherine, verruckt nach mir. Die stellte keine Fragen, die liebte mich. Als dann die Ferien kamen, hat mir Catherine gesagt: wir konnten ja meinen Vater besuchen, ich stell dich ihm vor. Also wir hin. Das war in nem asiatischen Land, das mit uns nå gemeinsame Grenze hat. In ner groÂen Villa. Und schon in der ersten Nacht, verflucht, schon in der ersten Nacht hab ich sie alle abgeschlachtet. Die armen unschuldigen Menschen. Lautlos. Mit m Messer. Um keine Zeugen zu hinterlassen. Und sie zuletzt. Meine suÂe kleine Liebe. Zack, mitten ins Herz. Die ist nicht mal wachgeworden. Die hat nie mitgekriegt, daÂich das war.
Bums, aus, tot, mitten im Schlaf) Die hat Gluck gehabt. Weil Gott sie liebhatte. Ich bin sicher, daÂer sie liebhatte. Als ich damit fertig war, bin ich uber die Grenze, heimlich, sechzig Kilometer zu FuÂ, die haben mich auf der anderen Seite erwartet. Ne Millimeterarbeit. Die haben mich sofort zum Hauptmann befordert. So hab ich wegen
einem einzigen Volksfeind acht Unschuldige umlegen mussen: die Frau, die Alten und mein liebes Madchen und was anfing, in ihrem Bauch zu zappeln, was von mir war. Verflucht. (Er weint.)
Arkadi Was is, Felix, beruhig dich, Mann!
Felix Ich bin doch ruhig. Ich bin ein ruhiger Soldat des Vaterlandes, scheiÂe-nochmal! Nur, weiÂte, was jetzt in den Zeitungen steht: ihr Vater ist rehabilitiert! Postum! Und wer ihn abgeschlachtet hat, das war nicht ich, das war auch nicht das KGB, das war die CIA! Seine Kumpels von der CIA! Also dann, verstehste? Grad gestern war Jahrestag. Also, um das zu feiern, hab ich den kleinen KGB-ScheiÂer von nem anderen liquidieren lassen. Ich machs wie die. Ich bin einer Meinung mit Tolstoi: man besiegt das Bose nicht mit dem Bosen, aber verdammt, unser Leben hier hat doch alle menschlichen Gesetze uber den Haufen geschmissen. Und? Was sagste dazu? (Schweigen.) In meiner Geschichte red ich von Catherine. Ich erzahl, wie ich dank ihrer Liebe meine schweinische Pflicht als
Sowjet getan hab, und wie ich dann zum Hauptmann befordert wurde. Ich red von dem armen Idioten, der nicht bei ihr geblieben ist, da unten. Warum? Ich weiÂnicht. Vielleicht, weil ich SowjetruÂland liebte? Die gute alte marxistisch-leninistische
Kinderfrau? Vielleicht. Warum? 'S ist wahr, ich hab Bammel gehabt, daÂman mich durch den Fleischwolf dreht. Wie du. Aber nichtsdestotrotz, die Liebe, das ist was anderes! Die wahre Liebe, die vergeht nicht mit der Zeit, im Gegenteil, sie wird starker, immer starker.
Arkadi Und wie ich dich versteh, leck mich. Ich versteh dich saugut. Und das Ausland, wie isses denn da? Die reine Fettlebe?
Felix Nicht ubel. Aber man hat trotzdem Lust, wieder heimzufahren. Wenigstens sterben auf eigener Erde. Im eigenen Saft verrecken, in der eigenen ScheiÂe.
Arkadi Ja, da haste recht. Sag mal, als du druben warst, haste nicht mal ne Negerin ausprobiert. So nebenbei. Du hattest doch Zeit? Die sollen voll davon sein, die StraÂen. Na ja, in einer Stunde machste deine Nummer und dann biste doch frei, nicht? Gut, wenn du nicht willst, brauchste nicht zu antworten. So ne tragische Liebesgeschichte. Nein, s is nur so, ne Negerin ausprobieren, das is mein Traum.
Man sagt, wenn die vogeln, dann hampeln die wie die Jazzer.
Felix Siehste, man sagt dir was von Liebe und du quatschst von Negerarschen!
Arkadi In Ordnung. Tschuldigung, ich hab dir doch gesagt, du brauchst nicht zu antworten ... Is ja schlieÂlich dein Privatleben, oder? Wenns alle kennen wurden, wars ja nicht mehr privat! Mal abgesehen davon ... wie is n das ausgegangen? Gings
noch weiter?
Felix Obs noch weiterging? Also, ich konnt nicht mehr schlafen. Sie haben mich ins Krankenhaus gebracht, genau hier, wo wir grade sind. Und dann, in der
Badewanne, hab ich mir die Pulsadern aufgeschnitten.
Arkadi Was soll denn der Quatsch schon wieder?
Felix Das war kurz bevor meine Frau an der Syphilis gestorben ist, aber s
war
schon langer her, daÂmein Sohn aus der polytechnischen Universitat raus war und Schriftsteller wurde. Ich hab alles meinem Sohn erzahlt, nur ihm allein, das hat ihn so beeindruckt, da ist er Schriftsteller ge worden. Er ist zum Wachdienst gegangen und dann ist er Feuerwehr mann geworden, da hat er freie Zeit, da sieht er Leute. Und genau in der Nacht, in der ich mir die Pulsadern aufgeschnitten hab, hat er Dienst gehabt. Ist doch angenehmer, wenn dein eigenes Fleisch und Blut dich in den Leichenkeller rollt, und dich mit seinen warmen Handen in die
Kuhlbox packt. Aber mein Kleiner hat mir vergeben, bevor er wegging. Ihm sei gedankt. Aber ich hab ihm nicht gedankt. Ich hab ihn ver flucht, weil er Schriftsteller werden wollte.
Arkadi War das dein Vater, in dieser Schicht da? Der General, der sich die Pulsadern aufgeschnitten hat?
Felix Das war mein Vater.
Arkadi Warum hieÂer dann nicht Poliwailow? Daran erinnere ich mich.
Felix Das bringt der Job so mit sich, verflucht. Wer sein Leben lang Leute killt, der tuts unter falschem Namen.
Arkadi Ah ja, ich erinnere mich, dir gings kotzdreckig in der Nacht! Und die Nacht drauf haste krank gefeiert. Aber du hast niemandem gesagt, daÂdu deinen Vater begrabst, auch nicht, daÂer hier im Haus war!
Felix Das geht nur mich was an. Mich und Gott. Arkadi Und das steht alles in deinen Geschichten?
Felix Alles.
Arkadi Ich wurd sie schon drucken, deine Geschichten, leck mich! Das schwor
ich dir beim Grabe meiner Mutter! Ich wurd sie fur dich drucken!
Felix Danke, ist lieb von dir.
Arkadi Normal. Ja, leck mich am Arsch, ein machtiges Thema! Das Leben pur! Wenn n Typ, n Schrifsteller, uber Dinger schreibt, die er kennt, dann ist das
wahre Kunst! Also, ohne Witze, jetzt ehrlich! Sag mal, der ScheiÂ, den du mich hast machen lassen, kommt der auch rein in deine Geschichten?
Felix Theoretisch, hab ich alles da. Vollstandig. Nur jetzt ist die praktische Phase, verstehste?
Arkadi Leck mich, du kriegst das hin wie n Weltmeister.
Felix Wie n Weltmeister.
Arkadi Soll ich dir mal was kleines aus meinem Leben erzahlen? Was echt theoretisches? Das konntste dann doch reintun, als Extrakapitel, in deine Geschichten ... ganz praktisch, wo du doch sowieso uber mich schreibst.
Felix Na, schieÂmal los, erzahl mal das Kleinzeug aus deinem Leben!
Dann
kommste auch in die Literaturgeschichte.
Arkadi Also: das war, als ich noch LKW-Fahrer war, in Kuibyschew. Also das lauft da so ab: Du stehst gerade mit m BleifuÂauf m Gas, plotzlich siehste ne
Anhalterin auf m Seitenstreifen. Na ja ... die ist gar keine Anhalterin, die will ficken, das sind so StraÂenhuren.
Felix Ja, hab ich von gehort.
Arkadi Gut. Eines Tages fahr ich meine Kiste, und was seh ich? Ne Anhalterin.
Ne feine Schnitte, knackig! Gut. Ich laÂsie einsteigen, wir quatschen, sie sagt mir, daÂsie funfzehn ist und in die achte Klasse geht. Gut. Ich bremse, wir halten an, wir essen was, und dann, klar, steck ich ihr die Zunge in n Hals. Gut. Ich grabsch nach
ihren Titten. Gut. Und dann mit der Hand an die Muschi. Gut. Also, ob dus glaubst oder nicht, ich hab ihr nix gemacht! Gar nix! So, wie sie war, hab ich sie wieder gehen lassen! Schwor ich dir! Ich hab ihr gesagt: Kleine, du muÂt dich aufheben fur den Mann, den du liebst und der dich liebt! Das hab ich ihr gesagt, der Kleinen! Also ganz offiziell! Aber du, verdammt, ich hatt vielleicht n Steifen, Mannomann! Kannste dir nicht vorstellen! 'N ganzes Glas voll hab ich abgespritzt. Also, die hat mir einen runtergeholt. Ich hatt sie hoflich drum gebeten. Das war der erste Schwanz, den sie
in der Hand hatte, die kleine Sau. Aber, was man auch sagt, mit den Fingern isses nicht so gut wie mit der Muschi. Trotzdem! Ich glaub, ich hab noch nie so abgespritzt! Na ja, Hauptsache, sie ist Jungfrau geblieben. Ciao, gute Reise! Glaubste mir?
Felix Zu blod, daÂkeiner gemessen hat, wieviel du abgespritzt hast!
Vielleicht
wars ins Guiness-Buch der Rekorde reingekommen! Wenn das so ist, wie du sagst, dann ist dein Fimmel n gefundenes Fressen furs KGB, du Oberpfeife.
Arkadi Arschloch. Ich offne dir mein Herz und du ...
Felix Nimms mir nicht Ubel, Ukraine. Danke fur die Story. Echt durchlebt.
Aber fur ne Geschichte isses n biÂchen simpel.
Arkadi Soll ichs dir komplizierter machen?
Felix Ja, dann machs mir halt komplizierter.
Arkadi Also, ich laÂdas Gor am StraÂenrand, nur bin ich dann nochmal zuruck, und da hab ich sie vergewohltatigt. Und ich hab ihr n Flaschenhals in n Arsch gerammt, nur so zum Jux. Und dann hab ich ihr Erde ins Maul gestopft, mitm biÂchen Gras, und hab sie unterm Busch krepieren lassen. Gefallts dir so? Verfluchte Hacke, die wollte rumhuren, die kleine Sau, und ich hab ihr gezeigt, wie das ausgeht, so n
Abenteuer! Wenn ichs nicht gewesen ware, hatts jemand anders gemacht, also ... Ist doch besser fur dich, oder?
Felix Da laÂt sich vielleicht ne Ode draus machen. War das wirklich so? Arkadi Was vorbei ist, ist vorbei, Itzig! Ich schlag dir was vor, und du siehst
zu,
was du damit anfangst. Was wirklich passiert ist, da kannste n Lieben Gott nach fragen.
Felix Das heiÂt, du bist auch noch n sadistischer Jungfrauenkiller! Na,
dann
sind wir ja unter uns: zwei tragische Liebhaber, konnte man sagen. BloÂhast du hinterher ne Familie gegrundet, ich nicht.
Arkadi Ja ja, aber du hast deine Kunst! Du kannst deine Jauche ablassen! Wenn du meine auch reinschmieren konntest, in deine ScheiÂgeschichten? Das gab was geniales! Du konntest dir die Eier vergolden lassen, Kumpel. Da konnteste dir soviel Weiber reinziehn wie du willst!
Felix Die Eier vergolden lassen. Von wegen! Dafur kriegste keine mude Kopeke. Meine sind genial, aber veroffentlichen, da kann ich mir lange einen abwichsen!
Arkadi Um sich durchzusetzen in der Welt der Kunst, muÂman entweder schwul sein oder Jidd oder Freimaurer. Das weiÂich, hast du mir gesagt.
Felix Ich zum Beispiel bin schwul, ich bin Jude und dann auch noch ange heirateter Freimaurer. Wie erklarstn das? Nee nee! Das ist die verdammte
KGB-Zensur, die haut dir eiskalt in die Eier! Der isses scheiÂegal, ob du Jude bist oder schwul. Nee, nur die CIA, die konnte mir meinen ScheiÂabkaufen.
Arkadi Also: Verkauf ihn. Felix Ist schon passiert. Arkadi Ach so!
Felix Sowas mach ich en passant. Ich bin n guter Verkaufer. Ich hab nicht nur meinen ScheiÂverkloppt, ich hab mich auch selbst verkauft, Schmutziputz.
Arkadi ScheiÂe, du Arschgesicht. Du bist gar nicht so blod, wie du aussiehst.
Brauchste keine Angst haben, ich sag schon nix dem KGB. Du hast Nerven wie
Drahtseile, Itzig, das respektier ich. Sag mal, in was bezahlen die dich bei der CIA?
Felix In Dollars, of course.
Arkadi Ist gar nicht blod. Wie hoch steht der, im Tageskurs? Funfzehn Rubel?
Felix Zwanzig.
Arkadi Leck mich, ist gar nicht blod. Unsere Kroten, die sind keinen Furz
wert.
Ist gar nicht blod. Echt.
Felix Die CIA, wurde die dich interessieren, Arschficker? WeiÂte was, ich kenn da n Dreh, ich konnte das arrangieren fur dich.
Arkadi Na, danke, laÂmal stecken. Hast mich ja schon beim KGB rein geschleust mit deinen Drehs, also na...
Felix Du entscheidest...
Arkadi Und bei der CIA, haben sie dir da so n Buchelchen gegeben, dir oder deinem Vater, was weiÂich, so n kleines praktisches... ?
Felix Hormal, Arkadi, jetzt fangste an, mir auf n Keks zu gehen, mit deinem Burokratentick. Du glaubst wohl, wenn du in der Sowjetunion fur die CIA arbeitest, dann gibt sie dir einschlagige Papiere! Du hast Matsch auf der Pupille, Arkadi! Und mit den Dollars isses genauso. Die gehn auf ne Schweizer Bank! Du bist n armer sowjetukrainischer Arschkopp,
du glaubst nur an Papiere. Aber ich, mein kleines Judenhirn, dem sogar sein
Schwanz gehorcht, das is was einzigartiges, kapierste! Das ist wirklich n Haufen Dollars wert.
Arkadi   Ja, das ist wahr, sogar ich wurd dafur zahlen.
Felix    Na, das will ich aber hoffen. Wenn du willst, daÂman dich nimmt bei der CIA, muÂte eines wissen: im Westen glaubt man ans Ehrenwort. Das ist oberstes Prinzip.
Arkadi    Leck mich, da is was dran. Ist gar nicht blod.
Felix Also, dann konzentrier dich jetzt mal: fur wen, glaubst du, fur wen
schlag
ich mir die Nachte um die Ohren und schreib Anti-KGB-Geschichten? Ha? Bis ich auf der Schnauze liege, verflucht! Ha?
Arkadi Na fur die CIA! Ist doch klar.
Felix Und wer hat mich zum Freimaurer gemacht? Wer hat mich hier als Feuerwehrmann reingeschleust?
Arkadi Die CIA sag ich!
Felix Wirklich, dich kann man nicht verarschen. Es ist blod, daÂdu keine technischen Geheimplane lesen kannst, sonst hatt ich dich sofort ein gestellt. Mit nem Technikerdiplom, zum Beispiel, hatten wir dich in n geheimes Institut gesteckt. Wissenschaftliche Forschung! Mensch, da wurdeste vielleicht Dollars verdienen!
Wieso haste keine hohere Aus bildung?
Arkadi Ich weiÂ, ich weiÂ! Meine Alten hatten mich rannehmen sollen.
Felix Hattste dich selber mal auf n Hosenboden gesetzt! Brauchst du vielleicht
n Kindermadchen?
Arkadi Und du, bist du vielleicht in nem Institut? Mit oder ohne Diplom, du
 
bist hier und du bist nicht mehr als ich! Ich bin Spezialist fur die Pforte und du fur die Feuerloscher, das ist der einzige Unterschied! AuÂerdem, ich bin noch Mitglied im
Brandkommando, stell dir mal vor, da krieg ich drei Tage mehr Urlaub, fur die Plackerei.
Felix Ja ja. Ich hab mich grad gefragt, was du hier fur ne Operation machen
konntest.
Arkadi   Ja, was ich noch machen konnte, war Feuer legen.
Felix Das ist radikal, verflucht. BloÂ, dann wurden Leute draufgehen, die nicht alle ubel sind, gell? Die Arzte, die suÂen desinfizierten Krankenschwestern ... die sind doch an nix schuld.
Arkadi Aber du, zum Beispiel, was ist denn dein Job? Geschichten zu schreiben,
sogar Anti-KGB-Geschichten, langt ja vielleicht nicht ganz fur die CIA?
Felix Nicht ganz, das sagst du! Ich bin ein psychologischer Schriftsteller. Verflucht! Ein Seelenexperte! Mit dem Skalpell der Psychologie geh ich rein in die Seelen der KGB-Agenten und beschreib sie, verflucht! Literarisch! Kunstlerisch!
Schnallste das, du Arschgeige?
Arkadi Das will ich auch.
Felix Konntest du nicht. Du bist kein Experte. Seelenknacker, verflucht, da langt nicht nur der Wille!
Arkadi Was konnt ich nur machen? Mattste nicht ne kleine Idee? Komm
schon,
scheiÂe, du bist n Jude, du hast doch wohl ne Idee fur deinen kleinen ukrainischen Kumpel! Bittebitte!
Felix Immer mit der Ruhe! Ne gute Idee, die muÂman auf naturlichem
Weg rausscheiÂen.
Arkadi Du wirst mir doch nicht sagen wollen, daÂes bei der CIA keinen anderen Job gibt als Geheimplane klauen!
Felix Nee, s gibt alles mogliche! Verbindungsagent, Kodierer, Schnuffler. Arkadi Schnuffler, leck mich! Schnuffler! Als Schnuffler bin ich erstklassig!
daÂ
Felix Na oder ab und zu n Typen abstechen, n groÂen Blonden vom KGB. Arkadi Genau! Das hab ich ja schon mit dem kleinen Itzig gemacht.
Felix 'N Jude?
Arkadi Nee nee, das war kein Jude! Das war n Typ vom KGB! Sag der CIA,
ich dem sein Fett gegeben haben! Gell, das sagste denen doch?
Felix Ha ha! Jetzt dammerts! Siehste, das war mein Weitblick, du undank barer Kniich! Genau das ist dein Trumpf.
Arkadi Leck mich, ja das ist mein Trumpf! Danke, Felix, danke, ich seh, du kummerst dich um mich! Hut ab vor dir, scheiÂe, Hut ab. Komm, scheiÂmir noch was von der Sorte, was kleines rasantes Judisches! Nur fur mich! Bitte! Ich werd dich
lieben bis zum Tod!
Felix Trampel mir nicht aufs Gemut! ScheiÂe! Sieht man doch, daÂdu n Arschkriecher bist, n ukrainischer. Verdammt, nicht ne Spur von Wurde hast du!
Geduld, das ist ne Tugend.
Arkadi Gut. Entschuldigung! Geduld, Geduld, schaff ich auch noch. Ent schuldige, daÂich n ukrainischer Arschkriecher bin. Sag mal, a propos Arschkriecher, der ukrainische Arschkriecher wurde gern was wissen: Zahlen die bei der CIA auch korrekt? Oder bescheiÂen die?
Felix Die nicht, Ukraine, die nicht! Da kannste Gift drauf nehmen!
Arkadi Und die Beforderungen, ist das genauso? Kriegt man die auch so prompt?
Felix Ja sicher.
Arkadi ScheiÂe, also dann bin ich bereit, mein Leben zu opfern fur die CIA!
Hastes gebongt? Mein Leben zu opfern!
Felix Ja aber, um dein Leben zu opfern ... siehste, bei uns muÂman
Demokrat sein. Betrachtest du dich als Demokrat, Arkadi, oder als Nichtdemokrat?
Arkadi Aber klar, und wie! Na ja, kommt drauf an, was du darunter verstehst.
Was is n das eigentlich?
Felix Na, zum Beispiel, bist du fur das Mehrparteiensystem, und dann ... Arkadi Ich bin dafur!
Felix Das ist zumindest ne klare Haltung! Bist du fur den Kommunismus
oder den Kapitalismus?
Arkadi   Den Kapitalismus, den Kapitalismus!
Felix Verflucht, du Arschgeige, du kapierst schnell, kann man schon sagen. Richtig beschlagen biste, politisch! Und wer wird sich durchsetzen, was meinste? Der Kapitalismus oder der Kommunismus? Wer wird gewinnen?
Arkadi   Der Kapitalismus, scheiÂnochmal.
Felix Warum?
Arkadi Wie soll ich n das wissen, Mann! Das hab ich im Urin, das is alles!
Der Kapitalismus, scheiÂe, das ist der Kommunismus ohne Ubergangsperiode, direkt! Ohne Sozialismus!
Felix Gut gefurzt, verflucht. Woher weiÂte n das?
Arkadi Glaubst du, der ist blod, der Typ, mit dem ich hier im Betrieb maloche?
Felix Na GroÂruÂland, bald biste soweit und rotzt ne Zitatensammlung
raus,
du Pappnase.
Arkadi Geduld! Alles zu seiner Zeit! Na ja, in Amerika konnte das vielleicht gefallen. Also ScheiÂe, wenns an mir lag, ich wurde die alle in die Klapsmuhle stecken. Das ganze ScheiÂpolitburo! Die bracht ich erst auf Vordermann, und dann hopp, ab nach Paris, als Penner! Ja ja! Ein oder zwei Jahrchen aufm Burgersteig ubernachten, im Pappkarton. Da konnen sie mal sehen! Denen vertrau ich keine Macht mehr an. Weil die n Totalschaden haben, die Typen! Ich sag dir, n wahrer
ScheiÂhaufen! Und wir haben noch nicht mal das Klopapier, um uns diese sozialistische ScheiÂe vom Arsch zu wischen! Wenn das kein Ungluck ist!
Felix Ja ja, Hasso, du solltest ofters mal so bellen.
Arkadi Tu ich doch standig, bellen! Mehr ist gar nicht moglich! Sag mal, ich hab da ne Frage: wenn die uns schnappen, die Typen vom KGB, stellen die uns dann an die Wand? Also ich bin bereit. Fur die gerechte Sache.
Felix Dich stellen sie an die Wand. Mich nicht. Arkadi Und warum dich nicht?
Felix Bei mir wissen sie, daÂich fur die CIA arbeite.
Arkadi Nein, so ne ScheiÂe! Du Saftarsch!... Aber die CIA, die wissen doch,
 
daÂdu sie an den KGB verschaukelst?
Felix Ha, das wissen die langst.
Arkadi Also da bleibt mir die Spucke weg! Leck mich!... Ich mocht nicht in deiner Haut stecken!
Felix Warum? Ist doch alles in Butter! Ich bin Kontaktmann zwischen CIA und KGB. Du willst doch nicht etwa, daÂes nicht n kleinen Kontakt gibt zwischen zwei so seriosen und respektablen Organisationen. Schau mal: Auf Weltebene ist die Lage doch so: Die USA und die UdSSR reichen sich die Hande!
Arkadi Ja ja, das sagt man. Aber heiÂt das, daÂdu von beiden Seiten bezahlt wirst?
Felix Na klar arbeit ich fur beide Seiten!
Arkadi Von der einen Seite Dollars und von der anderen Rubel? Felix Ja.
Arkadi ScheiÂe, da muÂman schon wirklich n Jude sein, um so n FaÂaufzu machen! Also zuerst mal, ich glaub dir nicht.
Felix Ist mir scheiÂegal.
Arkadi Aber ich mochts genauso machen.
Felix Du willst gleich immer alles, verdammt! Man konnte meinen, du bist n Jude.
Arkadi Nein nein, nicht alles, nicht wie n Jude! Ich kann ja mit was ganz Kleinem anfangen, mit m bescheidenen Dienstgrad, wenn du willst.
Felix O. K. Was ganz Kleines. Und wo willste anfangen. Bei der CIA
oder
beim KGB?
Arkadi Bei der CIA!
Felix Ne prompte Antwort, spontan, ohne Schmus! Arkadi Ich lass raus, was Gott mir in die Seele legt.
Felix Sehr gut, Ukraine. Perfekt. O. K. Ah, da fallt mir grad was ein ...
Um in die CIA reinzukommen, wars nicht ubel, wenn du n Jude warst.
Arkadi Jude?
Felix Ja, Jude. Das ist n gutes Sprungbrett fur die CIA.
Arkadi He, sag, haste mich mal angeguckt? Seh ich aus wie n Jude?
Felix Na ja na ja ... Geh mal n biÂchen ins Licht. Da, im Profil?
Krumme
Nase? Gewolbte Stirn? Gell!?
Arkadi Mit der Stirn konnt ich ne Tur einrennen! Felix Verlang ich gar nicht von dir.
Arkadi Die krumme Nase kommt von ner Schlagerei. Aber, da kommen die
ja
nicht zwangslaufig drauf, ha? Du hast recht am Ende, ich seh wirklich judisch aus. Haste mir selbst gesagt. 'S gibt auch n Haufen Juden, die n christlichen Familiennamen haben, das ist bekannt. Du zum Beispiel.
Felix Komm mir nicht immer mit den Andern, verdammt nochmal! Darauf kommts nicht an. Woraufs ankommt ist: spurst du ihn, innerlich, den miesen kleinen Itzig? Spurste ihn?
Arkadi Innerlich? Verflucht, ich spurs, in meinen Eingeweiden spur ichs. Die sind hundertprozentig judisch, du Drecksjude. Mein ganzes Leben hab ich nix anderes gewollt: n kleiner Jude sein! Ist doch wahr: wir sind die Sohne von Marx! Und mein Hirn erst, scheiÂe! Total judisch! Das schlagt Funken, so judisch isses! Du brauchste denen bei der CIA nur zu sagen, daÂich n Jude bin, fur die Beweise steh
ich schon grad, in Ordnung? ScheiÂe, tu das! Ubrigens, weiÂte, wenn ich die Juden nicht riechen kann, dann ganz einfach, weil ich kein Jude bin! Weil ichs bedauer, daÂich keiner bin. Glaubst du mir? Komm schon, ich bitte dich, mach aus mir n Juden, Itzig, ich leck dir auch die Stiefel, mein ganzes Leben lang! (Er kniet nieder.) Du brauchst denen nur zu sagen: von allen blonden Juden ist der der starkste Typ!
Wirstes ihnen sagen?
Felix Mal sehen, was sich machen laÂt. Wir werdens versuchen. Arkadi Felix, du bist n Kumpel, ich dank dir! Ich dank dir echt!
Felix Nix zu danken, Junge. Kannst dich ja revanchieren. Sag mal, ich hab trotzdem noch ne Frage: Wurdest du mit Mannern bumsen?
Arkadi (Stottert.) 'N Schwuler meinste? Felix Genau. "N Schwuler.
Arkadi WeiÂich nicht. Ich habs nie versucht. Ist das auch notig? Felix Wie denn! Das sind doch die Grundvoraussetzungen! 'N
Geheimagent
muÂalles konnen. Besonders n amerikanischer. Du bist Jude, nicht? Du willst zur CIA, als Geheimagent, nicht?
Arkadi (Stottert wieder.) Wenn ichs versuch, vielleicht schaff ichs.
Felix Ist nicht schwer, weiÂte. Ist sogar angenehm. Und fur AIDS gibts
Pariser. (Er zieht ein Paket Praservative aus der Tasche.)
Arkadi (Liest.) Pra-ser-va-ti-ve. Ist nicht russisch. Importware?
Felix Amerikanische, Kumpel. Und dann gibts da auch noch das Ol aus
der
Vorratskammer. (Er zeigt auf eine Flasche auf dem Fensterbrett.) 'N gut geolter Fickbolzen, Mann, da geht die Post ab.
Arkadi (Nimmt die Flasche mit dem Ol) Ey, die ist ganz neu. Anna hat sie
mir
mitgebracht, fur meine Spiegeleier.
Felix Die kriegste schon gebraten, Schnucki, keine Angst. Die denkt an
alles,
Anna. Ich hab auch Reizwasche, die dir gefallen durfte. Aus Seide. (Er zieht zwei Strumpflosen aus seiner Einkaufstasche.) Siehste, eine fur dich, eine fur mich. (Er gibt Arkadi eine der Strumpflosen.)
Arkadi (Schnuppert an der Strumpflose.) Riecht nach Amerika, leck mich. Felix Ich hab nen Jungen gekannt, von der CIA, verdammt, der fickte gut,
das hattste mal sehn sollen! Das war Kommunismus, aber ohne Ubergangsperiode, echt!
Arkadi Ah ja?
Felix 'N Traum war der, n Gedicht, der Schwanzlutscher! Also, das machste
so: du ziehst dich aus. (Erfongt an, sich auszuziehen.) Der andere auch, klar, der muÂsich auch ausziehen. Klamotten runter, verdammt! (Sie ziehen sich beide aus. Felix behalt seinen Schlupfer an und Arkadi seine Flanellunterhose. Felix zieht sich eine Strumpflose uber, Arkadi beobachtet ihn und tut dasselbe, halt aber in der
Kniehohe inne.)
Felix So, danach legste dich auf die Sitzbank. (Er legt sich auf die
Sitzbank.)
Verdammt, leg dich auch hin, ScheiÂe!
(Arkadi gehorcht)
Und dann ist da der suÂe Schwuli, du weiÂt schon, der Sergej, die Tunte, der fangt an, dich zu kussen, uberall, bei den Zehen fangt er an und dann immer hoher, verflucht! Sachte, ganz ganz sacht! Und dann auf einmal leckt er dir die Eier, und dann das Arschloch, verflucht. Das ist schon, das ist wies Nordlicht, eine Nacht in Sibirien ... und dann kuÂt er dir den Bauch, die Brustwarzen, den Hals, die Lippen,
verflucht! Die Lippen! Aber der Schwanz! Vorsicht! Nicht den Schwanz! Dann geht er wieder runter, krault dich an den Eiern, geht aber noch nicht an den Schwanz, und wenn er merkt, daÂdu ganz heiÂbist, siehste, kurz vorm Abspritzen, und das spurt er, glaub mir das, das spurt er! Dann haut er seinen Kopf zwischen deine Beine und offnet ganz weit sein Schwanzetui und tschaaak! Weit ausgeholt! Tschack Tschack! Ins Zahnfleisch, wie n Maschinengewehr! Ins Maul, in den Hals von der Tunte. 'N
Glas voll fur Sergej, die Tole! Wauhhh! (ErgreiÂsichArkadis Kopf und druckt ihn an seinen Unterleib.)
Arkadi (Verblufft) Ah! Nein! Nein!
Felix Isses nicht gut? Verdammt! Das is n Kommunismus, da hat weder Marx dran gedacht, noch Engels, noch Lenin, noch nicht mal der Trotzki. Und Sergej, der hatt n Arsch! Verflucht, der hatt n Arsch! Und wenn er mich dann gefickt hat, so sanft, so sacht und dann wumm! Maximalbrutal! Aaaaah ... Ich sag dir, so n
Kommunismus, alles andere ist Dreck dagegen, Dreck! Und, weiÂte, ich hab ihm erlaubt, mich ohne Pariser zu ficken. Der war clean, Sergej. Also, dein erster Job bei der CIA, du bist ja noch in der Probezeit, ist, mich in der Nachtschicht durchzuficken. Damit ich mich psychologisch wohl fuhl. Damit ich mich besser auf meine Geschichten konzentrier. Ab morgen uberweisen wir deine Dollars auf n Schweizer Bankkonto.
Arkadi Na gut, wir konnens ja versuchen. Machen wir den Fick. Gebongt.
Felix       Also los.
Arkadi Jetzt gleich? Na ja, gebongt. Aber, den Vertrag, in dem steht, daÂdie Fickerei zum Job gehort, den machen wir doch? (Er geht zum Tisch.) Ich hab gehort, bei denen lauft nichts ohne Vertrag.
Felix Jetzt kommste wieder mit Papierkram! ScheiÂe, du bist bloÂn
Burokratenarsch. Man schlagt dem ne Reise nach Kythera vor und der will n Visum! Nee, verflucht, das ist wirklich n starkes Stuck! Haben wir nicht Vertrauen in dich?
Arkadi Klar, Felix. Hast vollkommen recht. Ich bin zwar bloÂn Burokraten arsch, aber ich werd schon klarkommen.
Felix Ja, Schatziputz, streng dich an.
Arkadi Werd ich tun. Sag mal, Felix, der kleine Itzig, den ich abgestochen
hab,
der hieÂdoch auch Sergej?
Felix Ja auch. Das ist gut, dir entgeht nichts, du bist n Beobachter! Ja der kleine Sergej. Der wollte nicht mehr fur die CIA arbeiten. Der hatte die Dollars nicht mehr notig. Und eines Tages wollte er mir nicht mehr seinen Arsch hinhalten. Er hat mir gesagt: „Warum vogelste nicht mit dem Ukrainer, der mit dir auf Schicht ist. Der hat n hubsches Madchen, n hubschen Athletenkorper, ha, warum nicht? Und dann hat der n Arsch!" ... Da ist der arme Sergej total ausgeflippt. Reif fur die Klapsmuhle. Bratfertig. Den muÂten wir hopsnehmen. Der konnt uns doch alles versauen, der arme Irre. Bei dir stimmts hoffentlich mit der Psyche...
Arkadi Ich wurd sagen, es stimmt
Felix Wenn dus fertiggebracht hast, Sergej so zu erledigen, wie dus gemacht
hast, dann stimmts. Komm, Schnucki, laÂdich umarmen. (Er umarmt Arkadi.)
Arkadi (Windet sich ata der Umarmung.) Nein! Nein! Felix Warum willste nicht?
Arkadi Wer bist du? Felix Ich? Ich bin ich.
Arkadi Wo kommst du her? Felix Aus dem Leben, Kumpel.
Arkadi Ausm Knast, ja! Du kommst ausm Knast!
Felix Oh, nur n kleiner Aufenthalt. Seit funf Jahren lauf ich mit falschen
Papieren rum. Ich hatte n Bruder, siehste, n Zwillingsbruder, der ist gestorben, da hab ich seine Papiere behalten. Ist wirklich n Gedicht, die Geschichte. Soll ich sie dir erzahlen?
Arkadi Nee, von Geschichten hab ich die Schnauze voll.
Felix Im Lager haben sie meine Geschichten gemocht. Ich hab sie den Obergangstern rubergeschoben, die zitierten sie, vor ihren schwulen Tunten, dafur haben sie mich dann gehatschelt. So bin ich durchgekommen. Aber verflucht! Mit ner Lust auf Leben, verflucht! Sergej, der hat nix kapiert. Gar nix. Wirste mich verpfeifen, Ukraine? Nee, du wirst mich nicht verpfeifen. Du weiÂt, ich hab dich am Wickel. Du hast ne Schlinge um den Hals, Ukraine. Wenns sein muÂ, zieh ich zu! Feste, bis du krepierst.
Arkadi Und wenn ichs Seil durchschneide? (Er zieht ein Rasiermesser aus der Tasche.) Ich spurs, ich werd nochmal 500 Rubel kassieren!
Felix Hier? Ukrainischer Leichenwagenbremser! Du kommst doch nie klar!
(Kurze Pause.) Auf der StraÂe, in ner Einfahrt. Ja. Der erste, der es tut, gewinnt.
Arkadi Du weiÂt doch, du tust es nicht, du wirst doch bloÂwieder n Typen bezahlen, ders fur dich tut.
(Das Telefon klingelt.)
Felix Heb schon ab, verflucht.
Arkadi (Legt das Rasiermesser auf den Tisch und bebt ab.) Ja? Ah, Tamara, wie gehts? Ne Leiche auf der Neurologie? Auf 121? Gut. In Ordnung. Gut. Wieviel?
Nene! "N Viertelliter medizinischen. Nee, fur n Viertelliter fahrste sie selber runter! 'N halber Liter? Gebongt. Wir kommen. Bis gleich, Tamara. (Er hangt auf.) Ne Leiche bei den Verruckten. Auf 121. Fur n halben Liter. Ist korrekt.
Felix Hat er sich die Pulsadern aufgeschnitten. Arkadi Hat sie nix druber gesagt. (Schweigen.)
Felix Morgen fruh um sieben geh ich weg von zu Hause. Du brauchst bloÂzu kommen, mit deinem Rasiermesser. Ich werd nichts in den Handen haben.
Hoffentlich uberleg ichs mir nicht anders, bis dahin. Ich hoff es. Jetzt haste ne
Chance. (Ergeht auf Arkadi zu und bedroht ihn mit dem Rasiermesser.) Verflucht! Du muÂmit mir abrechnen, ScheiÂe! Ich schaffs nicht! Hilf mir, verflucht, hilf mir! Sonst bist du der zehnte, verstehste? Der zehnte, verflucht, ne Jubilaumszahl, wenn du mir nicht hilfst!
Arkadi Was... ? (Er halt den Arm von Felix auf.) Intellektueller!
(Das Rasiermesser fallt zu Boden. Dann Block.)
 
ENDE


2)
Deutsche Presse
 
Suddeutsche Zeitung
Der Kampf ums Leben
«Versteckspiel mit dem Tod» von Michail Wolochow in Paris
Im Centre dramatique national der Pariser.   Vorstadt Gennevilliers hat Bernard Sobel «Cache-Cache avec la Mort» von Michail Wolochow in szeniert. Wir entdecken mit einiger Verspatung ein neuartiges Stuck von explosiver Kraft, das der 1955 in Kasachstan geborene Dramatiker 1987, kurz nach seiner Ubersiedlung nach Paris,- geschrieben hat.
Eine franzosische Version
Fur die Ubersetzer bot der in «Mat», dem monomanisch obszonen Slang der russischen Unterwelt, verfasste   Text enorme Schwierigkeiten, Die antisemitischen Verwunschungen, von denen der Text strout, lassen sich zwar ins Franzosische ubertragen, aber jedes Volk hat seine speziellen Fluche und fixen Ideen. Wichtig ist zu wissen, dass «Mat» auch als Waffe gegen den Kommunismus eingesetzt wurde und dass diese Sprache (die ursprunglich der Beschworung der bosen Waldgeister gegolten haben soll) heute nicht nur im Gefangmsrnilieu, sondern auch von jungen Leuten gebraucht wird.
Schauplatz des ZweipersoncnstUcks ist ein Krankenhaus fur hochgestellte Apparatschiks des KGB, wo Arkadi, ein ukrainischer
Proletarier, und Felix, ein judischer Intellektueller und heruntergekommener Dichter, als Wachter und Feuerwehrmann angestellt sind. Zeit der Hand  lung ist die Mitte der achtziger Jahre. Durch eine, Fulle von
Geschichten uber sexuelle Brutalitaten und Mordtaten zeigt der. Dialog zwischen beiden Mannern die Situation einer kranken Ge sellschaft, in der alle Formen
menschlicher Beziehungen verzerrt sind und das
Rechtsempfinden vollig verdreht ist, in der sich der Kampf ums Leben auf ein «Versteckspicl mit dem Tod» reduziert.
Der Buhnenbildner Nicky Rieti hat einen makabren Raum eingerichtet: eine Art von riesi gem Heizungskeller mit grauen Rohren, wo links ein Haufen schmutziger und ziemlich unbrauch bar wirkender Feuerloscher liegt. Rechts stehen zwei verschlissene Klubsessel, ein Fernsehgerat, auf dem ein stummes Nachrichtenprogramm ab lauft, und ein alter Eisschrank. Der Saal bleibt zu erst hell erleuchtet, so dass der Zuschauer sich im gleichen Raum eingeschlossen fuhlt wie Arkadi und Felix, die von einem Raubzug in die Kran-kenhauskucfae zuruckkehren. Dann wird die Be leuchtung zunehmend schwacher und das Spiel undurchsichtiger. Vergebens versuchen wir aus den immer aggressiver werdenden Worten des je weils im bellen Lichtkegel Erscheinenden Klar heit uber die Vorgange zu gewinnen, welche die immer auswegloser erscheinende gegenwartige Situation erklaren konnen. Der Regisseur Bemard Sobel legt den Akzent auf die psychologische.
Durchdringung der Charaktere und fand mit Hugues Quester (Felix) und Denis Lavant (Arkadi) zwei sensible Darsteller. Sobel ist heute der letzte franzosische Intendant, der sich zur Kommunistischen Partei bekennt. Seine text-getreue Inszenierung zeigt Selbstironic und lasst nihilistische Hoffnungslosigkeit, aber auch schwarmerische Begeisterung fur eine verlorene Utopie spuren.
Ein russisches Gastspiel
Wolochow, der Autor des Stucks, hat von innen Einblick in die Nomenklatura und die dunklen Geschafte der Mafia gewonnen. Seine Forscher-karriere scheiterte am Antisemitismus. In den achtziger Jahren wurde er in der Moskauer Undergroundszene als Schriftsteller ein Begriff aber erst 1992 wurde zum erstenmal eines seiner Stucke in einer russischen Zeitschrift veroffent licht. Amateure spielten bereits 1990 «Versteck-spiel mit dem Tod». Aber die erste professionelle Aufluhrung dieses Stucks fand erst 1993 im Mossoviet-Theater in Moskau statt in der Be arbeitung und Inszenierung von Andrei Gitinkin mit zwei renommierten Schauspielern aus dem Lenkom-Theater Sergei Tschonischvili (Felix) und Andrei Sokolow (Arkadi), der aus Filmen, darunter «Die kleine Vera», bekannt ist.
Ein kurzes Gastspiel dieser Produktion in Paris wurde organisiert, und man hatte Gelegenheit, in Gennevilliers auf der gleichen Buhne auch die russische Inszenierung zu sehen. Schauplatz ist hier eine Leichenhalle, in der Mitte der Buhne stehen eine Bahre, einige Stuhle mit Kunststoff-hullcn und ein Telefon. Trotz der noch morbide ren Atmosphare als in der franzosischen Inszenie rung ist die Auffuhrung der Russen, die das Ganze als tragische Farce auffassen, humorvoller. Sie ist aber auch wesentlich gewalttatiger.
Die Roheit wird ebenso konkret dargestellt wie die unermudliche Sorge um Essen und Trinken, Arkadi und Felix sind einander standig korperlich nahe und hangen zuweilen mittels irgendeines Gegenstandes wie Kettensklaven aneinander. Am Schluss bringt sich Felix mit dem Rasiermesser um. So ist ihm der Ausweg verwehrt, auf den Wolochow in seinem Stuck verweist. Felix kann sich nicht durch das blosse «Ausdenken von Mor den» am Leben halten in einer totalitaren Gesell schaft, in der als Tat nur das Toten bleibt. Die Russen zeigen hier, wie ihr Regisseur vor der Pariser Vorstellung sagte, «die verlorene Genera tion unserer Tage». Durch die szenische Darstel lung versuchen sie, das Ausmass der Deformation zu verstehen, die das Bewusstsein der Gesell schaft in der ehemaligen Sowjetunion erlitten hat. Die Reaktion des Publikums in Moskau war, wie Gitinkin berichtete, ein «totaler Schock».
Dagmar Sinz

*******
EUROPA
Pariser Eintdeckungen
…Zweite Entdeckung: Michael Wolochows nachtliches ..Versteckspiel mit dem Tod». Bernard Sobel brachte es in seinem Theater in Gennevilliers heraus. Es stammt aus dem Jahr 1990, drei Jahre, nachdem sein Au tor m Frankreich die Niederlassung bekommen hatte. Das Stuck berich tet von Zustanden aus Gorbatschows Regierungszeit. Im Keller eines KGB-Krankenhauses haben die Feuerwehrleute Arkadi, der kopflose Aufbrauser, genannt der Ukrainer, und Felix, genannt der Jude. Nacht dienst. Was ihr unflatiger Rotwelschdialog offenlegt, ist die schranken lose Verbiegbarkeit des Menschen. Felix, zynischer Lageberechner hat Arkadi zu einem Mord angestiftet. Die unsichtbare Leiche liegt, bildlich gesprochen, wie eine Keule in Felix Hand: Arkadi gewartigt, daÂer sie ihm jeden Moment uberzieht. Underdogs sind beide, nur versteht Felix, sich eine vorteilhafte Identitat auf den Hut zu stecken: Er ist beschimp fungswurdiger Jude und spielt sich zugleich als KGB-Mitglied auf. Als solchen himmelt ihn Arkadi an: auch er mochte KGB-Mann werden, und damit teilhaftig dessen, was der Kommunismus laut Felix verleiht: „Seelenfrieden». Anpassungsrituale laufen nun ab: wir wohnen der frei willigen Umwandlung eines Mannes in einen FuÂabstreifer bei. Bis Felix mit einem Satz seine angebliche Identitat zeitgcrccht verandert: zur CIA gibt er vor zu gehoren. Arkadi schnappt auch nach diesem Lockvogel. Seine totale Selbslpreisgnbe besteht am SchluÂin der Einrei bung unter die Schwulen. Die beiden ziehen sich Strumpfhosen als neue Haut uber. Aber dabei kommt die ausweglose Schamlosigkeit der Rede des ersten Teils ins Lahmen. Niedertracht. Vcrderbtheit und Korruptheit sollen gewissermaÂen totalisiert werden. Da ware weniger mehr gewe sen. Sobel zieht aber vom ersten Augenblick an die Zugel straff. Die Obszonitaten geben sich in seiner Inszenierung als Stilelemcnt zu erken nen. Sie bezeugen die Ohnmacht der Redenden inmitten von Nicky Rie ds mannshohen gekrummten Heizungsrohren in dem schwarzen Keller-ceschoÂ, dem sie nicht entweichen werden. Randvoll von Frust gestiku lieren sie unentwegt in dieser Einspcrnmg. Die Schauspieler, die diese ausweglose Manie wiederzugeben haben, machen daraus keinen Augen blick einen Tick. Nie schinden sie Eindruck. Sie sind verbissen bei der Sache: Empfindung haben sie langst hinter sich gelassen. Verstauchung des Menschseins fullt die ganze Buhne aus.

G. Schlocer


*******

Suddeutsche Zeitung
Wo’s’nicht biegt, da bricht’s
Spielzeiteroffnung in Bochum mit Ibsen und Volochow
Deutsche Erstauffuhrung
Michail Volochov
BLINDEKUH
…Der intellektuelle schwule judische Feuerwehrmann Felix und der etwas grobschlachtige und schwarzmarkterfahrene ukrainischel Pfortner Arkadi, beide kurz vorm Untergang der Sowjetmacht auf gemeinsamen Posten im Wachraum des Moskauer KGB-Kranken-hauses, vertreiben.sich die Zeit mit einem undurchsichtigen, bruta  len Spiel: Ruckgratfahndung, Personlichkeitsaustreibung. Was we gen dem bewuÂt uberstrapazierten Kloakejargon, die „Krankenhauswachter» Armin  Rohde   und Michael   Weber  anstimmen, zunachst als aufdringliches Milieustuck zu beginnen scheint, entpuppt sich als atemberaubende Vorfuhrung und BloÂstellung einer kompromiÂlosen Anpassung an das jeweils machthabende System. Eine Rundumbiegung: Unterwerfung funktioniert langst ohne „Brechen». BLINDEKUH ist eine Endeckung. Ein wilder Schrei: gegen die Seelenbiegung.
Was wegen dem bewuÂt uberstrapa zierten Kloakejargon, den die „Kranken-hauswachter Armin Rode und Michael Veber anstimmen — zunachst als aufdringliches Miliestuck zu beginnen scheint, tntpuppt sich mit der Zeit als atemberaubende Vorfuhrung und BloÂstellung einer kompromiÂloser. Anpassung an das jeweils machthacende System. Eine rundumbiegung: Unterwerfung funktioniert langst ohne «Brehen». Felix, der «Biindekuh» nicht nur mit Arkadi, sondern vor allem auch mit dem Publikum spielt, nimmt eine Maske nach der anderen abdoch welches Gesicht sein wahres ist, bleibt ungewiÂ.
Regisseur Âernard Sobel inszenierte «Blindekuh»  von einem halben Jahr bereits in Paris fur das Bochumer Schau¬ spielhaus hat Dramaturg Dieter Welke das uberraschend weltgultige Stuck des hierzulande bisiang unbekannten sowjetischen Gegenwartsautoren eigens ins Deutsche ubersetzt. Eine Entdeckung: Ein wilder Schrei: gegen die Seelenbie  gung.
Mathias Pees

*******
THEATER HEUTE
Saisonstart  Bochum
Premiere von Volochovs «Blindekuh»
Wuster Kampf um Moral und Anstand
Moskau, im schabigen Wach raum  eines  Krankenhauses des KGB —eine Tristesse, die gut in das Kellergewolbe des Theater Unten pabt. Michail Volochovs „Blindekuh» hatte  am Samstag Premiere. „Hart» sollte es werden, hatte Dra maturg   Dieter  Welke  versprochen, und et hielt Wort. Uber zwei Stunden verfolgten die Zuschauer einen Selbst-zerfleischungsprozeÂzweier Menschen, der sich in un-barmherzigen Beschimpfun-gen, zarten  Annaherungen und wilden Geschichten zwischen Wahrheit und Fiktion ergoÂ. Deftig war ihr Voka bular, doch das schien ange messen.  Kaum  vorstellbar, daÂsich diese Menschen  anders als in brutalem Jargon  miteinander unterhalten sollten.
Michael Weber und Armin Rohde, die den langen Text Innerhalb  weniger Wochen paukten, lieferten sich einen uberzeugenden Nervenkrieg, in dem es zwischen den knall harten Worten um Moral, Kunst und Liebe ging. Vordergrundig laÂt sich Ar kadi, ein kleiner Dieb, antisemitisch, skrupellos und unheilbar opportunistisch, fortwahrend von Felix (Armin Rohde) verfuhren. Fur Kohle  tut Arkadi alles, „du fragst  doch nicht oben bei Deinem Hirn» muÂer sich sagen lassen. Am Ende ist er sogar bereit, ein richtiger Jude zu werden, der Gipfel seiner Wendehalsigkeit Das  Verwirr’spiel, in das ihn der gebildete Felix hineinzieht, ist fur ihn, den Intellektuellen, ein Beispiel seiner Kunst. Am Ende «fordert er Arkadi, den ukrainischen Arschkriecher auf, ihn, der noch einen Rest an «Selbstachtung besitzt, umzubrihgen..»Man darf sich nicht  verfruhstucken lassen», das  Felix Devise.
Die eigentliche Geschichte der beiden Russen, die im zerberstenden : Kommunismus Ende der 80er nach festem Boden suchen, ist nicht so wichtig. Ihr Kampf um Moral rund Menschlichkeit geht weit uber Moskaus Grenzen hinaus.
Ruhrnachrichten

*******
Westdeutsche Zeitung
Was der Jude ist
Bochum – Volochows «Blindekuh»
Von unserer Mitarbeiterin Eva Pfister
Bochum. La der Zeit der Perestroijka, im Jahr 1990, spielte das Improvisationstheater in Moskau das Stuck „Blinde kuh». Sein Autor, Michail Volochov, lebte seit 1987 in Paris. Er verkundete in „Blindekuh» eine klare Botschaft: Die Men schen in der  Sowjetuunion kann man nicht umgestalten.
Oder doch: Man kann sie sogar sehr leicht umbauen.  Fur ein paar Rubel kann man aus ihnen alles  machen:  Morder   oder Agenten. Schwule oder Juden. Regisseur   Bernard   Sobel   hat, Blindekuh im Februar in Pa ris aufgefuhrt und jetzt in Bo chum   auf deutsch   inszeniert. Wir befinden uns auf Nachtwa che im Keller eines KGB-Kran-kenhauses: Der einfaltige ukrai nische Afghanistan-Veteran Ar-kadi ist fur die Pfone zustandig, der verkrachte judische Schrift steller  Felix fur  die   Feuerlo scher. Der Umgangston ist rude, der Streit alltaglich. Doch bald wird klar, daÂFelix mit dem Genossen spielt, wobei er sich versteckt halt, wahrend Arkadi in alle Fallen tappt. Er bringt fur 500 Rubel jemanden um, er laÂt sich in treuem Glau ben vom KGB anheuern, grabt dafur sogar seine kommunisti sche   Gesinnung   wieder   aus, wechselt bruchlos zum GIA und stulpt sich dann sogar die Iden titat seiner groÂten Feindbilder uber: Er laÂt sich zum Juden und zum Schwulen machen. Felix hingegen ist vielleicht gar kein Jude,  er enthullt  immer neue Identitaten wie eine russi sche Steckpuppe. Jedenfalls ist er als  Intellektueller mit dem Fluch der Hellsichtigkeit   ge schlagen,  ein  Zyniker,  der an seinen  Einsichten   verzweifelt. Armin Rohde spielt diesen Felix sehr  uberzeugend  mit  einem nachlassigen   Gestus,   wahrend Michael Weber seinen Arkadi beinahe clownesk aufdreht. Bernard Sobel sieht in diesem Perestroijka-Stuck wohl  eine Studie uber Antisemitismus, der ja in der zerfallenden Sowjet union aufbluhte. Ausstatter Nicky Rieti kleidete Felix in ei nen   schwarzen   Mantel    mit Samtkragen, den Genossen in eine Soldatenuniform. Aber die Pelzmutzen der beiden entpuppen sich bei genauerem Hinse hen  eher  als Rabbinermutzen denn als Capkas. Wer hier Jude; ist, weiÂman am Ende nicht mehr, wohl aber, was „der Jude» ist und wofur er steht. Ein  spannender Abend  ist  in Bochum zu besichtigen.
Im  Schattenreich des KGB
Bochum: Michail Volochovs «Blindekuh» erstaufgefuhrt
Zwei Manner Im unwirtlichen Wachraum eines russischen KGB-Krankenhauses zur Zelt der Perestralka. Der eine Malocher-Typ, der andere versucht sich als Dichter. Sie schieben Nacht schicht, und unbttndiger HaB des einen gegen den anderen wutet offenbar In Ihnen. Sie be schimpfen sich in einer katastrophalen Trummersprache auf Immer ekligere Welse: antlseml-tisch und Inhuman. Zwei „Underdogs» In einer Ubergangsgesellschaft, die zwischen dem gepre digten Hell des Kommunismus und den VerheiÂungen des Kapitalismus schwankt.
Autor Michail Volochov, dessen  Zweipersonenstuck „Blindekuh» im   Bochumer „Theater unten» als deutsche Erstauffuhrung Premiere hat te, uberdreht die monstrose Beleidigungsmaschine Jedoch derart, daÂdie Unflatigkeitenteilweise nur noch lustig und nicht mehr beangstigend den  zerstorten Charakter der beiden Anti-Helden beschreiben. Doch das ware der  geringste Einwand.
Als Psycho-Studie zweier in eine Wendezeit Versprengter, weckt das Sprach-Duell zu Anfang Neugierde. Aber dem Autor liegt letztlich nicht an den. Portrats von sozialem Strandgut oder den Auswir kungen von groÂer Politik auf kleine Leute.
Das zunachst aufmerksamkritisch zwischen Bukowski und Bild-Zeitung angesiedelte Panorama verengt sich im Verlauf der Inszenierung zu einem ziemlich muden Agen-tenplot Uber KGB- und CIA-Organisation»- und Verhal tensmuster, versetzt mit ver querem, wohl kabarettistisch gemeintem Unterton, Das kommt in der Regie von Hernard Sobel recht bemuht daher und laÂt den Zuschauer bei aller Drastik weitgehend unbeteiligt.
Die beiden, hervorragenden Darsteller Michael Weber als wankelwutiger Arkadi, und Armin Rohde als abgewichstvulgarer Rollenspieler Felix
versuchen mit bemerkens  werter Intensitat, der Mixtur aus Funktionarsgeschnatter und Schimpfkanonade anruh rendes Leben einzuhauchen. Vergeblich. Zu, sehen, sind nur Abziehbilder aus einem naiv versimpelten Schattenreich der Geheimdienste.
Werner Streletz

*******

Recklinghauser Zeitung
Eine verkomene Gesellschaft
Deutsche Erstauffuhrung von Volochovs Stuck «Blindekuh» in Bochum
Die Sowjetunion am Ausgang der 80er Jahre. Endzeit eines Impe riums. Die Macht zerfallt. Noch ist unklar, wem sie kunftig gehoren wird. Nur eines ist sicher: Das Volk, jahrzehntelang im Umgang mit den alten Eliten geubt, muÂsich neu orientieren. In dieser. Zeit des Umbruchs spielt Michail Volochovs 2-Personen-Stuck „Blindekuh». Arkadi (Michael Weber) und Felix (Armin Rohde) arbeiten nachts als Wach manner in einem Krankenhaus des KGB, das so etwas wie die letzte Heimat ist fur abgehalfterte Geheim-diensthelden, um die sich keiner  mehr kummert. Die von Nicki Rieti eingerichtete.  Buhne zeigt den Aufenthaltsraum der Wachleute, einen herunterge kommenen Lagerraum. Den.FuÂboden bedecken Wasserlachen, im Hintergrund stehen Feuerloscher, am Buhnenrand zwei zerschlissene Sessel vor einem Fernseher. Hier fechten sie brutale Wortattacken aus, in der obszonen  Sprache der Unter schicht. Volochovs Stuck zeichnet das Bild   einer   verkommenen   Gesellschaft, die vom Kampf ums Uberleben mo- rausch   aufgezehrt   ist.   Nichts   ist selbstverstandlich: Um Alltagliches, wie Wohnung oder Essen, muÂstan dig-neu gerungen werden. Das hat Spuren hinterlassen. Arkadi, der ein fache Schlosser,  ist nur noch die Hulle eines Menschen. Er ist bereit, jede   beliebige   Identitat   anzuneh men,.die den Herrschenden — jedenfalls denen, die er fur die Herrschen den halt» gefallt: Kommunist, Kapitalist, KGB-Agent, CIA-Agent, Jude, Schwuler — egal. Wenn es sein muÂ, alle zusammen. Dieses Mal will, er  auf jeden Fall auf der richtigen Seite.stehen. Nur, wer sagt ihm, wo sie sich befindet? Felix, der Intellektu eile, der eigentlich Schriftsteller werden  wolite, spielt mit seinem unbedarften Partner ein grausames Spiel, das selbst vor. Mord nichtrz schreckt.
„Blindekuh» ist ein reines Dialog-Drama — in einem Akt und  nahezu  ohne AuÂere Handlung. Das ist si- eher nicht leicht in Szene zu setzen   Mancher  Regieeinfall   verdeutlicht dann auch eher diese Schwierigkeit, als daÂer etwas uber den Charakter der Rollen verriete oder den Fort — gang des Stucks forderte. Zudem  stort ein wenig die Diskrepanz zwisehen dem klaren norddeutschen, leicht humoristisch wirkenden Ak zent Michael Webers und der unge wohnlich  vulgaren  Sprache seiner Rolle.   Das  intensive  Spiel  Armin Rohdes vermag das nicht ganz wett zumachen.
Die Premiere, im Bochumer „Thea ter unten» war zugleich die deutsche Erstauffuhrung des Stucks. Sein  hierzulande unbekannter. Autor stammt aus Kasachstan und lebt heute in Paris. Der Dramaturg Dieter Welke entdeckte dort nicht nur das Stuck fur das Bochumer Schauspielhaus, sondern auch den Regisseur Bernard Sobel der „Blindekuh», Frankreichi herausgebracht Jhatte. Da  Sobel sein Teater  nicht Verlassenn konnte, fanden die Proben einfach in Paris statt. Zur Premiere war er aber doch erschienen  und nahm den lang anhaltenden Applaus des Publikums entgegen.
Holger Everz
*******

SONNTAGSNACHRICHTEN
„Blindekuh» in Bochum: Todliches Spiel
Der Titel suggeriert ein uns aus Kindertagen wohlbekanntes Spiel:. jemand   wird,   mit   verbundenen Aueen, von den Mitspielern immer wieder  in  die  falsche  Richtung geschickt.  In Michail  Volochovs „Blindekuh», von Bernard Sobel in Deutscher Erstauffuhrung insze niert , laÂt sich einer sehenden Auge immer wieder auf die falsche Fahne locken zwischen KGB und CIA. Und mit ihm das Publikum. Was wie eine Agentenstory aus der Perestroika-Zeit der ausgehen den SOer Jahre daherkommt, ent puppt sich innerhalb zweier span nender Stunden als ein kunstvolles Verwirrspie! zwischen Realitat und Fiktion. Im Wachraum eines Moskauer Krankenhauses fur privile gierte  KGB-Patienten  entspannt sich ein grotesk-zynischer Zwei-kainpf zwischen dem als Feuer wehrmann  jobbenden   schwulen judischen Schriftsteller Felix (Ar min Rohde haufig mit Gerd Vos-Attirude) und dem Pfortner Arkadi  (Michael Weber ein Naiver mit groÂen, unglaubigen Kinderaugen), eigentlich einem kleinen Schieber, der, um seine Familie darchzubrin-gen, das BewuÂtsein dialektisch einsetzt und auch vor einem bestell ten Mord nicht zuruckschreckt.
Wie ein Planet «die Sonne umkreist der devote Speichellecker den Dichter, der sich in der neuen Freiheit nach dem Zusammen brach des totalitaren Regimes nicht zurechtfindet und Selbstniordpiane schmiedet. Volochov zeichnet das Portrat gestrandeter Existenzen, die noch ganz der Epoche des real exilierenden Sozialismus verhaftet sind. Bernard  Sobe!  verscharft das Tempo,  setzt auf Humor statt auf krude Obszonitat und bringt die textlastige Zimmenchiacht auf den Punkt.
Pitt Hernnann
*******

Bospecl
Blindekuh
Wer «Blindekuh» spielt, bekommt die Augen verbunden, tappt relativ orientierungslos durch die Gegend, und sucht ie-manden zu lassen zu kriegen, der dann selbst die blinde Kuh spielen darf. «Blin dekuh», das Zweipersonenstuck von Mich ail Volochov, das jetzt im Theater Unten seine deutscne. Erstauffuhrung erleben durfte, spielt im Dunkel des Wachraums ei nes russischen KGB-Krankenhauses zur Zeit der Perestroika. Arkadi und Felix, der Pfortner und ein Feuerwehrmann auf Nachtschicht, bereichem sich am Volksei gentum, schlagen die Zeit tot mit gegensei tigen HaÂtiraden, suchen jeder den anderen in die Enge zu treiben und konnen doch nicht voneinander lassen: menschliche Trummer einer zerfallenden Gesellschaft, die orientierungslos zwischen nicht-mehr-Kommunismus und noch-nicht-JCapitalismus umhergeistern.
Autor Volochov scheint auch sonst dem wahren Realismus des zerfallenden Sowjet staats auf der Spur zu sein, sprachliche Ver wustung und brutaler Umgangston pragen das Bild. Proletarier Arkcdi kontert die ver meintlich intellektuelle Uberheblichkeit des Freizeitdichters Felix mit einer geballten Ladung Antisemitismus, der antwortet mit Net tigkeit Ahnlicher Art. Statt Kommunikation verbaler Schlagabtausch auf Niedrigstiveau.  Ein russisches  Doku-Drama ?  Der Schein trugt «Blindekuh» will offensichtlich mehr als nur ein Psychogromm zweier ge scheiterter Existenzen im Schemen der Perestroika entwerfen — «Blindekuh» will ein unterhaltsames Stuck sein, mit grotesken Un tertonen und einem uberraschenden Plot… Und so verstrickt Felix Arkadi in sine dubio se  Erzahlung,  in der er als angeblicher Agent des JCG3 Arkadi fur den russischen Geheimdienst  engagiert,   als  angeblicher Doppelagent des KGB und CIA ihm eine Stellung beim amerikanischen Secret Servi ce anbietet und den armen Arkadi, der oh nehin nicht gerade der Keuste ist, in ziemliche Verwirrung sturzt. Und letzlich lauft alles darauf hinaus, daÂArkadi Felixx endlich umbringen soll, denn der Sinnlocsigkeit des eigenen Lebens eine  Ende bereiten, das kann Felix nicht.
Und so lost sich, was als monstrose Beleidigungs attacke dem Zuschauer noch halb wegs nahe ging, in wohlgefalliger Heiterheit auf. Russische Dichter hatten ja schon im mer ein Faible fur Selbstmord… Michael We ber als Arkadi und Armin Rohde als Felix geben zwar ihr Bestes, der Abzocker-Menta-litat dieser russischen Underdogs authenti sches Flair zu verleihen, gegen die verquaste Dramaturgie von «Blindekuh» heben sie aber kaum eine Chance. Was ais Studie menschlichen und moralischen Zerfalls noch ganz nett beginnt, endet so leider nur als maÂig unterhaltsames Spielchen um KGB und CIA: gut gespielt und trotzdem schlecht.
VM
3)
Schweizer Presse

Die Ostschweiz
Obszonitaten aus der Moskauer Unterwelt im St. Galler Postturm
ST.GALLEN. Von Rohheit und Gewalt in der Moskauer Un terwelt handelt «Blindekuh» des kasachischen Theaterau tors Michail Wolochow. In ei¬ner Inszenierung des Theaters «pupille» harte das kraftvollgrobe Zweipersonenstuck am Samstag als Schweizer Erstauffuhrung Premiere.
Nach dem Aufstieg uber Holz treppen in den 60 Meter hohen Turm der St. Galler Hauptpost — dort hat die «pupille» ihre Theaterbuhne aufgebaut — ging’s sogleich wiederweit, weit nach unten: Das Publikum wurde fur anderthalb Stunden in die Unterwelt Moskaus entfuhrt.
«Blindekuh» spielt dort in einem Raum der stadtischen Werke neben der Leichenhalle eines KGB-Spitals. Prapariert werden aber nicht Leichen, sundern die Seelen zweier Lebender, namlich von Arkadi (gespielt von Bjorn Freiberg), einem als Wachter angestell ten ukrainischen Proletarier, und von Felix (Roberte Guerra), einem judi schen Intellektuellen und herunterge kommenen Dichter, der als Feuerwehr mann jobt.
In einer groben Sprache voller Pro vokationen und Obszonitaten erzahlen sich die beiden Antihelden Geschichten uber sexuelle Brutalitaten und Mordta ten. Es zeigt sich, dass Felix mit seinem Gegenuber «Blindekuh» spielt: Einmal lasst er Arkadi glauben, er sei ein KGB-Agent. Dann blufft er, indem er sich als CIA-Mann gibt, der fur die Amerikaner arbeitet.
Arkadi wechselt seine Uberzeugung, so oft ihm dies dienlich scheint, wenn Felix ihm ein Geschaft verspricht. Ob KGB oder CIA, Kommunismus oder Kapitalismus, ist ihm egal, sobald ein paar Rubel winken. Seine Anpassung gehl so weit, dass er dem homosexuel len Felix zuletzt gar seinen Korper zu Diensten stellt. «Blindekuh» entblosst schonungslos die Ausgehohltheil des heruntergekommenen Sowjetsyslems gegen Ende der Perestroika.
Vulgare Sprache
Der Autor selirieb die Originalver sion seines Stucks («Verstcckspiel mit dem Tod») 1987 nach seiner Emigrati on in Frankreich. Als Sprachstil ver wendete er «Mal», den vulgaren Slang der russischen Unterwelt, den Jargon der Straflinge, heute aber auch Gassen sprache der Jungen. Regisseur Marco Giacopuzzi faszinierte am Stuck diese kraftvolle Sprache.
In der Ubersetzung von Dieter Welke tont dieser Slang zum Beispiel so: Arkadi: «Hast du n’Arsch offen, du Pisser? Stell erst mal die Fressalien in den Kuhlschrank!» — Felix: Leck mich am Arsch.» Dass solche Sprache an der Premiere auf die Dauer nicht ermudend wirkte, lag an den konzentrierten Lei stungen der beiden Darsteller, wenn auch ihre Artikulation nicht immer bis ins Detail verstandlich war.
Menschen ganz unten
«Alles, was in Russland geschehen ist, ist ein grosses Ungluck, aber ich habe erreicht, dieses Ungluck zu ge brauchen», sagt Autor Michail Wolochow (geboren 1955), der uber Mu ren, Morder und Gangster schreibt.
Sein Interesse gilt den Menschen «ganz unten», den am meisten Verachteten in der Gesellschaft.
Dieses «ganz unten» findent irn Buh nenbild der «pupille» (Andreas Hunziker) eine treffende Veranschaulichung: Der weissgekachelte, schmutzige Wachraum befindet sich unter dem Pu blikum, es blickt von oben von vier Sei ten in die Versenkung. Dies bietet eine ungewohnte, spannende Optik. Dane ben notigt der Guckkasten das Publi kum aber zu lastigen Halsverrenkungen.
MICHAEL NYFFENEGGER

*******
Obertoggenburger
Ein russisches Theaterstuck im Postturm
Die St Galler Theatergrup pe «die pupille» spielt ab 16. September das Stuck «Blin dekuh» des russischen Au tors Michail Wolochow. Als Spielort hat sich die Gruppe erneut einen ganz besonde ren Ort ausgesucht: Hinter den Zifferblattern der Uhr des St Galler Postturms.
Nach den letzten beiden grossen Inszenierungen der St. Galler Theater-gruppe die «pupille» in einer Olma-Halle und in der Lok-Remise im Areal des Hauptbahnhofs zeigt die Gruppe nun ein Zweipersonenstuck. Autor ist der von der Fachpresse als «Entdek-kung» gefeierte 40jahrige Russe Mi chail Wolochow. Nach einem Chemie-und Mathematikstudium arbeitete Wo lochow zuerst als Ingenieur, doch seine Karriere scheiterte am russischen Anti semitismus. Wolochow studierte spater noch Theaterwissenschaften und wur de in den achtziger Jahren in der Mos kauer Untergrundszene als Autor be kannt. Seit 1987 lebt er — mit eine Fran zosin verheiratet — in Marly-la-Ville bei Paris. Sein neuestes zeitgenossisches Stuck. «Der grosse Troster», wurde kurzlich in Moskau uraufgefuhrt.
«Blindekuh» wurde auf Deutsch schon in Bochum gespielt. In der Schweiz bekam «die pupille» die Rech te fur die Erstauffuhrung und der Autor wird zur Premiere nach St. Gallen kommen. Das Stuck handelt von zwei Nachrwachtern eines KGB-Kranken-hauses, die sich mit abstrusen und teil weise grausamen «Psychospielen» die Langeweile vertreiben. Geschrieben ist das Stuck im russischem Slang «Mal», der Sprache der Unterwelt und der Sytemkritiker, die heute vor allem vonl den Jungen verwendet wird. Die deutsche Ubersetzung versucht, dieser Gassensprache moglichst nahezukom- men.
Gespielt werden die beiden Rollen, von Bjorn Freiberg und Roberte Guerra, die beide schon in der letzrjahrigen «pupille»-lnszenierung von «A Clockr work Orange» mitgespielt harten. «Blindekuh» wird an einem spektaku laren Ort gespielt: hinter den Ziffer blattern des machtigen St. Galler Post¬turms. Die Post unterstutzt die Theater gruppe aktiv: «Wir wollen zeigen, dass die Ostschweiz kein kultureller Holz boden ist», kommentierte Post-Vertre¬ter Toni Inauen. Und «pupille» — Leiter Marco Giacopuzzi lobte die Post fur ihr grosses Engagement: Mit dem Billett-verkauf am Dringlichkeitsschalter, mit der Gratis-Vorverkaufs-Telefonnum-mer ISS 62 66, mit Werbung in 100 Poststellen der Region St. Gallen und vor allem mit der kostenlosen Uberlas sung der Raume werde hier vorbildli ches Kulrursponsoring geleistet.
Appenzeller Zeitung
«Blindekuh» auf 55 Metern Hohe
Das Theater «die pupille» zeigt die Erstauffuhrung im Turm der Hauptpost St. Gallen. In einer Schweizer Erstauffuhrung gelangt am Samstag, 16. September (20.15 Uhr), hinter den Zifferblattern der 55 Meter hohen Uhr des Postturms «Blindekuh» zur Auffuhrung. Das Theater «die pupille» zeigt dieses Stuck insgesamt zefin Mal.
Ausgefallene Spielorle sind fur das Theater «die pupille» nichts Ausserge-wohnliches. Die Auffuhrung auf einer Hohe von 55 Metern garantiert trotz dem eine einzigartige Kulisse. «Blin dekuh», 1993 in Moskau uraufgefuhrt, ist das erste ins Deutsche ubersetzte Stuck des russischen Dramatikers Mi chail Wolochow.
Das Zweipersonenstuck spielt in einem Keller neben der Leichenhalle eines Spitals des sowjetischen Geheimdien stes (KGB). Der intellektuelle Feuer wehrmann Felix (Roberte Guerra) und der ukrainische Pfortner Arkadi (Bjorn Freiberg) vertreiben sich die Zeit mit ei nem brutalen Spiel: Personlichkeitsaus treibung oder Ruckgratfahndung. Felix, der Arkadi zu einem Mord angestiftet hat. wirbt fur KGB und CIA und spielt nicht nur mit Arkadi, sondern auch mit dem Publikum…
Treppensteigen
Diese Erstauffuhrung ist fur «die pupil le» die letzte Produktion in St.Gallen. «Uns darf man aber nicht aus den Au gen verlieren, denn wir bleiben beste hen», so Marco Giacopuzzi, der fur die Inszenierung verantwortlich ist. Die Vorbereitung fur die Premiere vom Samstag. 16. September, laufen auf Hochtouren. «Ganz unproblematisch ist dieser Auffuhrungsort nicht, denn die Helfer mussen das Material einige Treppenstufen aufwarts tragen», erklar¬te Giacopuzzi an der Pressekonferenz von gestern Dienstag. Fur die Auf fuhrungen wird eine dem Raum angepasste Arena-Buhne erstellt, die 50 Per¬sonen Platz bietet.
Spurbares Sponsoring
Eigentlich wollte «die pupille» schon nach der letzten Auffuhrung («Clock-work orange») aufhoren. Nach dieser Produktion seien sie namlich in ein fi nanzielles Fiasko geraten. «Dank viel Gluck und Glaube an die Arbeit haben wir das Riesenloch bewaltigen kon nen», sagte Giacopuzzi «Ein derart spurbares Sponsoring wie seitens der Kreispostdirektion St.Gailen haben wir noch nie genossen», freute er sich. Die Hauptsponsorin stellt dem Theater die Raume sowie bei rund 100 Poststellen in der Region Werbeflachen zur Verfu gung. Zudem hat sie eine Gratistelefonnummer fur den Vorverkauf eingerichtet.
Anita Weishauft

*******
TAGBLATT
Kampf mit Fausten und Gedanken
Michail Woiochows «Blindekuh» in der Auffuhrung des St.Galler Theaters «Pupille»
«Blindekuh» des jungen russischen Autors Michail Wolochow hatte am Samstag im Turm der StGailer Hauptpost Premiere. Mit dieser von Mar co Giacopuzzi inszenierten schweizerischen Erstauffuh rung kfindigt das Theater «Pu pille» seinen Abschied von StGailen an.
Moskau, Mitte der achtziger Jahre: Zwei junge Mannet schienen in einem Wachlokal Schicht. Felix ist Feuerwehr mann, erfolgloser Dichter, Ju disch und schwul, Arkadi ein ungeschlachter,     anpasserischer Junge, der einzig seine  Arme und Fauste als «Argumentationshilfe» zur Verfugung hat. Der Konflikt zwlischen ihnen ist so gut wie vorprogrammiert. Das Zweiper sonendrama «Blindekuh» ist ein von Hassliebe gepragtes Wechselspiel  gegenseitiger Bewunderung und Verach tung zwischen zwei Aussenseitern.
Der eine bewundert im an deren, was ihm fehlt — Kraft dem Intellektuellen, Geist dem Brutalen -, und kann es doch nicht achten. Denn jeder muss den anderen erniedrigen, um sich Uberlegen fuhlen zu kon nen. Dabei erweist sich der In tellektuelle als nur scheinbar uberlegen…
Das manipulierte Instrument soll ihm vielmehr dazu die nen,  einer Gesellschaft zu ent fliehen, in der die Niedertracht seit Jahrhunderten zur Macht erhaltung gehort.
Im Untergrund der Macht
Der jetzt in Frankreich le bende 40jahrige Russe Michail Wolochow hat mit seinem Zweipersonenstuck ein Bild der Verkommenheit im Zen trum des sowjetischen Macht apparates geschrieben. Nicht von oben,  sondern von ganz unten. Schon der Handlungs ort erweckt Schaudern. Der Wachraum liegt neben der Leichenhalle, eines Spitals fur KGB-Funktionare. Dort kann keine menschliche Warme aufkommen. Es erstaunt wenig,. dass die Moskauer Urauf fuhrung, wie gemeldet wird, vor zwei Jahren einen Skandal provozierte.
Im hohen, engen Raum im Turm der Hauptpost, auf der Hohe der Uhr, hat Andreas Hunziker ein adaquates Buh nenbild geschaffen: einen kleinen Raum, weissgekachelt und kalt, vor Dreck starrend. Das Publikum sitzt erhaben uber dem Geschehen, blickt von zwei Etagen hinab in die Arena und auf den Kampf der beiden Gladiatoren.
Diesen Kampf Inszeniert Regisseur Marco Giacopuzzi schnell, laut, so unzimperlich, wie es schon von der russi schen Gossensprache her vorgegeben ist. Er vermaidet es, mit einer allzu Asthetischen Inszenierung die Gewalt der Handlung zu verharmlosen. Gleichzeitig verschont er das Publikum vor einem Schwall von Brutalitat.
Spannung — fiben Ende hinaus
Roberte Guerra (Felix) und Bjorn Freiberg (Arkadi halten mit dem Hin-und-Her ihres Spiels die Spannung wahrend des ganzen Abends aufrecht. Das Hauptelement der Span nung liegt darin, dass nicht nur Felix mit Arkadi «Blinde kuh» spielt, sondern euch der Autor mit dem Publikum. Es kann nie recht unterscheiden zwischen Realitat und Fabu liererei im Stuck. Schauspieler und Regie fahren es beinahe an der Nase bis zum Hohe punkt der Spannung. Diese wird nicht gelost sondern bleibt im Dunkel des Spielendes stehen.
BEAT WAGNER