Schicksale oder die lutherische Kusine

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Schicksale oder die lutherische Kusine.
Aus dem Leben einer Mennonitenfamilie in S;dru;land
Erz;hlt von
Peter Harder.
;bergeschrieben von Gotische Schrift auf Hochdeutsch von
 Leonard Rempel  01.01.2013.

Des Menschen Seele
Gleicht dem Wasser:
Vom Himmel kommt es,
Zum Himmel steigt es,
Und wieder nieder
Zur Erde mu; es,
Ewig wechselnd.
Str;mt von der hohen,
 Steiler Felswand
Der reine Strahl,
Dann st;ubt er lieblich
In Wolkenwellen
Zum glatten Fels,
Und leicht empfangen,
Wallt er verschleiernd,
Leisrauschend
Zur Tiefe nieder.
 Nagen Klippen
 Dem Sturz entgegen,
Sch;umt er unmutig
Stufenweise
Zum Abgrund.
Im flachen Bette
Schleicht er das Wiesental hin,
Und in dem glatten See
Weiden ihr Antlitz
Alle Gestirne.
Wind ist der Welle
Lieblicher Buhler;
Wind mischt vom Grund aus
Sch;umende Wogen.
Seele des Menschen,
Wie gleichst du dem Wasser!
Schicksal des Menschen,
Wie gleichst du dem Wind!
Goethe, „ Gesang der Geister“.
I
Wenn du, lieber Leser, den Atlas oder eine spezielle Karte vom S;den Russlands in die Hand nimmst und betrachtest seine Fl;sse mit ihren Neben und Zufl;;chen, so fragst du sich unwillk;rlich, wie’s  doch wohl hier und da aussehen mag, und wer von deinen Menschenbr;dern gegenw;rtig hier oder dort, auf dem rechten oder auf dem linken Ufer jener namenlosen kleinen Wasser gl;cklich oder ungl;cklich, in Freud oder Leid seine kurzen Tage durchlebt. Die Malaja ist eines der Kleinsten unter den Kleinen; wie sie ;berhaupt  noch auf die Karte gekommen! Von ihrer setzten gr;;eren Biegung an, das rechte Ufer entlang, hin  bis zur M;ndung in den Hauptflu;, zieht sich auf der Karte ein seiner, kaum bemerkbarer Schatten. Ein in die Wolken strebender Berg ist’s  freilich nicht, aber eine Anh;he, hoch genug f;r den Steppenbewohner, welcher die Berge ;berhaupt lieber in den Geschichtenb;chern als im Ackerland hat. Diese Anh;he, die „Lange Mogila“ genannt, sch;tzt die Malaja vor dem Pflug des Kolonisten, der schon ;ber manches B;chlein, das vom Sch;pfer seine so treue Macht erhalten, schonungslos seine Furchen gezogen. In jenem durch die Biegung der Malaja gebildeten Winkel liegt ein bei 3000 De;jatinen umfassendes Landgut, welches von den benachbarten deutschen Kolonisten und russischen Bauern nach seinem nun verstorbenen Besitzer, dem Mennoniten Landgut genannt wird. Die ;konomie liegt hart am Ufer des Flusses, etwa f;nf Werst unter Fredenshoff und nicht viel mehr ;ber Possad Tschertolupowka.  Sie tr;gt im Gro;en und Ganzen den Charakter einer gr;;eren ;konomie in dem pontischen Steppen. Alles, was man hier sieht, ist lang und breit nach dem Muster der un;bersehbaren Steppe selbst. Der Gutshof k;nnte ein ganzes Dorf fassen, und der Hinterhof, die „Dehl“, mit seinen langen H;rden, Powidki (Ein Dach auf Pf;hlen f;r das Vieh.)  und, Sagatten (Ein Strohzaun.)  mit seinen zahlreichen endlosen Stroh und Heuhausen nimmt sich allein schon aus der Ferne wie ein D;rfchen aus. Lang, breit und niedrig sind alle Geb;ude im Vorhof, die Stallungen und Speicher, die s;mtlich aus roten Ziegeln aufgef;hrt sind, unter Rot angestrichenem Blechdach. Rings um den  Hof zieht sich ein langer wei;get;nchter Ziegelzaun, welcher die Gutsgeb;ude noch niedriger erschienen l;;t.  Wozu auch nach oben streben, wenn man unten genug Raum hat? Wer einmal auf D;rkenchutor gewesen, kehrt gern wieder dort ein, “ pflegt Ohm („Ohm“ werden ;ltliche beliebte Prediger tituliert.)  Peter aus Fredenshoff zu sagen,, und wischt  mit dem  R;cken seiner Hand eine Tr;ne aus dem Auge. Und wer Ohm Peter kennt, wei;, da; derselbe um Natursch;nheiten keine Tr;ne vergie;t, wei; aber auch, da;  sein Herz voll Weh sein mu; , das durch die Augen ;berflie;t. Ohm Peter denkt an die Geschichte, die auf D;rkenchutor sich zugetragen hat unter seinen Augen von Anfang bis zum Ende, und deren Nachkl;nge nimmer schweigen wollen in der Brust.

Es war an einem Samstag Nachvesper. Die Familie D;rken sa; ausgenommen den ;ltesten Sohn Paul, der im Auslande als Missionar studierte – vollz;hlig auf der Veranda des Hauses- In der vergangenen Nacht war ein erquickender Regen niedergegangen, hatte allen l;stigen staub hin weggetan und die sengende Julihitze etwas gemildert. Alle Hausgenossen waren in der denkbar festlichsten Stimmung erschienen. Der Tag war nicht nur sch;n, sondern auch bedeutungsvoll f;r die Familie: das Nesth;kchen, Berni, feierte  Seinen siebenten Geburtstag und war, seit er morgens die Augen aufgemacht, erschrecklich beutelustig; Hauptsache blieb aber, da; Vater von einer langen Reise heimgekehrt war und eine Gouvernante f;r die Kleinen mitgebracht hatte, „ein feines Fr;ulein“, soviel wu;te das zehnj;hrige Lenchen schon. Summa Summarum: Mutter D;rken war bis Vesper mit dem b;sen Sonnabend fertig geworden, was allemal sehr bedeutsam war, denn nur etwas ganz Absonderliches konnte sie e und dann von ihrer Hausordnung abbringen. Selbst Franz, der zweite Sohn und Wirtschaftler, durch den Regen zum Feiern gezwungen, fehlte nicht im Kreise der Gl;cklichen. Der Gl;cklichen?  D;rken sah stark angegriffen aus. Sein glattrasiertes Gesicht, das gew;hnlich trotz den von Wohlwollen und Herzensg;te r;genden Augen streng, fast rau schien, trug heute auffallende Spuren von Zerstreutheit und Unentschlossenheit; und sein Blick irrte unruhig von einem Gegenstand auf den anderen und heftete sich dann wieder f;r einige Sekunden ragend auf den einen oder anderen unter den anwesenden. Wortkarg war ja der gro;e Mann mit den fest aufeinander gepressten Lippen immer gewesen, aber heute d;rfte er doch schier etwas Interessantes mitteilen nach dem Reim „wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erz;hlen.“ Umsonst hat die kleine runde Hausfrau ihrem Matten ;ber so manchen in seiner Abwesenheit vorgefallenen Bericht erstattet. Sie merkt endlich, da; er ihrem Gespr;ch nur gezwungen folgt, sogar wiederholt ein G;hnen niederk;mpft, und schweigt gekr;nkt. Franz dreht seinen m;chtigen Schnauzer, als ob er vorhabe, ihn mit Stumpf und Stiel auszurotten. Berni steht schmollend am Scho; der Mutter und platzt endlich halblaut heraus: „Mutting, fragt ihn mal, ob er mir wirklich nichts mitgebracht hat gar nichts mitgebracht! Wozu ich dann wohl Geburtstag hab, was, Mutting?“Lenchen aber raunte dem Bruder zu; er solle doch schweigen und Ruhe halten, Vater sei ja krank, und sie werde krank, und sie werde ihm noch etwas extra Sch;nes schenken zum Geburtstag. „Auf extra Sch;nes hab ich keinen Appetit, “ versetzte der kleine mit weinerlicher Stimme, und Lena solle nur mit ihren Bildern gehen, da sei doch nichts f;r Jungens drauf; da seien doch nur lauter dumme Puppen und Sperlingen drauf und Spruche. Die alte schwerh;rige Tante Ida, D;rkens ;lteste Schwester, die ledig geblieben war, und sich mit ihren vielen, f;r die Hausgenossen bisweilen recht l;stigen Launen, welch von ihr wie eine liebe Kinderschar gehegt und gepflegt wurden, dauernd auf D;rkenchutor niedergelassen hatte, hatte ihren niedrigen Schienenstuhl ganz dicht an den Bruder ger;ckt, um auch nichts von dessen Reisebericht u ;berh;ren. Ihre Geduld zerriss zuerst, denn sie war die neugierigste von allen. „Das erz;hlt mir auch die Katz in der Stub, was ich hier h;re, dazu brauch ich nicht erst herauskommen!“ schalt ihr zahnloser Mund; darauf erhob sie sich, ergriff ihren Stuhl und entfernte sich. Franz und Lena sahen  einander an und lachten. Die polternde Alte hatte den Hausherrn aus seinen Tr;umen geweckt. Er richtete sich hastig auf, fuhr einmal mit der flachen Hand ;ber Stirn und Gesicht, als wolle er allen Tr;bsinn daraus wischen, und blickte umher, wie wenn er die Anwesenheit seiner Familie bisher gar nicht bemerkt h;tte. Sein Gesicht erhellte sich, als er die Kleinen gewahrte. Er rief sie zu sich heran, schaukelte sie auf seinen m;chtigen Knien, liebkoste und herzte sie. „Putchens, “ sagte er l;chelnd, „nun habt ihr eine Lehrerin, wollt ihr auch flei;ig sein und folgen?“ Lenchen versprach sofort mit Freuden und aufrichtigen Herzens. Helles Gl;ck strahlte dabei aus den tiefen blauen Augen des Kindes, die wie ein paar gl;nzende Sternlein unter den langen seidenen Wimpern hervor lugten. Berni hingegen dachte wohl: „Jetzt oder nie!“ Er richtete sich stramm auf die Beine und sagte patzig: „Schenkt mir auch eine Flinte zum Geburtstag, Vater, eine wirkliche, so eine zum Schie;en!“ Der Vater aber sch;ttelte entschieden den Kopf und sagte mit einem Seitenblick auf Franz: „Nein, mein Jungele, hab der was viel besseres gebracht. Flinten lieb ich nicht; sie helfen nichts und k;nnen nur viel schaden. Gott bewahrt uns auch ohne Flinte. “ Dann schob er die Kindeln sanft von sich und hie; sie, das Fr;ulein aufsuchen, und sich mit demselben bekannt zu machen. Franz versprach dem weinenden Bruder heimisch seinen alten Kr;henballer zum Geburtstagsgeschenk, und nach f;nf Minuten sah man ihn schon auf seinem sch;nen Traber feldein reiten. Vater und Mutter waren allein auf der Veranda geblieben. Die besorgte Frau drang ernstlich in ihren Gemahl, ihr doch die Ursache seiner tr;ben Stimmung mitteilen zu wollen, ihm w;re gewi; etwas passiert, daf;r kenne sie ihn schon zu lange. D;rken seufzte tief und sagte mit kaum vernehmbarer Stimme: „Es ist manchmal so schwer  es gibt Zeiten im Leben des Menschen, in denen ihm alles so dunkel scheint, so hoffnungslos, als g;be es keinen Ausweg als sei der Himmel vernagelt und das kommt, wenn man sich in seinen eigenen Wegen festgerannt. Das Leben wird zur Qual, die Welt eine grausige Lustbude. Die Fredenshoffer haben mich zu ihrem Prediger gew;hlt  ha! …ha!...“ Frau D;rken schauderte ;ber dem unheimlichen Lachen in sich zusammen; sie blickte verst;ndnislos auf ihren Mann. Nach l;ngerem Schweigen fuhr dieser in nun mehr weichem Tom fort: „Gott hat mich so reichlich gesegnet und segnet mich auch fort und fort und doch m;chte ich ihm mal in die Arme fallen, wie Abram: Was willst du mir noch geben? Siehe, ich gehe dahin und habe keine Ruge.. Schenk mir lieber Ruhe f;r die arme Seele! Gib mir Zufriedenheit in die Brust!“  Nach diesen Worten erhob er sich langsam und begab sich gesenkten Hauptes ins Haus, in sein Zimmer.  Hier langte er die gro;e Hausbibel vom Regal,  legte sie vor sich auf dem Tisch, schob seinen alten knarrenden Lehnstuhl n;her und lie; sich schwer darauf nieder. Anstatt aber das heilige Buch aufzuschlagen, um ein treffendes Trostwort zu suchen, st;tzte er den Kopf in die Hand  und starrte bald in tiefen Gedanken verloren durchs ge;ffnete Fenster hinaus. Vor demselben im Akazienbaum l;rmte und balgte eine Schar Spatzen, und die alte Rosenthaler Wanduhr warf aus der Stube in regelm;;igen Zwischenr;umen ihr bed;chtiges: Sacht! Sacht! Dazwischen. Unterdessen spazierte Klaudia, das Fr;ulein, welches mit Vater gekommen war, mit Lenchen im Garten umher. Berni hatte vorgezogen, seine eigenen Wege zu gehen, und  trotz aller freundlichen Einladung von seitens der Lehrerin den entgegengesetzten Kurs nach der „Dehl“ (Tenne.)  genommen. Lenchen hatte ihre Lehrerin bald liebgewonnen; diese wiederum schon in der ersten Stunde des Beisammenseins das fr;hliche, originelle Kind in ihr liebebed;rftiges Herz geschlossen.  Hand in Hand lustwandelten sie auf den kiesbestreuten Pfaden und Wegen dahin. In dem gro;en pr;chtig angelegten. Garten gab immer wieder etwas Veranlassung, stille zu stehen, zu fragen und zu erkl;ren, zu betrachten und zu bewundern.  Da war nicht nur der Blumengarten in der gro;artigen Mannigfaltigkeit seiner farbigen, Wohlger;che ausstr;mender Kinder, vom bescheidenen Schwalben;uglein bis hinauf zur ;ppigen, auf Kirschbaumst;mmchen prangenden, Rose; da waren nicht nur die himmelanstrebenden dicken Pappeln zu beiden Seiten des Hauptweges, deren best;ndig fl;sternden und lispelnden Kronen sich hoch ;ber den H;uptern der kleinen G;ste zu einem undurchdringlichen Dach verwoben, welche dem fremden M;dchen Ausrufe des aufrichtigsten Staunens entlockten, sondern auch die Obstabteillung, die den sei weitem gr;;ten Teil des Gartens einnahm, fesselte deine Aufmerksamkeit im h;chsten Grade. Es war ein Obstjahr im vollsten Sinn des Wortes: die verschiedensten Obstarten wetteiferten f;rmlich untereinander, die meisten und ges;ndesten Fr;chte zu zeitigen; jeder einzelne Baum schien zu erwarten, da; man stille stehe, um sich seines lieblichen Anblicks zu erfreuen.  Und noch hatten sie den Garten nur ganz obenhin besehen, als der hereinbrechende Abend sie ins Zimmer trieb. Nur ungern folgte Lena der zur Umkehr mahnenden Lehrerin; am liebsten h;tte sie mit ihr noch die Buschwiese, zwischen Garten und Fluss gelegen, durchstrichen. „Morgen fr;h planen wir einen Marsch in die Buschwiese,  nicht wahr, Liebchen?“  tr;stete Klaudia die unbefriedigte kleine Gef;hrtin.  „Ja, morgen, bitt sch;n!“  entgegnete diese gedehnt, „wenn die d;mliche Kirch nicht w;r! Da huckt man hin und g;hnt und z;hlt Duckenden, und bin immer froh, wenn ich wieder drau;en bin; wei;  auch nicht, wer die Kirchen mal ausgefunden hat! Das ist gewiss ein Sapperloter!“ „Aber Kind, wie sprichst du?!“  sagte Klaudia vorwurfvoll und schaute nicht ohne Gruseln auf das nun trotzig aufgeworfene M;ulchen, das oben erst von kindlich heiteren ;bermut und drolligem Humor ;bergesprudelt, was sie immer wieder zum Lachen gereizt hatte. Klaudia wandte sich schweigend um und schritt dem Hause zu, w;hrend Lena ihr sch;chtern folgte. An der gro;en Pumpe im Hofe blieben sie nochmals stehen und blickten einander schweigend an. Der Vollmond erhob sich eben hinter dem Ziegelzaun, um seine stille n;chtliche Reise anzutreten.  Und er leuchtete  dem Trotzk;pfchen in die gro;en, reinen Augen. Die junge Lehrerin ;ber las in ihnen, da; dahinter ein unverdorbenes goldenes Herzchen stecke, an das die Wellen der verderblichen Klugheit, von der die Schlange im Paradiese zu Mutter Eva redete, noch nicht ernstlich geschlagen hatten. Sie neigte sich freundlich zu dem Kinde herab, ergriff sein H;ndchen und sagte leise: „Putchen, Herzchen, willst du mich immer lieb haben.. Putchen? Wei;t du, das sind Freundinnen, die einander herzlich lieben und nicht traurig machen; willst du von nun an meine kleine Freundin sein?“ Lenchen nickte eifrig mit dem Kopf und rief beteuernd: „Ich werd auch ganz gewi; nicht mehr fluchen, und wenn ich aufrei; vor ;rger! Sei mir wieder gut!“Die junge Freundschaft wurde durch einen innigen Ku; besiegelt, und das ;bergl;ckliche Kind sprang fr;hlich davon.
II.
Fr;h schon war Klaudia erwacht. Sie stand im leichten Morgengewand vor dem ge;ffneten Fenster und blickte mit Lust der aufgehenden Sonne entgegen. W;rzige D;fte str;mten aus Garten, Wald und Feld herein. Wie still, wie feierlich ringsumher! Aus der Ferne t;nt kaum vernehmbar Glockengel;ut her;ber: es ruft die Russen im Possad  zum Fr;hgottesdienst. Unwillk;rlich faltet das M;dchen die H;nde; das  wohlgeformte Haupt mit seinen schweren dunkelbraunen Haarwellen leicht auf die Seite geneigt, das h;bsche Gesicht, in dem ein fast noch kindlicher Ausdruck thront, mit den sprechenden tiefbraunen   Augen gen Himmel gerichtet, lispelt es ihr Morgengebet voller seliger Andacht Der erste Morgen auf D;rken Hutor. Der erste Tag auf dem Lande in der Provinz, wie man‘s in der Stadt nennt Was h;tten ihre armen Freundinnen aus dem Gymnasium darum gegeben, einige Tage hier frei atmen und die sch;ne Gegend durchstreifen zu d;rfen! Wie wird sich mein Leben hier gestalten? Mit Nacht wehrte Klaudia allen tr;ben Gedanken, die sie immer wieder beschleichen wollten. Sie wollte mutig in die Zukunft schauen und gl;cklich sein. Sie hatte nun eine Lebensaufgabe, nein, deren zwei sogar! Die erste war, die ihr anvertrauten Kinder zu erziehen, und die zweie war er verstorbenen Mutter Verm;chtnis. In der peinlichsten Erf;llung dieses Aufhabens wollte sie ihr Gl;ck finden; sie wollte gl;cklich sein. Nun schlug ein wundersamer Gesang an ihr Ohr, erst dumpf, verworren, dann immer deutlicher, je mehr sich die S;nger n;herten. Dan Waldweg entlang kamen die Gutsknechte im langsamen Schritt von der Schwemme geritten und sangen ihre h;bschen, melancholischen, klein russischen Liedchen. Die Pferde spitzten die Ohren und lauschten den bekannten Weisen. Bei ihrem Nahen erhob sich ein Rabe kr;chzend von der Erde und schwebte schwerf;llig ;ber den Speicher dem nahen Walde zu. Ein junger zottiger Hofhund klaffte ihm nach und geb;rdete sich so drollig, da; Berni, der vom einen Knecht aufs Pferd gezogen worden war, in lautes Gel;chter ausbrach. Im Hofe wurde es lebendig. Vor allem konnte man Franzens Stimme unterscheiden. Sie kam dem fremden M;dchen wie  ein grollend heraufziehendes Gewitter vor. Franz hatte heute „seinen Tag“, was in der Regel wenigstens einmal w;chentlich vorkam, wo ihm dann jedermann bereitwilligst auswich, denn er schimpfte ;ber jeden und alles, und zwar in wenig gew;hlten Ausdr;cken russisch oder deutsch, je nach der Nationalit;t, der sein Opfer angeh;rte. ;ber Klaudias Gesicht huschte ein Schatten des Anmuts wegen der rohen Aufbr;che, mit denen Franz den k;stlichen Sonntagsfrieden st;rte. Schon wollte sie sich vom Fernster zur;ck ziehen, als sie Lenchen bemerkte, welches barfu;, im Unterr;cklein, mit einem m;chtigen Butterbrot in der Hand im Hof umher t;nzelte inmitten einer arggemischten Gesellschaft von Hunden, K;lbern, Ziegen, L;mmern, Ferkeln und Kaninchen; selbst der Esel trabte hinzu und neigte huldigend seine langen Ohren vor der Kleinen. „Guten Morgen, Herzchen!“ rief Klaudia zum Fenster hinaus, und in weniger als einer halben Minute umschlangen zwei ;rmchen ihren Nacken. Lena kniete auf dem Fensterbrett, herzte und k;;te ihre Lehrerin so heftig, da; diese sich ihrer kaum erwehren k;nnte. Darauf sprang sie wie ein Eichh;rnchen ins Zimmer und jauchzte ein ;ber das andere Mal: „Ich darf nicht mit! Ich darf nicht mit in die Kirch‘! Das ist fein, nich?“ Im Handumdrehen hatte sich aber das lachende Gesichtchen wieder verfinstert, und die F;;chen stampften trotzig den Fu;boden, „Die Tante Ida!“ hob sie nach kurzem Schweigen an, „alle Tage sind’s sie was Neues aus ich rei; gewi; noch mal auf vor ;rger. Die d.., wer die nur mal ausgefunden hat! Wenn die lieber schon lang mal tot w;r!“ „Hast schon mal ein M;rchen geh;rt?“ fragte Klaudia rasch.  Lena sch;ttelte verneinend den Kopf. „Gut“, fuhr die junge Lehrerin fort, „nachher erz;hl‘  ich dir eines, dort oben unter der Pauli eiche.“ „Ach, eine Geschichte? “  rief Lena, und aller Mi;mut war aus ihrem Gesicht verschwunden, denn Geschichten h;rte sie f;rs Leben gern, „aber nicht die vom ehrlichen Gmil,  die mag ich nicht mehr h;ren, oder die von den dummen kleinen M;dchen, welche nie zankten.“ „Nein, nein, ich will dir vom Tollpatsch erz;hlen, welcher sich im Wald verirrte und zu den Zwerglein kam.“ „Hui!“ versetzte Lena, „die ist gewi; Schauderhaft eine feine Geschichte, nich, Fr;ulein?“  Nun rief die Hausglocke zum Fr;hst;ck. Auf D;rkenshutor mu;te man p;nktlich sein. Dank Lenchens energischer Mithilfe war auch Klaudia bald fertig. Als unsere Freundinnen ins E;zimmer traten, sa;en s;mtliche Familienglieder schon um den Tisch, ein jedes auf seinem Platz. Jedes blickte schweigend vor sich nieder, nur Tante Ida warf den Versp;tenden einen recht unfreundlichen Blich zu.  Am oberen Ende der Tafel sa; der Hausvater vor der aufgeschlagenen Bibel, aus welcher er, nachdem vollst;ndige Ruhe eingetreten war, mit lauter, fester Stimme das f;r den Morgensegen gew;hlte Kapitel vorlas, worauf jedes mit gefalteten H;nden f;r sich sein stilles Morgengebet verrichtete. Zur Hausordnung geh;rte auch, da; w;hrend des Essens m;glichst wenig gesprochen wurde, und da; vor dem „Mahlzeit“  des Hausherrn niemand seinen Platz verlie;. So wer’s  immer gehalten worden im D;rkenhause, und niemandem fiel’s  ein, es anders machen zu wollen. D;rken Senior war heute ausnahmsweise „aufger;umt“, was sich auch alsbald allen Tischgenossen nat;rlich au;er Tante Ida mitteilte. Er erkundigte sich bei den Kindern, was sie die Nacht getr;umt h;tten  Berni hatte ihren Traum zu erz;hlen. Dann fragte er, wie ihnen die Sachen gefielen, welche er ihnen von der Reise mitgebracht h;tte. „Mir haben noch mal keine Sachen gesehen!“   sagte Berni und setzte dabei eine so kl;gliche Duldermiene auf, da; alle laut auflachten. Die Kinder durften sich die Geschenke sogleich aus Papas Stube holen, Auch nach dem Befinden der Gouvernante fragte D;rken, und was sie f;r Aussicht auf ihre beiden Z;glinge habe: mit Lena werde es wohl gehen, die habe der Fredenshoffer Schulmeister schon zwei Jahre bearbeitet,  aber bei Berni werde eine gut Rute mehr wirken als ein gut Wort. Klaudia war nicht der Meinung. Das inzwischen mit seinem Geschenk zur;ckgekehrte B;bchen  freundlich anblickend sagte sie; „Mir sieht der Berni danach aus, al ob er gut lernen und einmal ein ganzer Mann werden wird.“   „Bei einem M;dchen geh ich nicht in die Schul‘! “ fauchte der Angeredete trotzig heraus. Frau D;rken f;hlte etwas wie Genugtuung ;ber diesen Widerstand des Jungen. Hatten sie und Tante Ida es doch nicht fehlen lassen an Gegenvorstellungen und Gebrumme, als D;rken ihnen seinen Entschlu;, eine Gouvernante zu mieten, mitteilte und dazu noch eine Lutherische. Auch Ohm Peter war von ihnen zu Rat gezogen worden. Dieser aber hatte die Frauen bald im Stich gelassen, nachdem er vom Fredenshoffer Lehrer erfahren, da;  die Lutheraner sich nur gar wenig von den Mennoniten unterscheiden, eigentlich nur, da; sie die  heilige Taufe an unverst;ndigen Kindern vollz;gen und den gottlosen Krieg mitmachten,  und da; all die sch;nen biblischen Geschichtsb;cher, Gesangbuchlieder und Predigtb;cher von Lutheranern gemacht w;ren. Und nach reiflicher ;berlegung hatte er zu den revolution;ren Weibern in sehr entschiedenem Ton gesagt: „Hat nicht Luther selbst uns die Bebel ;bersetzt? Und wir singen allsonnt;glich Lieder von frommen Dichtern dieser Lehre! Unsere Kinder in der Schule lernen aus lutherischen B;chern. Zudem wei; Bruder D;rken gewi;, wem er seine Kinder anvertraut!“  Es war ein „gro;er“ Sonntag, d. h. ein Abendmahlsonntag, an dem Kinder und auch ungetaufte Erwachsene nicht mit in die Kirche d;rfen.  Mutter D;rken bat ihren Stiefsohn, doch auch mal zum Abendmahl zu fahren. Franz machte nur eine abwehrende Bewegung mit der Hand und schickte sich an, hinauszugehen. An der T;r aber vertrat der Vater ihm den Weg und sagte: „ Kind, besinne sich doch darauf, was du tust! Du verachtest deinen Glauben, auf den du vor zwei Jahren getauft worden bist:  den Glauben deiner V;ter, um welchen sie Hab und Blut darangegeben, trittst du roh mit F;;en. Besinne dich doch! Glaub‘  mir, das nimmt kein gutes End‘: statt der Kirche den Klub, statt der Bibel die Karten h;chstwahrscheinlich?“ „Wer hat in meinen H;nden je eine Karte gesehen?“  brauste Franz zornig auf und st;rzte hinaus, die T;r heftig ins Schlo; werfend. Nun ging’s  ans Fertignahen zur Kirchenfahrt. Lena huschte wie ein Wieselchen im Hause umher. Jedermann hatte sie n;tig, dieser rief und jener rief, vielleicht auch meistens nur, um das fr;hliche Ding ein weiteres Mal ins lachende Angesicht und in die blauen Augen zu blichen. Unverdrossen waltete sie ihres Amtes als Handlangerin bei Vater und Mutter und bei der grimmigen Tante Ida. Darauf lief sie in den Stall, befahl dem Kutscher einzuspannen und holte sich auch zugleich  den Berni, dessen Lieblingsplatz bei den Pferden war, um ihm in deinen neuen Matrosenanzug zu helfen. Frau D;rken ;bertraf sich heute in ihrem Sonntagsstaat. Sie blickte stolz, ach nein, das w;re eine S;nde gewesen , sie – blickte sehr gl;cklich unter ihrer gewaltigen Sonntagshaube neuester Fasson, mit breiten Seidenb;ndern in zierlicher Schleife unterm Kinn zusammengehalten, hervor, und der Sonntag Strahlte nicht nur aus dem gesunden Gesicht mit den tiefen Gr;bchen in den Wangen, sondern auch aus jeder Falte des schwarzen  Seidenkleides. Das sorgf;ltig zusammengelegte Taschentuch aus wei;em Batist in der Rechten , an deren Zeigesinger der goldene Trauring prangte, das Gesangbuch in der Linken, durchrauschte sie nochmals alle Zimmer, auch das Gouvernanten Zimmer, um nachzusehen, ob das Stuben M;dchen auch nirgends etwas „awgeswient (awgebrrutscht, oberfl;chlich eine Arbeit verrichten.) habe, was ihr bisweilen passierte. Herr D;rken sa; schon bei zehn Minuten im Obejaner (Federwagen mit hoher Lehne.) und wartete geduldig auf seine zweite H;lfte. Endlich erschien sie. Auf der Terrasse des Hauses stehend, rief sie mit weitschallender Stimme nach Jerinka, der Frau ;ber das „Federvieh“. Nach wiederholtem Rufen ert;nte irgendwo in der  Ferne ein gedehntes, dumpfes „Tschawo?“, und nach weiteren drei Minuten bog gem;chlich, lange Halme aus dem verzausten Haar zeihend, ein verschlafenes Weibsbild um die Stallecke und fragte m;rrisch noch dem Begehren der Wirtin. Der Kutscher hatte gro;e M;he, die ungeduldig stampfenden Rosse zu halten und rief der Jerinka w;tend zu: „So komm doch endlich n;her, du E …  in, du!“ Die unschuldige Ursache dieses Zwischenfalles war ein kleines K;ken, ein Sp;tling, das seine Mutter verloren und ;ngstlich schiepend im Hof umherirrte. In langen S;tzen scho; nun Jerinka hinter dem Fl;chtling her, um ihn einzufangen, und ruhte nicht, bis sie ihn, mit dem Fu; zerquetscht hatte. „Ach, du meine G;te, du T;lpel, du nichtsnutziger Strohhaken! Da steht das Brech (Balg.) und glotzt… rei; ihm doch den Kopf ab!“ keifte Frau D;rken. D;rken hatte bisher von allem, was hinter seinem R;cken vorging, keine Notiz genommen, als aber das Schelten kein Ende nehmen wollte, wandte er sich um und sagte unwillig: „Mutter, verdirb uns und den Leuten doch den sch;nen Sonntag nicht! Es ist auch h;chste Zeit, dass wir fahren. “  Die also Gema;regelte haspelte sich m;hsam in den Wagen und lie; sich scheltend und keuchend neben ihrem Gemahl ins Polster nieder, worauf sich das Gef;hrt in Bewegung setzte. Allein noch ein Hindernis trat ihnen im Hoftor entgegen in Gestalt eines jener Subjekte, die sich reisende Handwerksburschen nennen, von achtbaren Seiten aber nur Wolkenschieber tituliert werden. Als D;rken dem Burschen ins Gesicht sah, entf;rbe er sich. Er befahl sofort dem Kutscher zu halten, stieg aus und ging ihm entgehen. „Guten  Morgen, Schwager! Kr;chzte der Fremde, frech grinsend, und streckte ihm seine schmutzige Rechte entgegen, w;hrend die Linke mit sp;ttischer Geb;rde an den alten Zylinder griff. Ohne den Gru; zu erwidern zog D. das Portemonnaie aus der Tasche und entnahm demselben  einen Hundertrubelschein. Die Augen des verkommenen Menschen gl;nzten vor Begierde. Bevor D;rken ihm das Geld gab, sagte er mit eisiger Stimme: „Da; dich hier nie wieder jemand erblickt, h;rst du, Schurke?“  „Nie, ich schw;re es bei meiner Ehre!“ versicherte der Vagabund, den Schatz hastig verbergend. „Besser, bei den Hunden auf meiner ;konomie!“ verbesserte ihn D;rken drohend und entfernte sich, ohne ihn auch nur eines Blickes zu w;rdigen.
III
Es war so froh, so frei den beiden, dem gro;en und dem kleinen M;dchen, in Gottes herrlicher Natur. Die milde Morgensonne sandte ihnen freundliche Gr;;e zu. Ein prachtvoller Schmetterling flatterte vor ihnen her, sich bald auf die Erde, bald auf einen hervorragenden Zweig zu kurzer Rast niederlassend. Er gab der jungen Lehrerin Veranlassung, ;ber die wundersame Verwandlung dieses Tierchens zu sprechen. Und als er sich h;her und h;her in die Lust erhob, ;ber die B;ume hinweg, himmelan , da entsann sich Lena ihres n;chtlichen Traumes und schmiegte sich ;ngstlich an ihre Begleiterin. „Was ist dir, Herzchen?“ fragte diese teilnahmsvoll. „Nichts, nichts, Fr;ulein!“ „Doch, doch,  Putchen!“ Und Lenchen erz;hlte mit weinerlicher Stimm, die tr;nenfeuchte Augen unverwandt gen Himmel gerichtet: „Ich tr;umte diese Nacht, Franz scho; mich tot; da kamen die Englein und trugen mich durch die Luft davon, immer h;her und h;her, bis ich von euch nicht mehr sah und vom Hutor, und da sa; ich alle Tage im Himmel und weinte nach Hause und war immerfort traurig. Die Englein  waren freundlich mit mir; aber hinaus lie;en sie mich gar nicht. Nur eines Tages nachten sie die T;r auf, und da kam Papa herein. Nun war ich zum ersten Mal froh im Himmel “Klaudia aber umarmte die Kleine, tr;stete sie liebreich und k;;te ihr den Tr;bsinn aus den Augen. Nach wenigen Minuten standen sie Hand in Hand an der Malaja, unter den riesigen Weiden, den alten Veteranen, die sich wohl schon an die hundert Jahre in ihren klaren fluten spiegelten. Auf einem fast den Wasserspiegel ber;hrenden Ast sa; regungslos, halb im Laub versteckt, ein Russenknabe in roter Bluse und angelte Fische. „Ach, aber sch;n! Rief Klaudia auf das herrliche Panorama deutend, welches sich vor ihren Augen ausbreitete, „sieh doch nur her, Putchen, hier diese dicken, hohen B;ume, dann der Flu;, das gr;ne Ufer und als Hintergrund die bewaldete H;he, ich kann mir kaum etwa h;bscheres denken!“  „Das Knie ist noch sch;ner!“ Sagte Lenchen begl;ckt, wir m;ssen ;ber jenen Steg dort, und dann gehen wir am Ufer immer fort bis zum Knie. Da hat Paul Stufen graben und unter der Pauli eiche auch eine Bank zum ruhen machen lassen. Von der Eiche bis auf den Berg hinauf hat er eine Allee von Maulbeerhecken gepflanzt; das sieht aus wie ein langes gr;nes Gew;lbe. Und steil ist der Berg!“  „Warte noch ein bisschen, klein Lenchen!“bat Klaudia, „du sprichst von noch Sch;nerem, und ich kann mich hier nicht satt sehen!“ Aus den Baumwipfeln des jenseitigen Ufers erhob sich zankend und balgend ein Habichtspaar. Pl;tzlich fiel aus n;chster N;he ein Flintenschu;, und gelichzeitig st;rzten beide V;gel, sich im Fallen mehrmals ;berschlagend, ins Wasser. Klaudia erbleichte vor Schreck, Lena aber rief lachend: „Das war Franz!“  und setzte im vollen Lauf ;ber den schmalen Steg an das jenseitige Ufer, einem Haselbusch zu, ;ber welchem noch eine leichte Pulverwolke lagerte. „Len‘!  Rief Berni der Schwester aus dem Busche entgehen, „die Habichte scho; ich, ganz gewi;! Franz zielte und ich knallte los. Sahst die Bester?“ Lenchen nickte, ermahnte den kleinen Bruder, doch ja auf deinen Anzug acht zu geben, und wandte sich dann an Franz mit den Worten; „Wei;t du, was du uns sollst, Franz?“ „Etwa einen Ku; geben?“ „Ach, geh doch mit deinem Schnauzer! Ganz auf Ernst, bitte, bitte, Fr;nzchen!“ Na, was denn?“ „Sag erst; Ja!“ „Zum D….r, Ich mu; doch wissen, wozu!“ „Nachher hast doch wieder keine Zeit.“ „Nun, so h;r: Ja!“ „Wirst auch?“  fragte die Kleine beharrlich weiter. „Was ? Soll ich schw;ren? Wei;t du nicht, da; wir Mennoniten sind?“ Franz war aufgesprungen und gestikulierte mit beiden F;usten wild in der Luft umher. Als Lenchen erschreckt zur;cktrat, lachte der Bruder laut auf und fragte: „Was willst eigentlich, Putchen?“ „Kahn fahren!“ „Von Herzen gern, Sch;tzchen, augenblicklich.“ „Wir werden dich beim Badehaus erwarten, nich, Franz?“ „Wer, wir? Ist das Fr;ulein auch ...?“ Lenchen nickte geheimnisvoll und lief dann den Weg zur;ck, woher es gekommen.  Nach wenigen Minuten legte der Kahn an der verabredeten Stelle an, um die Passagiere einzunehmen. Lenchen sprang, den Strohhut in der Hand, in einem Satz ins Boot, wovon dieses bedenklich schaukelte. „Aber Kind, wie unvorsichtig!“ rief Klaudia, die H;nde entsetzt ineinander schlagen. „Nicht so toll, M;del!“ echote Franz mechanisch und half dann dem noch z;gernden Fr;ulein ins Boot steigen, welches nun im n;chsten Augenblick ger;uschlos unter den Weiden dahinglitt. Lena verwaltete nicht ohne Geschick das Steuer. Vom jenseitigen Ufer scholl das vielstimmige Konzert der Waldbewohner her;ber. Dort Nisteten und sangen ungez;hlte Kr;hen, Elstern, Habichte, die unteren Stimmen bildend, Finken und Amseln, von einem ganzen Heer Meisen unterst;tzt, den Sopran, und dazwischen girrten Turteltauben ihren einf;rmigen Tenor. Den halben Weg bis zum Knie hatte unsere Gesellschaft schon zur;ckgelegt und noch sa; jedes schweigend da und hing seinen eigenen Gedanken nach, Endlich warf Franz einen verstohlenen Blick auf sein Gegen;ber. Er betrachtete das sch;ne M;dchen mit steigendem Wohlgefallen, wie es dasa;, die Augen tr;umerisch auf den Wald geheftet, als ob es ein geheimer Zauber gebannt h;tte. Jetzt brach ein zitternder Sonnenstrahl durchs Laub Dach, unter welchem sie dahinfuhren. Und um koste f;r einen Augenblick ihre liebliche Gestalt; nun fiel ihr ein Strahl gerade ins Gesicht. In Franzens Brust regte sich’s  wie ein l;ngt vergessener Traum aus der frohen,, unschuldigen Kindheit, Er sah sich als kleinen Knaben an der sanften Mutter Scho; stehen, deren Geschichten lauschend von sch;nen Englein, die Gott vom Himmel frommen Kindern sende zu Schutz und Wehr. Und so m;;ten diese aussehen, wie das M;dchen vor ihm, wenn’s  ;berhaupt welche g;be! Es w;re dazu angetan, alle Zweifel und den ganzen Trubel da tief, tief in seinem Innern immerfort st;rmend und knechtend zu l;sen und ihn gl;cklich zu machen.  „Tut’s Ihnen nicht leid um die armen V;glein, Herr D;rken? Unterbrach Klaudias melodische Stimme das Schweigen.  Franz setzte die Ruder tief ein, und dem Boot einen gewaltigen Schub gebend, sagte er: „Nein, Fr;ulein!  Den Habichten der Tod, denn sie vertilgen uns all die kleinen S;nger im Walde. ;brigens hat ihr Sch;ler geschossen; ein scharmanter J;gersmann kann aus ihm werden. “ Klaudia neigte sich ;ber Bord und fing einen vor;berschwimmenden Zweig auf, mit dem sie einige Male auf das Wasser klatschte, und sagte dann leise: „Ich denke, das B;blein wird noch einst Unheil anrichten; die Flinte geb;hrt dem Mann. Bitte, rechnen Sie mir  nicht als indiskret an, wenn ich Sie warne.  „Nun Sie da sind, “ versetzte Franz, einen Augenblick im Rudern anhaltend, „Trete ich Ihnen nat;rlich den Bengel ab, ‚s ist sowieso ein undankbares Gesch;ft mit dem. Als ich die Zentralschule in H. beendigt hatte, meinte die Alte, ich m;;te sofort Perfekt unterrichten k;nnen und qu;lte und qu;lte, bis ich’s mal versuchte.  Ich sage Ihnen, das war eine interessante Einleitungsstunde!“ Klaudia lachte hell auf und sagte; „Sie fingen wohl mit dem Kr;henballer an?“ „Ach was, wir kamen gar nicht bis zum Anfang: nach der zweiten Stunde wurde ich gn;digst verabschiedet, man fand, da; meine Unterrichtsmethode nicht ganz den gegenw;rtigen Anforderungen entsprach.“ „Also sie treten mir heute Ihre Rechte an Bernie ab?“ fragte Klaudia. „Hand drauf! Ich mische mich von nun an nie mehr in das Erziehungsgesch;ft, solange Sie da sind.“ Franz hielt die kleine wohlgeformte Hand der Lehrerin einen Augenblick in seiner derben Rechten. Dann  sagte er treuherzig; „Sie haben mich nat;rlich als den Hauptverderber  der B;lger erkannt. Vielleicht werden Sie mit der Zeit etwas gelinder urteilen!“ Klaudia err;tete verlegen und schwieg. Der Kahn bog um den letzten Vorsprung. „Das Knie! Das Knie!“  riefen Berni und Lena zugleich. Klaudia blickte mit Entz;cken auf das Bild, das sich vor ihren Augen entfaltete. „Das ist ja einfach gro;artig sch;n!“ Sagte sie, und an Franz gewandt; „Herr Kapit;n, Ihre Passagiere waren zu garstig, nicht wahr?  Nach Schifferbrauch m;ssen Sie uns daher aussetzen und unserem Schicksal ;berlassen!“  Franz hatte etwas anderes geplant, und nun dieser deutliche Wink!  Das Boot hielt am Knie, am Ziel des Ausflugs. Klaudia nickte dem unschl;ssigen Franz ein „Danke sch;n f;r die Freundlichkeit! Zu und stieg mit den Kindern aus Land, die Stufen zur Pauli eiche hinan. Oben wandte sie sich um, die Aussicht zu pr;fen. Franz blickte nochmals hinauf, der Platz aber, auf dem sie gestanden, war leer. Missmutig schickte er sich zur R;ckfahrt an. Mit einigen gewaltigen Ruderschl;gen brachte er das Boot in die Mitte des Flusses. Wieder legte er seine ganze Kraft ein, da fiel er pl;tzlich r;cklings in dem Kahn, denn ein ruder war seiner  Hand entglitten. Nun kam’s  ;ber ihn wie ein b;ser D;mon: die Stirnadern schwollen an, die Augen funkelten vor Wut und die Z;hne knirschten aufeinander. Unsinnig arbeitete er mit dem gebliebenen ruder drauf los, wie ein trotziger Knabe seine Wut an gef;hllosen Dingen ausl;;t. Das Boot umschrieb mehrere Kreise, es drohte jeden Augenblick umzust;rzen. Jetzt griff er das Ruder mit beiden H;nden und schleuderte es wild von sich ins Wasser. „Das hat mit ihrem Singen die Loreley getan!“ kr;chzte es in diesem Augenblick spotten aus dem Rohr des jenseitigen Ufers zu ihm her;ber. Franz l;;t sich vor Schreck nieder und starrt nach der Richtung, woher der grausige Gesang gekommen. Er blickt in ein frech grinsendes Gesicht, das ihn einen Augenblick nur aus dem Schilf anglotzt und dann mit einem widerlich h;mischen Lachen verschwindet.  „Welch ein Scheusal!“ Sagte Franz mit Grauen, nachdem er sich vom Schreck erholt hatte. Darauf neigte er sich ;ber Bord, sch;pfte in der hohlen Hand Wasser und k;hlte lange Stirn und Schl;fe. Dann brachte er das Boot durch einige geschickte Bewegungen vermittelst des Steuers an das Ufer, schlang die Kette um den Pfosten und ging langsamen Schrittes und mit schlotternden Knien ;ber die Buschwiese dem Hause zu. Und die Turteltauben sangen ihm ihr monotones Lied vor, so lange und beharrlich, bis ihm deuchte, sie s;ngen: Tru-tu-ruh, nurrr, nicht du … murrr, nicht du!
IV
Tage kommen und fliehen, den Fr;hlichen zu rasch und den Betr;bten nicht rasch genug, wie’s  unter der Sonne geschieht, seit M;tterchen Eva in den verbotenen Apfel gebissen. Und wie k;nnt es auch anders sein? Wer w;nschte sich nicht lieber eine lange als eine kurze Freude, ein kurzes als ein langes Weh? Gott verleih uns in Gnaden fr;hliche Tage! Nicht wahr, Ohm Peter? Ohm Peter aber sch;ttelt ernst sein wei;es Haupt und spricht: … „ein selig End‘, denn das ist das beste, was man w;nschen k;nnt!“  Ohm Peter ist ein origineller Mann, klein von Wuchs, korpulent und lebhaft, zeichnet sich weder durch tiefen Verstand noch durch Rednergabe aus, ja, kann nicht einmal ordentlich lesen und beherrscht die hochdeutsche Sprache nur sehr mangelhaft. Dennoch haben ihn seine Nachbarn zu ihrem Prediger gew;hlt, und das haben sie getan nur seines kindlichen Glaubens  und rechtschaffenen Wandels wegen. Und er ist sich der vollen Verantwortlichkeit seines Berufes bewu;t, heute so gut als vor  Drei;ig Jahren, als er ordiniert wurde. Seither ist er keinen Schritt vom Weg des Rechtes und der Wahrheit abgewichen, Treu und unverdrossen erf;llt er seine mitunter recht schweren Amtsplichten, obzwar die Wirtschaft darunter leidet, denn die Mennoniten zu Fredenshoff halten es f;r schriftwidrig, ihrem Prediger eine Unterst;tzung, etwa einen kleinen Jahresgehalt, zukommen zu lassen. In der Regel besucht Ohm Peter einmal w;chentlich seine „Geschwister in dem Herrn“ auf D;rkenshutor, denen er von Herzen zugetan ist: und wenn nur m;glich, begleitet ihn Stina, seine ehrenwerte Gattin.  Da gibt’s denn des Fragens und Erz;hlens immer viel und nimmt kein Ende, bis Ohm Peter sein abgelesenes Testament aus der Brusttasche zieht, ein „sch;nes Kapitel“ vorliest und ein herzliches Dankgebet spricht, worauf sich die Alten verabschieden, und der wohlbejahrte Schwei;fuchs vor dem schlichten Sitzleiterwagen sie wieder im ungezwungensten „Schlacker drebbel“ heimf;hrt. Sie sind immer gern gesehene G;ste auf D;rkenshutor; nur Franz hatte bisweilen seinen Spa; mit dem alten Manne. Und wenn dieser ihn dann mit seinen wenig sprechenden Augen anblickte, glaubte jener, er verstehe den Spott nicht. Franz wu;te nicht, da; Ohm Peter dabei gerade das empfand, was ein Mann im Silberhaar empfindet, wenn sich ein gr;ner Geck ;ber ihn lustig macht. Er ahnte auch nicht, da; Ohm Peter zuweilen sehr zornig ward in seinem Innern, und da; er sich dann immer schnell den Herrn Jesus ins Ged;chtnis rief, der nicht wiederschalt, da er gescholten wurde, Darin lag die besondere Kraft dieses Spa;igen Mannes. Der Hausherr hatte soeben durch das gebr;uchliche  „Mahlzeit“  die Mittagstafel aufgehoben, als sich die T;r ;ffnete und Ohm Peter auf der Schwelle des Speisezimmers erschien. Er musterte zuerst lustig mit den Augen blinzelnd die Tafelrunde und sagte dann schmunzelnd: „Ach, das hab ich mal abgepa;t! Ihr e;t schon. Bei uns wollen wir ;brigens bald vespern. Ja, das Essen! Das liebe Essen! Macht der Hausfrau immer so viel M;h und Kopfzerbrechens, und ‚s muss sein, Das hat der weise Sch;pfer so eingerichtet, damit wir so unser von ihm geschenktes Leben unterhalten!“  Nach dieser Einleitung begann die Begr;;ung: jedes bekam seinen Ku;, weder Alter noch Geschlecht kam in Betracht. Franz aber raunte Klaudia zu: „Rei;en Sie aus! Ohm Peter rasiert sich nur in vierzehn Tagen einmal!“ „Er wird doch nicht? “ fragte diese entsetzt zur;ck. Franz kopfnickte beteuernd, trat dann einige Schritte vor mit der Absicht, den Ohm ein paar Sekunden aufzuhalten, damit Klaudia Zeit gew;nne, zu entfliehen. Er streckte ihm die Rechte entgegen und neigte sich mit gespitzten Lippen zu ihm nieder. Ohm Peter aber machte keine „Anstalt2. Franz zu k;ssen, gab ihm die Hand und sagte kalt und kurz: „Schneid dir erst den gottlosen Schnurrbart ab, wie sich’s geziemt!“ Sodann mit seinem kurzen dicken Zeigefinger auf Klaudia deuten, sagte er: „Das ist denn auch die lutherische Lehrerin? Gott segne deinen Eingang und Ausgang!“ Klaudia neigte dankend das Haupt und bot dem treuherzigen Manne die Hand zum Gru;, worauf sie sich mit den Kindern aus dem Zimmer entfernte. Die gastfreie Hausfrau befahl, den roten Borschtsch geschwind ein bi;chen ans Feuer zu setzen, und freute sich dann, wie Ohm Peter sich daran labte. Der Hausherr aber lie; sich auch durch die Anwesenheit  des Gastes nicht in seinem gew;hnten Mittagsschl;fchen st;ren.  W;hrend des Essens unterhielten sich frau D;rken und Ohm Peter ;ber dieses und jenes von h;ben und dr;ben. Endlich fragte Letzterer, seine schrille Stimme etwas d;mpfend: „Ei, wie geht’s  mit der neuen Gouvernante? “  „So wie Ihr es vorausgesagt; Ohm!“ antwortete die Hausfrau vergn;glich, „ich dachte, es w;rde eine vornehme, stolze Dame sein, aber nichts von dem. Sie redet mich an, wo sie mich mur sieht, sie kommt in die K;che und Kammer, und ich mu; ihr alles zeigen und erkl;ren. Manchmal mu; ich geradezu „schmustern (L;cheln) dar;ber, wie wenig so eine aus der Stadt nur wei;, und dabei ist sie viel gelehrter als der Schulmeister von Fredenshoff. Gestern Abend schleudert dir das Kind einen ganzen gro;en Eimer Milch aus; sie war einfach nicht fortzukriegen von der Zentrifuge. Nachher hat sie gepust und gelacht: ein Strahl f;hrt auf die Erde und der andere in den ;rmel. Und was die Kinder nach ihr sind! Lena tr;umt sogar die Nacht von ihrer Freundin; sie reden sich einfach mit Du an. Meiner sagt, das schade nichts, so lang  die Kinder nicht grob werden. Mir kommt es aber doch ein bi;chen … ich wei; ja nicht… Nach dem Berni hat sie lange angeln m;ssen; der Jung wollt mal nichts von ihr wissen; er hat schon einige t;chtige Denkzettel bekommen. Von heut Morgen aber, denk ich, hat sie ihm. Sie hatte eine Henne aus dem Holz hervorkommen sehen und dann mit Berni zusammen den halben Holzsto; aufger;umt, um ans Nest zu kommen. Die Eier wurden in Bernis Hut gesammelt und mit Hallo hereingebracht, als ob das Haus gest;rmt sollte werden.“ „Erz;hlt sie auch mal von fr;her?“  unterbrach der Gast den Redestrom der Wirtin. „O ja, viel, “ versetzte diese, „sie spricht viel von ihrer verstorbenen Mutter und von einem gewissen Held, einem Pastor in Riga. Jeden“ Tag kommt sie mit Lena und Berni zur Hand. Arbeit auf eine Stunde rein. Manchmal liest sie uns aus einem Sch;nen Buch vor, und die Stunde ist in einem Nu vorbei. Vor Lichtanstecken spielt sie Klavier und singt. Das geht uns allen so sch;n, und die M;gde lassen ihre Arbeit liegen, horchen und schluchzen vor R;hrung. Auch Zuschneiden versteht sie; und wie mir das zupa; kommt!  Nein, nein, wenn meine Lena mal so eine Klaudia werden m;chte, so klug und so freundlich und so fromm, ich w;rde von Gl;ck reden!  Nun legte Ohm Peter den L;ffel beiseite, r;ckte seinen Stuhl etwas n;her und sagte bed;chtig; „Wer eine Mutter hat, der hat doch gemeinhin auch einen Vater oder wenigstens einen gehabt?“ Frau D;rken erkl;rte, das Fr;ulein selbst habe noch nie etwas von einem Vater gesprochen, und ihr Mann habe es verboten, zu  fragen.“ „Verboten, zu fragen? “ wiederholte Ohm Peter, „In Fredenshoff wird schon so allerhand dar;ber gemunkelt. Ich denke, es w;re besser, den b;sen Schein zu meiden. Ich f;r meine Person traue ja deinem Manne nichts B;ses zu, daf;r kenn‘  ich ihn schon zu lang als einen aufrichtigen J;nger Jesu; aber die Leute sind sehr verschieden geartet, und wenn sie nichts ;ber einen reden,, ist  manchmal besser, als wenn sie auch noch was Gutes reden und hie und da was fallen lassen. Sie haben mich schon Hott am D;stel gelehrt in den vielen Amtsjahren. Du mu;t einmal mit  Deinem dar;ber sprechen, ob ihm das gefallen wird, wenn da von einer. Lutherischen Cousine oder von einem Stromer Schwager geredet wird?  Und es Ohmsg;ng (Wenn Prediger gezwungen werden, sich in eine Sache einzumischen.) geben sollte?  Frau D;rken war sehr aufgebracht ;ber die b;sen Zungen und schalt die klatschs;chtigen Fredenshoffer, die etwas geradezu aus der Luft aufgriffen, um ein „Gerede“ daraus zu machen. Es w;rde schon am besten, nicht mehr nach Fredenshoff zu fahren. Ohm Peter sagte beruhigend, er habe ihr das nicht erz;hlt, um sie gegen die Fredenshoffer „aufzustacheln“ und zank zu stiften, sondern um ihr den wohlgemeinten Rat zu erteilen, dem Geklatsch die offene Wahrheit entgegenzuhalten und dasselbe dadurch totzumachen. Frau D;rken meinte jedoch erbost, das werde wohl die Warkentinsche aufgebracht haben, die habe „st;ndirlich“(St;ndlich, immer.) so ein glattes Maul, wenn’s  ;ber andere geht, aber das von ihrer Gret…, daran denke sie  niemals.“ Du, h;r mal!  rief sie erregt ihrem eintretenden Gatten zu, “die Fredenshoffer haben’s schon sehr drock mit dir!“ „Und das w;re?“ fragte D;rken g;hnend und lie; sich auf einen Stuhl neben seiner Frau nieder. „Eigentlich mit unserer Klaudia, wer doch wohl ihr Vater sei. Sie nennen das arme Kind schon nur, die lutherische Cousine.“ D;rken erbleichte, und seine buschigen Brauen zogen sich finster zusammen er schaute lange schweigend zum Fenster hinaus. Seine Gattin aber lie;  entsetzt die H;nde an den Seiten herabfallen; doch nur eine Sekunde lang w;hrte die Anfechtung, dann war die vertrauensvolle Seele wieder mit sich im klaren. Dem Ohm Peter fing‘s  an ungem;tlich zu werden, er  hustete einige Mal, wie er immer tat, wenn er etwas ganz  besonders Wichtiges hervorbringen wollte, und hob bes;nftigend an: „Ich sagte nur so zur Schwester, ob’s  nicht besser w;re zu handeln, wie geschrieben steht: Meidet allen b;sen Schein! Oder: Gebt nicht Raum dem L;sterer! Pr;fe dich, Bruder, an diesem Wort und handle dann, wie’s  recht ist vor Gott und Menschen!“ „Mu; ein J;nger Jesu denn alles an die gro;e Glocke h;ngen?“ grollte D;rken, „darf es nicht auch etwas geben, das er mit dem Meister ausmacht? “ „Kein Mu;! Kein Mu;, Bruder!“ eiferte der greise Prediger, „nur Gnade, pure Gnade! Das . Wort beratet‘  uns, wenn’s  jemand zu schwer wird unter der Anfechtung, sich einem lieben Bruder zu vertrauen, damit er ihm beten helfe nicht als Gnade, pure Gnade!“  „Gut denn, ihr Lieben, “  sagte D;rken entschlossen, „ich werde euch mein Geheimnis mitteilen, dass ich so viele Jahre mit mir herumgetragen, das mir so viel Frieden und ruhe geraubt. Vielleicht, da; es mir leichter wird, wenn’s herunter ist. Bewahret aber, was ihr h;ren werdet vorl;ufig wenigstens, in euren Herzen; ich glaube, ihr werdet sp;ter selbst finden, da; es am besten ist, ;ber die Sache zu schweigen. Wo die neugierigen Fredenshoffer ein St;ckchen von der Wahrheit geholt, daher sollen sie sich auch das ;brige holen.“ Frau D;rken legte beide H;nde auf ihres Mannes Knie und schaute ihm gl;ckselig ins ehrliche offene Gesicht. Er aber strich ihr ein Mal und noch einmal ;ber die runden Bachen mit den tiefen „Kulkes“ und hob an zu erz;hlen:
V
In meinem vierundzwanzigsten Lebensjahr unterhielt ich ein Verh;ltnis mit Marie B., Tochter des Besitzers von Wolfsrachen im P… schen Gouvernement, etwa drei Stunden von dem ehemaligen Landgut meiner Eltern gelegen. Das M;dchen wurde gemeiniglich von jedermann „de schmucke Marie“  genannt, und nicht mit Unrecht, denn ein h;bscheres Menschenkind konnte man schwer finden. Marie aber war sehr eitel auf ihre Sch;nheit  und gab dem Sch;pfer die Ehre nicht, gleich dem K;nig Nebukadnezar, da er auf dem Stuhl sa; und sprach: „Das ist die gro;e Babel, die ich gebaut habe durch meine gro;e Macht, zu Ehren meiner Herrlichkeit!“Ich befragte mich auch nicht erst mit Gott, denn ich kannte ihn noch nicht, sondern w;hlte nach meiner Augenlust. Der Gedanke schon, da; die „schmucke Marie“ mir vor all den vielen Bewerbern, unter denen manch eine bessere Partie zu finden gewesen w;re, den Vorzug gab, erf;llte mich mit stolzer Genugtuung, und den Verlobungstag durchlebte ich wie in einem schweren Sinnesrausch, aus dem ich nur den einen Gedanken mit   heraustrug: „Sie geh;rt mir!“ Der Mensch denkt, und Gott lenkt. Die etwa um zwei Jahre ;ltere Schwester Anna war gerade das Gegenteil der vielgefierten Marie, vor allem lange, lange nicht so sch;n und auch nicht so geistreich, aber stillen, sanften Gem;tes. Wer mit der lustigen Marie sprechen durfte, sah die bescheidene Anna nicht, also auch ich, Die Hochzeit sollte noch altem Brauch nach zweimaligem Aufgebot in der Kirche, also zwei Wochen nach der Verlobung stattfinden. In den letzten Tagen vor der Hochzeit war`s mir hie und da so vorgekommen, als ob die Anna mir etwas Heimliches zu sagen h;tte, aber wer h;tte dem n;rrischen Br;utigam etwas besseres sagen k;nnen als das nun so z;rtliche Br;utchen? Daher wich ich einem Alleinsein mit der ernsten, bleichen Anna beharrlich aus. Der Polterabends Tag brach an. Schon fr;h sa; ich im Sattel und ritt des Weges dahin, den mein kluger Traber mich schon so oft getragen. Etwa eine halbe Stunde von der ;konomie von Wolfsrachen bemerkte ich auf der Weidesteppe eine weibliche Gestalt gesenkten Hauptes langsam mir entgegenkommen. Bald hatte ich in der lustwandelnden die sanfte Anna erkannt und rief ihr fr;hlich zu: „Guten Morgen, Schw;gerin! Wie, so fr;h?“ Sie aber nickte nur mit dem Kopf und winkte mir, n;her zu kommen. Ich sprang aus dem Sattel und ging n;her. Aber als ich ihr nun in das Gesicht geschaut, trat ich unwillk;rlich einen Schritt zur;ck und fragte teilnehmend: „Aber Annchen, du bist krank, was schadet dir?“ Ohne zu antworten sah sie mir steif ins Auge und fragte leise, aber mit fester Stimme: „Franz, liebst du meine Schwester sehr und aufrichtig?“ Ich lie; es an Beteuerungen nicht fehlen und wich auch ihrem mich scharf pr;fenden Blick nicht aus. „Wenn du aber erfahren solltest, da; sie nicht aufrichtig w;re?“ „Solches sollte man mir erst ausreden!“ versetzte ich drohend. Unbeirrt fuhr das M;dchen fort: „Wenn ihr aber ein anderer, z.B. der Verwalter K;;ler, besser gefiele als du, und sie nur an ihn d;chte, auch … auch w;hrend sie dich k;;t?“ „Anna, rief ich nun ungeduldig, „was hast du eigentlich?  Morgen ist unsere Hochzeit, und kein K;;ler darf mir bis dahin ;ber den Weg und nachher erst recht nicht, ich wollt‘ es ihm raten!“ Anna schwieg etwas und blickte mich mit Wehmut und Mitleid an, dann sagte sie in demselben leisen, aber festen Ton: „Franz, Marie heiratet dich nur, um… verstehst nicht?“ Ich sch;ttelte den Kopf. „ Nur, um sich… zu retten: verstehst du, was das bedeutet? … Marie ist… verloren f;r dich… und f;r mich!“  Nach diesen Worten hielt der Erz;hler eine Minute inne, strich einige Male mit der Hand ;ber Stirn und Gesicht und fuhr dann fort: „Ihr Lieben, das war ein Schlag f;r den leichtfertigen Burschen. Mein gekr;nkter Ehrgeiz ging bald in bitteren Ha; und Neid ;ber, welcher von da ab mein ganzes Sinnen und Denken gefangen hielt. Mein Sohn Franz hat meinen nat;rlichen Charakter geerbt, einen gef;hrlichen Charakter; g;be Gott, er k;me bald auf den rechten Weg der Mannheit und des Glaubens! Schon am n;chsten Tag verbreitete sich das Ger;cht, Marie sei mit ihrem Verf;hrer spurlos verschwunden, und eine bedeutende Summe Geldes war mitgegangen. Das gab  nat;rlich eine furchtbare Aufregung in der ganzen Umgebung, denn niemand wollte entsinnen, da; jemals auch nur eine mennonitische Jungfrau sich so weggeworfen h;tte. Der alte B., der bisher durch eine ;berschwengliche Liebe, eine richtige Affenliebe, f;r seine h;bsche Tochter nicht das wenigste zu  ihrer Verderbtheit beigetragen, war nun au;er sich vor Zorn. Vor allem mu;te die Mi;ratene notariell enterbt und die Anna als einzige Erben eingesetzt werden. Ich wurde allerseits aufs tiefste bedauert, K;mmerte mich aber wenig darum, was die Leute mir sagten, sondern Schmiedete f;r mich allein meine Rachepl;ne. Gott lie; es nicht zu, da; ich in dieser Zeit meinem Rivalen begegnete, anders w;re ich jetzt sehr wahrscheinlich, das Gewissen mit einem Mord belastet, in den trostlosen Erdwerken Sibiriens. Nach zwei Fahren gab ich alle Hoffnung, den K;;ler zu finden, auf, doch die Rache nicht. Ein b;ser Geist hatte mir einen anderen, einem sicheren Weg zum Teil zu gelangen, eingefl;stert. Ich sagte mir, da; K;;ler, der als Trunkenbold und Kartenspieler bekannt war , nicht viele Jahre mit dem Gestohlenen auskommen wird, und da; er, der schon in seiner letzten Stellung als Verwalter sich durch seine Unzuverl;ssigkeit und Tr;gheit ganz unm;glich gemacht habe, ;ber kurz oder lang mit der „schmocken Marie“ in Armut und Elend geraten m;sse. Um ihnen nun den letzten und einzigen Weg der Unterst;tzung abzuschneiden, m;sse ich die Anna heiraten. Das Bubenst;ck gelang, ich heiratete die sanfte Anna aus Rache gegen die „schmocke Marie“. Nun flossen dem Erz;hler die Tr;nen reichlich aus den Augen, und seine Stimme bebte, als er die Erz;hlung fortsetzte. Der liebe Gott lie; auf diese nichtsw;rdige Handlung eine mehr als zehn Jahre w;hrende gl;ckliche Ehe folgen. Er schenkte uns den Paul, das Ebenbild seiner Mutter, und zirka ein und ein halbes Jahr sp;ter den Franz. Danach ist sie nie mehr ganz gesund geworden … und der Herr rief sie endlich ab, die treue, sanfte Anna… Weder die G;te noch die Strafe Gottes hatten mich gedem;tigt. Reich und jung, h;tte ich mit leichter M;he eine zweite Ehe eingehen k;nnen, aber mein gottloser Sinn hing zuerst versteckt nur bald aber in leidenschaftlicher Liebe, dann wieder in gl;hender Nachsucht der „schmocken Marie“ nach. Wieder begann ich, wie vor Jahren, eifrig nach ihr zu forschen; es schien aber, als w;re sie in die Erde versunken. Ich scheute weder M;he noch Geld, um die Verschwundene aufzufinden. Und ich fand sie, aber wie? Verlassen, arm, elend und gebrochen mit einem vier bis f;nfj;hrigen T;chterlein. Sie ern;hrte sich k;mmerlich mit Spetzenh;feln. Es war ein bitterkalter Wintertag, als ich nach K. kam, wo sich die Ungl;ckliche ein kleines St;bchen im Erdgescho; eines elenden Hauses gemietet hatte. Ich lie; mich abends an ihr Fenster f;hren. Da stand ich lange, in den warmen Wolfspelz geh;llt, vor dem kleinen Fensterlein mit den halbblinden Scheiben und lottrigen Laden und schaute in das durstige, von einer kleinen Qaulmlampe sp;rlich erhellte St;bchen. Das ist also die „schmocke Marie?“sachte ich in teuflischer Freude vor mich hin. In das fr;her so h;bsche Gesicht hatten Gram und Elend ihre Stempel gedr;ckt, und die Lippen, welche ich so oft leidenschaftlich gek;;t, bedeckten kaum mehr die Z;hne. Vor der ungl;cklichen, auf einem rohgezimmerten Tisch, sa; ihr Kind, das Kind meines Todfeindes, im d;nnen verwaschenen Kattunkleidchen und zitterte vor Frost, da; Gott erbarm! Nun hatte ich genug, ich war befriedigt und reiste heim, in mein pr;chtiges, warmes Heim. Das mehr als zur H;lfte aus dem Vaterhaus jener Armen mir in den Scho; gefallen war. Nun wollte ich heiraten, nun konnte ich ruhig und gl;cklich sein. Der Mensch denkt, und Gott lenkt. Wei;t du. Frau, was mich an unserem Hochzeitstage so verstimmte?  Erinnerst dich vielleicht noch daran, wie du in mich drangst, dir die Ursache davon mitzuteilen?“ Frau D;rken erinnerte sich ganz genau, als ob’s  erst gestern geschehen w;re. „Sieh, das war der Trautext, den Ohm Peter gew;hlt.“Ohm Peter konnte sich nicht auf jenen Text besinnen, auch Frau D;rken nicht. „Irret euch nicht, Gott l;;t sein nicht spotten, was der Mensch s;et, das wird er ernten.“ So lautete der Text. Der kam dem Ohm jetzt doch fast etwas unpassend f;r eine Traurede vor, aber D;rken fuhr fort: „Jedes dieser Worte traf mich wie  ein Donnerschlag. Diese Worte waren die Ursache zu meiner Umkehr, Die Not der ungl;cklichen Marie, von der ich mir Ruhe und Frieden versprochen, wurde nun nach Gottes Ratschluss f;r mich eine Ursache zur steten Unruhe und vielem Unfrieden. Ich reiste sofort nach N. um mein Unrecht an den Armen gutzumachen. Wieder stand ich vor dem kleinen Fenster, aber um den Tisch, an welchem damals Marie mit dem Kinde gesessen , lungerten nun drei lustige Kumpane beim Karten Spiel. Auch konnte mir niemand sagen, wohin die fr;here Mieterin mit dem Kind gegangen war. Ich lie;  das ganze St;dtchen absuchen vergebens, keine Spur von der Gesuchten. Meine Angst wuchs von Tag zu Tag, und des Nachts standen sie im Traum vor mir, h;nderingend, hungernd, frierend ober sterbend. Ich kam mir vor wie ein gemeiner  Dieb und M;rder. Weder Zeitungen noch Polizei hatten Erfolg, trotzdem ich am Lohn nicht kargte, und ich verzagte schier. Endlich wurden meine vielen Gebete erh;rt. Ich a; in einem Gasthause in Odessa zu Mittag. W;hrend des Essens unterhielt ich mich mit meinem Tischnachbar, einem Deutschen aus Riga. Dieser Mann nun hatte auf dem Tisch die Nummer eines Rigaer Tageblattes liegen lassen,  welch ich aus Langeweile durchsah. Pl;tzlich fesselte mein Auge eine mit Pastor Held unterzeichnete Annonce folgenden Inhalts: „Eine ungl;ckliche Frau mit Kind bittet um Auftr;ge in Spitzen usw. usw. Name der Stra;e und Hausnummer.“ Das sind sie! War mein erster Gedanke, und mit fieberhafter Eile machte ich mich fertig, um mit dem Eilzug nach Riga abzufahren. Ich hatte mich nicht get;uscht. Von Herrn Held erfuhr ich alles, was ich ;ber die Vermi;ten zu wissen w;nschte. Der greise, menschenfreundliche Mann fl;;te mir Zutrauen ein, und ich erz;hlte ihm kurz, da; die arme Frau meine gefallene und vom Vater versto;ene Schw;gerin sei, teilte ihm auch meinen Entschlu; mit, die Ungl;ckliche  heimzuholen und ihr den Teil der G;ter zur;ckzuerstatten, der ihr nach dem Tode des Vaters zugefallen w;re. Pastor Held h;rte mir aufmerksam zu, dann erz;hlte er, wie er die ;rmsten gefunden. Es hatte ein arges Schneegest;ber geweht, als er zu einem Sterbenden gerufen worden sei, der das heilige Nachtmahl verlangte. Auf dem R;ckwege habe er die halberstarrte Mutter und Tochter in einem Hoftor zusammengekauert gefunden und sie ins Haus genommen. Sie habe ihm erz;hlt, da; ihr Mann K;;ler hei;e und Mutter und Kind sitzen gelassen, weil er ein w;ster Mensch sei. Darauf gab er mir den Rat, meinen Entschlu; in betreff der Schw;gerin nicht auszuf;hren, da dieser R;;ler noch lebe und die Verlassene heute noch mit allen Fasern ihres Herzens an ihm hange, und er sie bald um Haus und Hof bringen w;rde. Das war mir einleuchtend, und ich bat den lieben Greis um Rat. Dieser aber meinte, man m;sse eine so wichtige Sache nicht ;bereilen und lud mich ein, bei ihm zu ;bernachten, am  anderen Tage  werde er mir dann seinen Vorschlag mitteilen. Ich habe in jener Nacht wenig geschlafen vor Erregung und spazierte schon fr;h in dem kleinen G;rtchen neben dem Pastorat auf und ab. Endlich kam auch Herr Held heraus. Nach der Begr;;ung zog er mich auf eine Bank nieder und sagte ohne Umschweife: „Mein lieber Bruder in Christo, der Glaube ohne Werke ist tot, und der Heiland sagt: An den Fr;chten sollt ihr sie erkennen! Aber es bleibt ein schweres Vorhaben, das Sie mir gestern andeuteten! Mein Vorschlag erfordert viel aufopfernde Liebe Ihrerseits, dem Kinde jenes Mannes gegen;ber. “ Ich sagte, mein Herz empf;nde jetzt nur herzliches Erbarmen mit den Ungl;cklichen. Und mein Entschlu;, gr;ndlich zu helfen, stehe fest, nur w;nsche ich seinen Rat, wie am besten zu handeln sei, damit mein Werk kein Pfuschwerk werde. „Durch den R;;ler?“ nickte der alte Mann eifrig. „Das ist richtig, und mein Vorschlag w;re dieser: Sie unterst;tzen Ihre ungl;ckliche Schw;gerin von Haus aus. Um ein anst;ndiges Leben f;hren zu k;nnen, wird sie etwa zweitausend Rubel j;hrlich brauchen, mit eingerechnet die Erziehung der Tochter. Diese Summe lassen sie ihr zukommen, denn schwerlich wird sie sich entschlie;en , in ihre Heimat zur;ckzukehren; ich m;sste mich sehr t;uschen! Und dann lassen Sie die kleine liebliche Klaudia miterben, d. h. mit Ihren Knaben aus erster Ehe. Soweit w;re die Sache bei Ihren Verh;ltnissen noch leidlich gutzumachen, aber wenn ihre kr;nkelnde Mutter gestorben sein wird, was nicht lange dauern d;rfte? Wenn ich davongehe? Dann, Bruder, beginnt Ihr Opfer. Vor allen Dingen aber wollen wir das tiefste Geheimnis ;ber die Geschichte bewahren! Gott der Herr erleuchte und st;rke Sie! Das soll mein t;glich Gebet sein.“ Ich war vollst;ndig einverstanden und reiste leichten Herzens heim. Zwei oder dreimal j;hrlich erhielt ich seither ausf;hrlichen Bericht ;ber meine Sch;tzlinge, und es d;nkte mir jedes Mal ein unverdientes Gl;ck zu sein, die Tr;nen der Armen zu trocknen und meine gro;e Schuld abzutragen. Klaudia, unsere Lehrerin, durfte ein gutes Gymnasium besuchen und sich auf den Lehrerinnenberuf vorbereiten. Sie hat diesen Fr;hling die Anstalt mit der goldenen Medaille beendigt. Alles ging gut. Da erhielt ich etwa vor zwei und einem halben bis drei Monaten die Trauerkunde von Herrn Held, da; die Mutter verschieden sei … die „Schmocke Marie “  schreibt er, ist im Herrn entschlafen, auch ich gehe bald heim, heim… Was soll’s  mit dem Kind? Das ;brige wi;t ihr, meine Lieben. Klaudia ist also wirklich Pauls und Franzens Lutherische Cousine, und der Stromer R;;ler mein Schwager. Zwei Kinder, welche der wilden Ehe entstammten, sind schon vor Klaudias Geburt gestorben, und ich freue mich, nun ich wei;, da; die eitle Marie Vergebung im Blute Jesu gefunden und nach ihrem freudlosen, schmachvollen Erdenleben in ewiger Freude und Herrlichkeit mit ihren Vorangegangenen sein wird. Solches ist nun meine Genugtuung; ihre Klaudia soll unsere Tochter sein, gleich wie Lena, nicht wahr, Frauchen?“ Frau D;rken hatte w;hrend der Erz;hllung ihr Taschentuch mit viel Tr;nen genetzt. Sie blickte nun mit noch viel gr;;erer Hochachtung zu ihrem Manne auf. Auch Ohm Peter war tief bewegt und sagte: „So f;hrt der Herr seine Leute oft tief hinab und bringt sie dann wieder herauf, wenn’s  ihm scheint, es k;nnt‘ schon geholfen haben. Gott verleih uns einst ein selig End‘, denn das ist das best. ‘,  was man w;nschen k;nnt‘!“
VI.
Es ist Samstagabend. In der einzigen m;glichen Gastwirtschaft zu Tschertolupowka hat sich eine ;beraus heitere Herrengesellschaft versammelt, die „Kirche der Gottlosen“, wie Herr D;rken Senior diese Zusammenk;nfte nannte. Alle sind im schwarzen Frack nach der alten Klubregel erschienen. Um 9 Uhr wird ein Imbi; genommen. Bestehend aus Butterbroten mit kaltem Aufschnitt, gesottenen Eiern, Wurst, Heringen, Gardinen, Kaviar, ;l beeren usw. usw., wozu  unter allerlei Scherz und Kurzweil zahllose Schn;ppchen  „gel;scht“ werden. W;hrend die Herren essen und trinken, schwatzen und lachen, betrachten wir uns mit Mu;e einige der hervorragendsten unter ihnen. Dort, am oberen Ende der Tafel, sitzt der enorm reiche Kaufmann Rosenthal. Ein steifer Kleinb;rger im tadellosen Kost;m, dem jederzeit starkes Parf;m einstr;mt. Die ;lteren Fredenshoffer haben den Vater dieses Mannes recht wohl gekannt, wie er anf;nglich im sch;bigen Anzug einen schweren Holzkasten auf dem R;cken von Haus zu Haus gekeucht und allerlei Kleinigkeiten gehandelt hat. Dann ist er von Jahr zu Jahr reicher geworden, und zwar durch Spekulationen mancherlei Art, haupts;chlich aber durch geheimen Branntweinhandel. Rosenthal Junior spricht sehr ;berzeugungsvoll und eingehend, dazu sehr korrekt russisch, viel zu korrekt, als da; man in ihm nicht sofort den Juden wettern sollte. Er unterh;lt   sich mit seinem Tischnachbar, dem einzigen Klubisten in Uniform, deren zweimal gesternte Achselpl;ttchen und rote Nahtstreifen im blauen Beinkleid den Polizeipristaw verraten. Haikin, so hei; der pristaw, ist ein leidenschaftlicher J;ger. Die „verfluchten „W;lfe. “  „Nicht wahr, Franz Franzowitsch? “ rief er lachend ;ber die Tafel hinweg,  „wann geht’s los?“ „Morgen, Markian Tierentjewitsch!“ versetzte D;rken vom anderen Ende der Tafel. Haikin aber erhob drohend den Zeigefinger und fragte scherzend: „Oj! In der, Kutuska sind wir schon mal gewesen, ha?  Meine Straschniki haben einen scharfen Instinkt.“ „Was gilt’s  meine Dianka ist sch;rfer!“  „Dianka? Ist der Jagdhund schon angekommen?“ forschte Haikin neugierig.  „Freilich ist er, und ein Hund, Markian Tjerentjewitsch! Hebt sich wie der Wind! Hab auch ;hnliches bisher nicht gesehen.“ Haikins Interesse war aufs h;chste angeregt, Teller nebst Gabel und Messer ergreifend, verlie; er seinen bisherigen Platz neben  dem langweilegen Rosenthal und setzte sich zu seinem Jagdgenossen D;rken, Bald ist er auch im Fahrwasser. Den beiden Jagdliebhabern zun;chst sitzt der alte Feldscher Timofeiew, ein F;nfziger im roten, schlecht gepflegten Vollbart, auf der breiten St;lpnase das unentbehrliche Pincenez, hinter welchen jederzeit zwei lebendigen ;ugelein auf der Lauer siegen. Timofeijew war aller Liebling, treuherzig und human gegen jedermann, selbst gegen die Juden, dazu voller Schnurren und lustiger Einf;lle. Haikins Begeisterung w;chst von Minute zu Minute, in demselben Ma; verst;rkt sich auch seine Stimme und vermehrt sich verschiedene Kraftausdr;cke, und sein erz;hlen artet endlich in ein fast ununterbrochenes, weinseliges Beteuern, Schw;ren und Fluchen aus. Die Tafelgenossen schauen bedenklich vor sich in die Teller; dann schielt einer nach des anderen Augen und lieft aus ihnen, was er eben selbst denkt, n;mlich: „Das kann heute sch;n werden … sintemal es noch nicht die zehnte Stunde ist.“  Die Situation f;ngt an, ungem;tlich zu werden, da dr;hnt pl;tzlich ein f;rchterliches, gedehntes G;hnen durchs Zimmer. Niemand zweifelt auch nur einen Augenblick daran, da; Timofeiew dasselbe produziert habe, und die Gesellschaft bricht in ein homerisches Gel;chter aus, worin auch Haikin endlich, nachdem er sich vom Schreck erholt und dem Feldscher dieses und jenes gew;nscht hatte, kr;ftig mit einstimmt. Nun zogen die Herren sich in den Saal zur;ck und setzten sich reckend, mit der Zunge schnalzend oder die Finger knackend um die Tische zum Kartenspiel. Manch gelungener Witz wurde noch an Timofeiews Adresse vom Stapel gelassen, bis endlich das Spiel die volle Aufmerksamkeit der Spieler in Anspruch nahm  und ruhe eintrat, die nur ab und an durch den Klang einer auf den Tisch geworfenen M;nze oder durch ein „Pa;“.  „Remis“. „Duj! Usw. unterbrochen wurde. Franz D;rken spielt nicht Karten, nicht, da; er es wie seine Glaubensgenossen f;r S;nde h;lt, sondern weil das Spielen ihn langweilt. Der alte Timofejew spielt grunds;tzlich nicht. Beide setzen sich dann an einen etwas abseits stehenden Tisch und unterhalten sich beim Glase Bier mit halblauter Stimme ;ber allerlei Tagesneuigkeiten und Zeitungsberichte, verlassen auch in der Regel den Klub um einige Stunden fr;her als die ;brigen. An diesem Abend wollte das Gespr;ch zwischen den beiden Nichtspielern gar nicht in Fluss kommen. D;rken war auff;llig schweigsam und zerstreut; er schielte h;ufig nach dem n;chsten Tisch hin;ber, als ob er das Spiel verfolge, und maltr;tierte dabei entsetzlich seinen langen Schnauzer. „“Zum H….r. wo gab‘  ich die Fratze gesehen?“ brummte er halblaut vor sich hin. „Welche Fratze?“ fragte der Feldscher leise.  „jenen, wie stellte man ihn doch vor … Ro;… Ro;dieb… R;;ler?“ Timosejew erkl;rte mit noch mehr ged;mpfter Stimme: „Das ist ein Landsmann von Ihnen, ein Deutscher, hei;t nat;rlich Karl Iwanowitsch, ist ein amerikanischer General marchent, besucht die Pl;tze seiner Jugend. Fr;her ist er auf einem gro;en Landgut im S;den Verwalter gewesen und hat sp;ter in Amerika sein Gl;ck gemacht. Um seine Fratze mag der T … ihn neiden, aber sehen Sie mal seine Manieren und sein Auftreten, ein vollst;ndiger Gro;st;dter. Und wie hoch er spielt, unseren Tschertolupower Aristokraten bricht jederzeit der Angstschwei;  aus allen Poren, wenn`s   angeht, aber sie kriechen Abend f;r Abend und bringen ihn den sauer verdienten Monatslohn. Wem nicht zu raten, dem ist auch nicht zu helfen! “  Franz  rieb sich die Stirn mit der Hand, und den Blick unverwandt auf R;;ler gerichtet, sagte er halblaut: „Das versteh ich nicht!“  „Was verstehen Sie nicht?“  fragte Timofejew verwundert. „Der Kerl spielt falsch.“ „Was Sie sagen?“  „Beobachten Sie ihn nur aufmerksam, wenn er die Karten mischt!“ R;;ler hatte wohl bemerkt, da;  man ihn beobachtete und richtete sich darauf ein. In der scheinbar besten Laune von der Welt schob er Haikin einen ziemliche Summe hin, die er nun an demselben verloren, und kr;chzte pl;tzlich ;ber den ganzen Saal hinaus: „“das hat mit ihrem Singen die Loreley getan!“  Sei es der deutschen Weise oder der h;;lichen Stimme wegen, genug, die Gesellschart brach in ein br;llendes, anhaltendes Gel;chter aus. Wie von einer Natter gestochen war Frantz aufgesprungen und n;herte sich dem Fremden mit geballten F;usten. Doch dieser war f;r alle F;lle gewappnet. Sich tief verneigend, rief er mit lauter Stimme dem Herannahenden entgegen: „Ach, Franz Franzowitsch, was aus dem kleinen B;blein ein Mann geworden! Alte Bekannte, alte Bekannte, freilich, einseitige Bekanntschaft!“ Darauf sagte er unter lautem Gel;chter in deutscher Sprache; „Bin der leibhastige Vater ihrer Lehrerin; ihrer Flamme, was? Xhi, chi, chi!“ Franz erbleichte. „Nun, nun, mein Sohn, Jugend hat deine Tugend!  Meinen v;terlichen Segen, junger Mann! Chi chi, chi! V;terlicher Segen baut den Kindern H;user, und umgekehrt, chi, chi, chi!“ Mit diesen Worten schob er seinen Arm in Franzens und f;hrte den Verdutzten und ;berrumpelten ins B;fettzimmer. Bevor sie die Schwelle ;berschritten, wandte R;;ler sich nach dem Spielgenossen um und sagte gleichm;tig lachend: „Bitte, meine Herren, entschuldigen Sie uns einen Augenblick, wir haben ein Sekret miteinander ein kleines Duell, aber ich versichere Sie, ohne Pistole und Degen, chi, chi, chi!“;ber D;rkenchutor lagerte tiefer Nachtsfieden. Hoch in der Luft hing das Silberhorn des Mondes, an dem sichte W;lkchen gravit;tisch vor;berzogen. Die ersten leichten Nebel von fahlem Mondlicht durchwirkt, entstiege der er k;hlenden Erde. Die H;hne begannen zu kr;hen. Klaudia hatte einen langen Brief beendigt und ihrem v;terlichen Freund ihre Herzensgedanken erz;hlt unter vielen Tr;nen der Sehnsucht. Jetzt ;ffnete sie das Fenster und lie; mit behagen die k;hle Nachtluft ;ber die gl;hende Stirn f;cheln. Kaum jedoch hatte sich das Auge etwas an das Halbdunkel drau;en gew;hnt, als sie mit einem Schrei des Entsetzens zur;ckfuhr. Wenige Schritte   von ihr hielt regungslos wie eine Statue ein Reiter hoch zu Ro;.  „Erschrecken Sie nicht, Fr;ulein!“  bat eine bekannte Stimme, „ich komme soeben aus dem Klub… Ich habe… habe.. Ihren Vater… ich bin...“ „Sie sind betrunken, Herr!“ unterbrach ihn Klaudia emp;rt  und schlo; das Fenster. „O, welche Rohheit! S;;er Vatername! O heiliges Wort, d;rft ich einmal nur, wie andere Kinder…! Vater, Vater, was hast du gemacht aus mir, du Ungl;ckseliger! Unverwischliche Schmach ist das Verm;chtnis deiner Tochter, und ein zweckloses Dasein! W;ge dir Gott vergeben, was du an M;tterchen und an mir ;bel gehandelt hast… Komm doch wieder! Vielleicht bist du mehr ungl;cklich als schlecht? Ich wollte dich hegen und pflegen und um dich sein! Sei wieder gut! Will ich dich alle Tage bitten, bis du ein guter Mensch bist wie Herr D;rken und die anderen M;nner alle, bis ich dich dir selbst abgerungen habe … wenn du alt und krank wirst, wer wird dich pflegen?  Wer wird dir den Morgenschuh bringen! … O, d;rft ich nur ein einziges Mal Vater sagen!  So wehklagten h;nderingend die Maise vor dem Bilde ihres ehrvergessenen Vaters, welches ihr die sterbende Mutter mitsamt dem traurigen Geheimnis ;bergeben. Und solches waren ihre letzten Worte gewesen; „Mein armes, armes M;dchen, ich gehe nun hin;ber zu meinem Heiland, de  auch mich erkauft und erl;st hat. Wenn du in deinem Leben dem Manne begegnest, so sage ihm dieses; Deine Mari hat dir alles von Herzen vergeben um  Christi wissen! Wenn er vor deine T;r kommen wird, elend und gebrochen, versto; ihn nicht, den Ungl;cklichen, hilf ihn zu Recht!  Vielleicht vermachst du seinen b;sen Sinn zu brechen. Was mir nicht gelungen ist! Und der Allm;chtige segne und beh;te dich“. Dann war sie friedlich hin;bergeschlummert. Klaudia aber bewegte der Mutter Worte in ihrem Herzen von Stund an; doch hatte sie bisher auch nicht das Geringste von dem Manne geh;rt, dem sie das Wort von Vergebung ;bermitteln sollte. 
VII.
Am folgenden Morgen hatte Franz eine lange Unterredung mit seinem Vater. Er erz;hlte ihm seine Begegnung mit R;;ler und  teilte ihm auch dessen festen Entschlu; mit, seine „Rechte auf Klaudia“  geltend zu machen. Der Vater h;re ihn ruhig an. Dann sch;ttelte er den Kopf und sagte: „R;;ler hat keine Anspr;che auf Klaudia, d. h. auf ihr Erbe, denn darauf hat er’s nat;rlich nur abgesehen. Das wirft du begreifen, Franz,  wenn ich dich mit dem wahren Sachverhalt werde bekannt gemacht haben.“  Nun erz;hlte er dem erstaunten Sohn in kurzen, einfachen Z;gen das, was wir ;ber Klaudias Herkunft schon wissen, verschwieg ihn auch nicht, da; ihre Mutter einst seine Verlobte Braut gewesen sei und schlo; mit den Worten: „Dein Gro;vater hat Tante Marie enterbt und deine Mutter als einzige Erbin eingesetzt; die Schrift das Dokument liegt dort im Schreibtisch: Ich denke; nachdem du nun Klaudias trauriges Geschick erfahren hast, wirst du keinen Protest erheben, wenn ich das arme M;dchen adoptier und ihm einen Namen und ein Heim biete, d. h. einen kleinen Teil von dem, das ihm eigentlich doch geh;rt, zur;ckerstatte, um so mehr, da das im ersten Zorn abgefasste Testament sicherlich nur dank dem pl;tzlichen Tode des Gro;vaters bis heute in Kraft geblieben ist!“ Franz werde voll und ganz damit einverstanden. Der Vater dr;ckte ihm warm die Hand und fuhr fort: „Was beginnen wir aber, um den Verworfenen seiner Tochter fernzuhalten? Er hat mir in wenigen Wochen schon mehr als tausend Rubel erpresst; gestern erhielt ich wieder einen Drohbrief mit der Forderung auf tausend Rubel und mit dem Bemerken, da; er im Weigerungsfalle Montag seine Tochter sehen werde.“ So redete nun der Vater mit seinem Sohne wie ein Freund zum Freunde. Franz aber freute sich in seinem Herzen ;ber das zutrauen, das sein Vater ihn schenkte, denn darauf hatte er bisher umsonst gehofft. Er blickte ihn in das treue Auge und dachte bei sich; „Das hast du um dein sumpfiges Tschertolupowka drangegeben und hast dich betrogen!“ und er taute auf vor seinem Vater und erz;hlte ihn alles, was ihn bewegte; da; er seine Cousine so gern habe und ohne sie alle Freude am Leben verliere, denn ihr Liebreiz halte ihn ganz gefangen, und bat flehentlich, bis an die Haarwurzeln err;tend, der Vater m;ge sie ihm zum Webe geben. Der Vater h;rte ihn schweigend an. Wohl umgaukelte ihn ein Bild aus alten Tagen, und die „Schm;cke Marie“, deren Tochter es nun seinem Sohne angetan hatte, stand wieder lebendig vor seinem Geist. Nun raffte er sich zusammen, fuhr einmal mit der flachen Rechten ;ber Stirn und Gesicht und hob leise an: „Mein Sohn, ein braveres und redlicheres Weib d;rfte ich dir nicht w;nschen, aber gesetzt auch, das Hindernis, welches in eurem verschiedenen Glaubensbekenntnis eurer ehelichen Verbindung entgegentritt, werde beseitigt, wird  Klaudia dir auch folgen wollen?  Bist du deiner Sache gewiss? Bedenke, mein Lieber, durch einen Heiratsantrag, den sie nicht annehmen kann, treibst du die Heimatlose in die kalte, fremde Welt hinaus. Solches tust du nicht, nicht wahr? … Wie man um eine Klaudia zu werben hat, mu; der Verstand dem J;ngling sagen.“ W;hrend des Fr;hst;ckens wurde wieder wie allsonnt;glich, recht umst;ndlich die Frage des Kirchenfahrens er;rtert. Zur h;chsten Verwunderung aller und Freude der Mutter erkl;rte auch Franz sich bereit, mitzufahren. Ja, sie konnte nicht umhin, solches Ereignis sofort der Tante Ida ins Ohr zu schreien, worauf diese einen kurzen forschenden Blick auf den Neffen warf; und es schien, als ob ;ber die harten Z;ge ihres faltigen Gesichtes ein leichter Sichtschimmer huschte…. Ohm Peter betrat die Kanzel, w;nschte der Gemeinde den Frieden Gottes, welcher h;her ist denn alle Vernunft, und sprach das Morgengebet. Darauf lie; er seine Augen einige Sekunden lang wie suchend in der Kirche umherschweifen, und als er Franz D;rken unter den Zuh;rern gewahrte, hob er an; “Im Herrn Geliebte, als ich gestern Abend mit meiner Lieben Frau nach einem Text f;r heute suchte, wurden wir uns einig auf 1. Joh, 4 von Vers 1 bis Vers 6: Heute aber habe ich Freudigkeit, ;ber einen anderen Text zu reden, n;mlich, der verschrieben steht im Galater ‚Dapittel‘6 vers. 7 und lautet wie folgt; ‚Irret euch nicht, Gott l;;t sein nicht spotten, denn was der Mensch s;et, das wird er ernten. ‘  Bis soweit die Worte unseres Textes, ;ber die ich ein etwas zu sprechen gedenke, insoweit mir Gott dazu Kraft verleiht. Liebe Zuh;rer, vor mehr als zehn Fahren hatte ich einmal die verlesenen Worte der Heiligen Schrift zum Trautext genommen. Der Br;utigam hatte sich wie er mir sp;ter mitteilte ;ber diesen Text sehr ge;rgert, die Worte aber hat er nicht wieder los werden k;nnen, bis er sich zum Heiland bekehrte. Vielleicht ist auch heute einer da unter der lieben Jugend, der sich ;ber die harten Worte ;rgert, dem sag ich, wer er sein mag, das ist nicht mein Wort, sondern des gro;en lebendigen Gottes Wort, dessen geringster Knecht ich nur bin…“ Mit verdoppeltem Eifer warf sich Franz in seine schweren Alltagspflichten als Wirtschafter des gro;en Gutes. Mit der ganzen Kraft seines trotzigen Willens k;mpfte er jede Anwandlung zum Zorn nieder. Die faulen, diebischen Arbeiter, welche an Franzens und seiner Prikaschtschiki Fluchen und Haue gew;hnt waren, blickten anf;nglich mit Mi;trauen auf das Gebaren ihres Gebieters,  dann fingen sie an, sich darin zu gefallen, als Mensch angesehen und gehandelt zu werden und besseren sich, ausgenommen einiger weniger der Hartgesottensten, die ihn dann auch tagaus, tagein auf harte Proben stellten. Mit Tschertolupowka brach er ganz ab. Also warb Franz um seine lutherische Cousine. Alles, alles gelang nach und nach, nur eines nicht, seinem Endziel war er in all den Wochen nicht um eines Haares Breite n;her ger;ckt. Zwar hatte er sich vor Klaudia schon am folgenden Morgen entschuldigt. Da; er sie in so t;lpelhafter Weise erschreckt habe, da; er aber nicht betrunken gewesen. Sie jedoch hatte ihn mit k;hlen, kurzen Worten gebeten, ihr das unbedacht gesprochene Wort zu verzeihen und ihn seither nicht mehr angesehen. Armer Franz! Wie er so m;de mit halbgeschlossenen Fugen auf seinem Pferde h;ngt! Seine Wangen werden von Tag zu Tag hohler, und im sonnenverbrannten Gesicht wuchert ein struppiger Vollbart. Zu verschiedenen Malen hatte er versucht, ein Gespr;ch mit seinem Vater anzukn;pfen wie damals in jener gl;cklichen traulichen Stunde; aber umsonst: der Vater hatte seinem Sohne gegen;ber wider das fr;here Benehmen angenommen, d. h. er sprach fast nie mit ihm, und wenn er’s tat, klang diesem jedes seiner Worte wie ein Tadel oder wie die Zurechtweisung eines Knaben. Dar;ber aber, was Franzens ganzes Herz erf;llte, hatte er seither kein W;rtlein verloren. Daraus, da; Klaudia ihn so beharrlich keines Blickes mehr w;rdigte, glaubte Franz immer fester schlie;en zu m;ssen, der Vater habe ihr sein Geheimnis verraten, vielleicht gewarnt nat;rlich als Vater, welcher in uneigenn;tzigster Weise dass Gl;ck seines Sohnes opfert, um das arme „Kind“ nicht ungl;cklich werden zu lassen. Franz wurde von Tag zu Tag verschlossener. Zur Kirche fuhr er gar nicht mehr, und als die Stiefmutter nicht ablie;, ihn jeden Sonntag darum zu qu;len, hat er ihr endlich mit Grimm und Hohn geantwortet, Ohm Peters Quatsch wolle er sein Lebtag nicht mehr mit anh;ren. Endlich ist Ohm Peter selbst her;bergekommen und hat ihn innig gebeten, er m;ge sich bekehren, eh‘ es zu sp;t sei. Franz aber hat ihn mit rohen Worten derart gekr;nkt, da; er sofort schweigend seinen Schwei;fuchs vom „Wollm“  gel;st, in den Wagen gestiegen und davongefahren ist. Als er sich einmal umgesehen, hat man eine schwere Tr;ne ;ber seine Wange rollen sehen. Alle wichen dem Franz scheu aus; nur klein Lenchen lie; nicht ab, seinen gro;en Bruder zu lieben. Es suchte ihn auf, wenn er in seinem Zimmer sa; und finster vor sich hin br;tete, kletterte auf seine Knie, k;mmte ihm den zerzausten Bart, streichelte die hohlen Wangen und die Stirn, liebkoste ihn und plapperte, bis er freundlich wurde und das Schwesterlein an seine breite Brust dr;ckte. Einmal fragte er; „Putchen, bist du bekehrt?“  „Nein, noch nicht.“ „Und deine Lehrerin? “  „Ich …ich wei; nicht, sie hat das noch nicht einmal gesagt, aber ich denke, die ist.“ „Und ich, bin ich bekehrt. Wie meinst du?  „“Du!?“fragte Lenchen mit aufrichtigem Staunen zur;ck, worauf Franz so schrecklich lachte, da; dem Kind angst wurde. Es lief sofort zu Klaudia und erz;hlte ihr alsbald das Gespr;ch mit dem Bruder. Diese aber sagte nach kurzen Besinnen: „Wenn dein Bruder dich nochmals fragen sollte, ob ich bekehrt sei, so sage ihn , da; ich den Herrn Jesus von Herzen liebe und an ihn glaube, die Worte , ich bin bekehrt mag ich nicht aussprechen, weil der Herr Jesus sagt, niemand ist gut, als nur der Vater im Himmel. R;;ler hatte Wert gehalten und an jenem Montag seine Tochter gesprochen. Wer wollte die Gef;hle beschreiben, welche die verlassene beseelten auf jenem geheimnisvollen Gang, als sie dem Wunsch ihres unbekannten Vaters gem;; zur bestimmten Stunde auf dem schmalen Steg ;ber die Malaja der Pauli eiche zueilte, wo sie ihn zum ersten Mal sehen sollte, wo sie ihn das Wort von Vergebung ;bermitteln durfte; wo sie anfangen wollte, um ihn zu werben? Sie betete viel und in br;nstig in dieser bangen Stunde. Jetzt tritt sie in die Lichtung am Knie; richtig, dort auf der Bank unter der Eiche sitzt ein Herr und blickt unverwandt auf seine Taschen Uhr. Ein vornehmer  Herr, wies scheint. Das Herz  klopft ihr bis zum Zerspringen. „Ach, Gott.“ Seufzt sie nochmals, steh mir zur Seite! La; mich das rechte Wort finden!“ seit jener ersten Begegnung sahen sich Vater und Tochter w;chentlich ein bis zweimal. Von Woche zu Woche aber wurde Klaudia ernster und schweigsamer; aus ihrem offenen, freundlichen Gesicht verschwand nach und nach alle W;rme und machte einem scheuen, bisweilen auch frostigen. Abweisenden Ausdruck Platz. Franz  hatte wohl die Ver;nderung an Klaudia bemerkt, jedoch wie wir oben gesehen falsch gedeutet. Anstatt nach vollbrachtem Tagewerk der Ruhe zu pflegen, treibt er einsam auf dem Felde umher, am liebsten auf der langen Mogila. Dort sitzt er bis in den sp;ten Abend hinein und h;ngt seinen tr;ben Gedanken nach. Der Wind rauscht durch die ;ste und sch;ttelt eine Menge gelber Bl;tter auf die Erde nieder. Durch das Schilf geht ein geheimnisvolles Fl;stern, und kosend ber;hren einander „die Woppen“ auf den langen Schilfst;ben am Ufer der Malaja. Der junge Mann ahnte nicht, was die Einsamkeit f;r ihn aufgespart hatte, Wieder sa; er eines Abends unter der Pauli eiche, von dichtem Gestr;pp verborgen, in d;steren Gedanken verloren- Die Sonne war l;ngst untergegangen. Da h;rte er pl;tzlich aus n;chster N;he eine bekannte M;nnerstimme in rohen, vorwurfsvollem  Ton: „du l;;t mich lang auf dich warten! “ „Ich konnte mich nicht fr;her aus dem Hause schleichen!“ entgegnete eine weibliche Stimme, die er sofort als Klaudias erkannte, „“ Hier ist mein Lohn, den ich bis dahin verdient, mehr hab ich nicht erspart!“ Statt des Dankes kr;chzte Ro;ler: „Du T;rin, dienst wie eine Magd um so einen Lumpenlohn, w;hrend der halbe D;rkenchutor dein ist… verstehst du?  Dein Eigentum, und das mit vollem gesetzlichem Recht! Doch jetzt ist meine Geduld ersch;pft, entweder  oder!  Entweder du heiratest den Affen, den Franz, oder bringst mir das Papier aus D;rkens Schreibtesch, welches uns um unser Erbe gebracht, oder...“  R;;ler stie; das mit vor Wut bebender Stimme hervor. Klaudia antwortete leise, aber entschieden; „Vater, ich werde Tag und Nacht f;r dich arbeiten die all meinen Verdienst geben, damit du ihn vertun kannst, aber was du von mir verlangst, wird nie geschehen, nie!“ Wird nie geschehen? „  schrie der Vagabund  heiser und sprang wie ein Tiger mit geballten F;usten auf das t;dlich erschreckte M;dchen los. Im n;chsten Augenblick aber st;rzte er, von einem wuchtigen Faustschlag getroffen, zu Boden. Klaudia war vor Schreck niedergesunken, und es umfing sie eine tiefe Ohnmacht. Als sie endlich die Augen ;ffnete, war der Vater bereits verschwunden, vor ihr aber kniete Franz und k;hlte ihre Stirn und Schl;fe mit seinem unten im Flu; genetzten Taschentuch. Er schaute ihr so ;ngstlich besorgt ins Gesicht, da; sie sich eines L;chelns nicht erwehren k;nnte. Sie reichte ihm m;de die kleine Rechte hin und lispelte kaum vernehmbar: „Danke sch;n, danke! Du bist so freundlich, Cousin!“ Und nach einigem Schweigen fragte sie: „Hast unser Gespr;ch geh;rt?“ Franz entschuldigte sich, da; er ein unfreiwilliger Zeuge gewesen, und sagte: „Jenes Buben Absicht ist uns schon l;ngst kein Geheimnis mehr. Mir haben alles M;gliche versucht,, um ihn von Ihnen fernzuhalten, Fr;ulein, um Ihnen dieses Herzeleid zu ersparen… doch vergebens, wie ich heute gesehen! Sagen Sie nur ein Wort, und ich … ich schlag ihn heute noch tot…“ Er ist mein Vater, „ unterbrach ihn Klaudia rasch und erhob sich von der Erde. Auf dem Heimweg lehnte sich Klaudia m;de auf Franzens starken Arm Ich hab euch alle auf D;rkenchutor so gern;“ sagte sie unterwegs zu ihrem Begleiter,    „Ihr seid alle so gute Leute, auch du, gro;er Cousin, bist so freundlich zu mir. Trotzdem du nun meine dunkle Herkunft kennst, und das Lenele lieb ich mehr als mein Leben; es ist mir unentbehrlich geworden,, das liebe Kind! Du allein wirst verstehen, warum meines Bleibens hier nicht mehr ist. Weil du die h;ssliche Szene mit angeh;rt hast. Jedes Zeihen eurer gro;m;tigen Liebe w;rde mich in meinen Augen immer mehr heruntersetzen. Nur um eines bitt ich dich herzlich: wenn ich erst fort sein werde, dann erz;hle deinen Eltern, was du gesehen und geh;rt hast, damit sie mich nicht undankbar schelten! Ja, Franz?“ Sie dr;ckte leise ihres Begleiters Hand und blickte bittend zu ihm auf. Franz aber war tief betr;bt ;ber des M;dchens festen Entschluss, er umklammerte die kleine Hand und sagte mit bewegter Stimme: “Das  tue doch nur ja nicht, denn das Herzeleid, welches du und allen damit zuf;gst, ist unberechenbar. Geh;rst du doch zu uns, denn der Vater hat dich adoptiert, Wie wollten wir, wie k;nnte ich ohne dich wieder froh werden? Wir bangen alle um dich, und du sprichst von Gro;mut! Klaudia… du machst dich selbst verantwortlich f;r dein trauriges Schicksal… sag blo;, mit welchem Recht? „ “Das nicht, mein Freund, entgegnete Klaudia ruhig, „Ich will ihm nicht feige zu entweichen suchen, sondern es als von Gott auferlegt betrachten und mutig tragen, bis er‘s wieder herunternimmt von meinen schwachen Schultern darum la; mich ziehen!“  „Wei; Gott, “  versetzte Franz, „das ist keine richtige Auffassung! Ich denke, das Schicksal mu; man erk;mpfen und nicht tragen. Es ist von Haus aus schw;cher als der Wille des Menschen und biegsam, m;rbe und elastisch. Man knetet und formt es nach Belieben. L;;t du es ruhig auf dem Nacken, so wird es hart und immer schwerer, bis es dich vollends niederdr;ckt. Jedenfalls ist das Schicksal, sofern es st;rend in das Leben des Menschen eingreift, sein Feind, dem man tapfer begegnen mu;.“ „Gott versucht niemand ;ber sein Verm;gen und gibt, da; die Versuchung so ein Ende nimmt, da; ihr es k;nnet ertragen, “ sagte Klaudia, „Das ist‘s, was mich nicht verzagen l;;t. Bisweilen sp;r ich sogar ordentliche Kr;fte in mir in dem Bewu;tsein, da; statt meiner eine starke Hand meine Schicksalsf;den festh;lt, Das Schicksal ist oft wie der Sturm, der das Leben des Menschen gr;ndlich aufw;hlt und reinigt. Wie willst du ihm  wehren, wenn es mit voller Gewalt dein Leben durchpeitscht? Wie willst du nachher den Schaden wieder heilen? Ist nicht die stille Ergebung in sein Schicksal ein gro;artiger Kampf, wo‘s gilt, sich selbst zu bek;mpfen, sein eigen Wollen, Empfinden, seine Neigungen und W;nsche? Wohl bin ich an meinen schweren Schicksal nicht schuld, wenigstens in der Hauptsache nicht, f;hle mich aber schuldig, dasselbe ohne Murren zu tragen, darum geh ich von euch, aus einem Haufe, wo ich nur Liebe genossen. Und wollte ich bleiben, so w;r‘s eine Selbsthilfe, und ich w;rde mir selbst ver;chtlich vorkommen.“ Franz schwieg, Er pre;te die ihm zum Abschied dargebotene Rechte an seine Lippen und ging, nachdem sich hinter Klaudia die T;r geschlossen hatte, zur;ck in den Garten. Seine Brust war zum Zerspringen voll. Stundenlang ging er im Gartenweg auf und ab und gr;belte dem Schicksal nach, … „Ja, und wenn sie in die Krallen jenes verdammten Schurken f;llt, “ murmelte er halblaut vor sich hin, „mit ihrer sentimentalen Anschauung ;ber Pflichten … ist sie verloren… die Engelgleiche… f;r mich verloren… verloren. H;rst du?  -dann was? –dann trage dein –Schicksal… ja und was bleibt mir dann noch zu tragen?“ Er lachte herb auf. „Ha! Ein Sklave seiner Schicksale sein? Was die frommen Leute spa;haft sind… nein, bei Gott, ich bleibe noch mein Herr und Herr meiner Schicksale! Ach, Gott! Ach, Klaudia! Warum ist es so erschrecklich auf dieser Erde? Ha! Ha! Sag doch ein Wort! Sag das richtige Wort f;r mich…“
VIII
Am n;chsten Morgen wurde Franz durch lautes Poltern an der T;r geweckt: Ein schwere Traum, gegen welchen er lange vergeblich ank;mpfte, hielt den Schl;fer umfangen. Als jedoch die Stiefmutter rief: „Franz, Franz! Spitzbuben sind eingebrochen!“ war er bald munter, fuhr in die Kleider und eilte in den Korridor, woher ihm ein gro;er Tumult entgegenschallte. Die Diebe hatten eine Fensterscheibe eingedr;ckt und waren in D;rkens Zimmer eingedrungen, wo sie den Schreibtisch erbrochen und einiges Kleingeld entwendet hatten. „Das hat der Vagabund… rief Franz, brach aber sofort ab, denn in der offenen T;r stand Klaudia. Ihre Blicke begegneten sich, eine Sekunde nur, und Franz wu;te genug, wu;te, da; alle Hoffnung f;r ihn, dieses herrliche M;dchen jemals sein nennen zu d;rfen, unwiderruflich vernichtet sei. Und er ballte drohend beide F;uste und rief mit wutverzerrtem Gesicht: „Eines aber bliebt mir noch; der Affe soll dir ein schrecklicher Gorilla werden!“Der Vater schickte die Kleinen, welche sich auch neugierig hereindr;ngten, hinaus spielen. Dann erkl;rte er, um seines Sohnes unb;ndigen Zorn zu beruhigen, die Sache sei nicht von  Bedeutung. Da nicht R;;ler, sondern Klaudia Schwierigkeiten machen k;nnte, und daf;r, da; diese solches nie tun werde, b;rge er mit der anderen H;lfte des Verm;gens. In dem Augenblick dr;hnte ein furchtbarer Knall durchs Haus, dem ein markersch;tternder Schrei folgte, welcher allen das Blut in dem Adern gerinnen machte. Niemand wagte zuerst die darauffolgende unheimliche Stille zu unterbrechen, in banger Erwartung des, was kommen werde. Franz reffte sich zuerst zusammen. In einem Augenblich stand er auf der Schwelle seines Zimmers, aus dem ihm dichter Pulverdampf entgegenschlug, und starrte stumm und geistesabwesend hinein. „Was ist? Da, Franz?“ fragte die bis zum Umfallen erregte Mutter und schob den Sohn mit zitternden H;nden beiseite. O Grausen! Lenchen, das herzige, goldige Lenchen, alle Liebling, des Hauses Freude und Sonnenschein, lag auf der Diele dahin gestreckt in einer gro;er Blutlache … es ;ffnete noch einige Male die Lippen; dann  zuckte das letzte Todesbeben durch den kleinen K;rper. Nun l;ste sich der Bann, der alle gefangen hielt, und es instand ein Wehklagen, als man in diesem Hause nimmer geh;rt hatte, alle klagten, und niemand war geblieben zu tr;sten. Die Mutter warf sich neben der kleinen Leiche auf den Fussboden, raufte ihr Haar und schrie in wilden, herzzerbrechenden T;nen. Berni,  der Misset;ter, aber kauerte, an allen Gliedern zitternd, unter dem Tisch, und seine Z;hne schlugen h;rbar aufeinander. Neben ihm lag der Kr;henballer, des Bruders Geburtstagsgeschenk. Franz stand anfangs regungslos da, nur seine Augen rollten wild in ihren H;hlen. Jetzt stie; er einen unartikulierten Schrei aus, welcher mehr dem Gebr;ll eines gequ;lten Tieres als einer menschlichen Stimme glich. Pl;tzlich sprang er auf sein Bett, ri; den Hinterlader von der Wand und richtete ihn drohend auf den kleinen Bruder; und die Augen gl;nzten in unheimlicher Glut. „Um Gottes willen, Franz Franzowitsch!“ schrie Jerinka auf und schlug mit der Hand unter den Lauf der Flinte. Nun b;ckte sich Franz blitzschnell tu Boden, raffte die kleine Leiche auf und st;rzte mit ihr zur T;r hinaus durch Hof und Garten dem Flu; zu. Verst;ndnislos blickten ihm die Seinen nach, dann folgten sie ihm mit  lautem Weinen und rufen bis zur Malaja. Was sie hier sahen, steigerte ihren Schmerz und ihre Angst bis zur Verzweiflung. Franz stand bis an den Knien im Wasser neben dem Boot, aus welchem sich Lenchens leblose Gestalt deutlich hervorhob. Er schaukelte den Kahn so stark, das er jeden Augenblick umzust;rzen drohte, und sang dazu mit rauer Stimme: „Baju! Baju! Baju!“und schauerlich brachte der nahe Wald wieder; Aju! aju! Aju!... Dem Herannahenden, gleichviel, wer‘s war, streckte er drohend die geladene Flinte entgegen. Aus dem Garten trat Klaudia unsicheren und wankenden Schrittes. Ihr Gesicht wandte sich suchend bald nach rechts, bald nach links. Vor dem Badehause aber stand die Gruppe der Verzagten h;nderingend und betend. Alle rufen ihr aus der Ferne etwa zu, winkten und deuteten angstvoll auf den Flu;. Die alte Jerinke aber lief ihr entgegen und schrie mit unnat;rlich lauter, h;ufig ausgleitender Stimme: “Geh nicht weiter, T;ubchen, Franz Franzowitsch ist verr;ckt geworden; er schie;t! er schie;t! Klaudia jedoch z;gerte keinen Augenblick; sie hatte den Franz schon bemerkt und schritt auf ihn zu. Noch einen Augenblick… Franz ri; die Flinte an die Wange und zielte auf die Herannahende. Vom Badehaus drangen Ruse des Entsetzens her;ber und alle eilten herbei. Klaudia stand still und rief laut: „Cousin, wirf die Flinte fort, anders komm ich nicht n;her!“ Im n;chsten Augenblick flog die Flinte im weiten Bogen durch die Luft und klatschte darauf auf das Wasser, welches sie in seinen Fluten verbarg. Nun trat Klaudia n;her und sagte zu Franz: „Bring mir Lena, sie will schlafen!“ Dann verh;llte sie ihre Augen mit dem Tuch und wandte sich im stummen schmerz, nur mit Aufbietung aller Kr;fte sich aufrecht erhaltend, dem Harfe zu. Franz folgte ihr willig. Die Kleine hing leicht in des Bruders m;chtigen Armen, das K;pfchen etwas zur;ckgebogen in dem aufgel;sten Haar wie auf schwellendem Rissen ruhend, aus dem das bleiche, blutbefleckte Marmorgesichtchen anklagend den Himmel gerichtet war. Der Trauerzug  schritt lautlos dahin, voran die lutherische Cousine, dann folgte Franz mit der kleinen Leiche, diesem die Eltern und alle Dienstleute vom Chutor… Niemand konnte es fassen, was geschehen war… Jetzt stimmt der ungl;ckliche wieder sein schauerliches Wiegenlied an…
Der Winter jagt verw;stend und vernichtend ;ber Russlands weite Steppen. Statt des Vogelgesanges h;rt man den schrecklichen Buran ums Haus heulen; er klappert mit den Laden an den Fenstern, und die alten Weiden an der Malaja knarren unter seinem Druck. Wehe dem Wanderer, den er ereilt, er ebnet den Weg vor ihm, damit er die Richtung verliere, er peitscht ihm  den seinen, scharfen Schnee in die Fugen, immerfort, immerfort, bis sein Opfer in die ausgebreiteten Arme des Schlafes f;llt und sanft hin;berschlummert. Umso trauter ist‘s drinnen im Zimmer. Das Kind hockt am warmen Ofen bei Vater und Mutter und lauscht ihren Geschichten und Belehrungen. Den wilden Knaben fesselt nun sein Buch; er setzt sich vor, ein braver Mann zu werden, wie die Heldengestalten darin oder in M;tterleins sch;nen Geschichten, die immer mit dem Gebot: Ehre Vater und Mutter! In enger Verbindung stehen. Doch wenn der Februar vorbei und der M;rz so gut dran ist, dann schaut alt und jung sehnsuchtsvoll hinaus, ob’s  nicht bald Fr;hling werden will. Endlich, endlich zieht er ein, der Lenz, angesungen und an gejubelt von jedermann. Er bringt neues, junges Leben. In Dorf und Stadt, Feld und Wald, all;berall merkt man ein frohes Regen. Nur unser D;rkenchutor liegt ;de und verlassen da. Aus seinen Toren ziehen keine lustig pfeifenden Pfl;ger,  und im Hofe wuchert Unkraut. Vor Speicher und Scheunentoren h;ngen m;chtige, rostige Schl;sser. Die Fenster des s;dlichen Fl;gels, in dem Franz fr;her logierte, sind von au;en mit rohen Brettern vernagelt; er hat sein Quartier im Irrenhaus… f;r wie lange Zeit? –der Arzt gibt einige Hoffnung. Es ist ein linder Tag im Mai. Auf der Hausterrasse sitzen Tante Ida, noch geb;ckter und schwerh;riger als fr;her, und Witwe D;rken mit Handarbeit besch;ftigt.  In ihrer Gesellschaft finden wir einen Mann, den wir nur dem Namen nach kennen, Paul D;rken; den angehenden Missionar. Die vielgepr;fte Frau ist fast nicht mehr wiederzuerkennen, so gealtert hat sie in  den wenigen  Monaten. Der Tod ihres Mannes, welcher seit jenem Tage voll Ungl;cks nicht mehr gesund wurde und endlich um Epiphania entschlief, hat sie vollends hart mitgenommen. Paul ist nun ihre St;tze und ihr Trost. Mit Andacht lauscht sie seinen liebevollen Worten. Ihre gl;cklichsten Stunden sind unter dem „Schall des Wortes“, wenn Paul oder Ohm Peter predigen, dann weint es sich ihr so leicht, und ums Herz wird’s lichter in den tr;ben Stunden der Heimsuchung. Einmal hat sie zu Ohm Peter gesagt, die gelehrten Prediger verst;nden das Predigen doch besser als er. Dieser aber hat neidlos mit dem Kopf genickt und gesagt: „De Kraj es ock ‚n“ Nagel, alle singen, so gut wies geht, und verk;nden ihres Sch;pfers Ruhm!“Paul aber hat flugs da Testament ergriffen; Peri Neuberufung auf geschlagen und gelesen: „Der Herr sprach zu Petro: Simin Johanna, kannst du gelehrt predigen? Hast du eine Universit;t beendigt, dann weide meine L;mmer!“ Die Mutter hat den Vorwurf wohl verstanden und dem Paul das Buch aus der Hand genommen, damit er nicht weiter lese, und auch ferner keinen b;sen Unterschied mehr gemacht. „Mutting, “ sagte Paul, „ratet doch, was ich f;r Euch habe? “ „Einen Brief?“ „Nein, zwei!“ „Von wem?“ Ratet doch!“ „Der dicke da ist von Klaudia, sie schreibt immer ganze Bogen voll!“ “Richtig! “und dieser da bringt Nachricht von unserem armen Franz,“ sagte Paul, „jedoch, warten wir noch etwas mit lesen, mir scheint, Grulls kommen!“ “Fast zu viel , Frohes auf einmal! Sagte Mutting. In den Hof f;hrt ein uns wohlbekanntes Fuhrwerk. In der Sitzleiter sitzen Ohm Peter und seine ehrenwerte Frau Stina, zwischen ihnen Berni. Letzterer besucht die Dorfschule zu Fredenshoff. Gestern ist der Jahresschluss, die Schulpr;fung, gewesen. Er hat sich sehr ver;ndert: Aller fr;hlicher ;bermut ist von ihm gewichen; er ist „ schm;ck geworden nach Fredenshoffschen Begriffen. Sein Name ist nun einfach „Bernd“, statt Berni; anstatt der Knieh;schen, Hut und Matrosenjacke tr;gt er einen Anzug nach Fredenshoffschem Schnitt: lange, weite Hosen, einen langen Sack Rock und auf dem Kopf eine M;tze mit gl;nzendem Lederschild: Seine H;nde sind best;ndig in den Hosentaschen: er wei; nun wohl, was Sunde ist, auch wies in der H;lle „vermutlich““ aussieht, aber das Bl;mlein am Weg hat er dieses Fahr noch nicht gesehen und der Lerche in der Luft nicht gelauscht. Ohm Peter ist des Lobes voll ;ber die Fortschritte, die der Knabe diesen Winter gemacht haben soll, Paul aber sch;ttelt beim Anblick der kl;glichen Gestalt bedenklich den Kopf.  Zuerst wurde der Brief vom Direktor  der Irrenanstalt gelesen. Er enthielt wirklich viel „Frohes“ und endigte mit den Worten: „Wenn der junge Mann auch ferner solche Fortschritte machen wird, werden wir ihn in 2-3 Monaten ausschreiben!“ Klaudias Brief enthielt ein ganzes Schatzk;stlein von Trost f;r Tante D;rken: unter anderem bat sie auch um Rat, ob sie die Einladung ihres gegenw;rtigen Prinzipals, ein weiteres Schuljahr  zu bleiben; annehmen solle: W;hrend des Kaffeetrinkens gedachte man mit Sehnsucht all der Lieben,  deren Scheiden ihnen so viel Kummer bereitet hatte. „Was soll‘s nur mit uns, wenn nun auch Paul unter die Heiden geht?“  seufzte die bek;mmerte Witwe, „w;re Klaudia wenigstens noch geblieben! War sie denn schuld daran, da; ihr Vater ein Verbrecher ist? Der Mensch ist ja l;ngst in Amerika, warum kann sie denn nicht wiederkommen?“ So eiferte  die Arme, Paul aber sagte liebreich: „Muttchen, nach dem, was vorgefallen, konnte sie nicht anders handeln, sonst w;re sie nicht die Klaudia, nach der Ihr Euch so bangt, aber wie w;rst, wir g;ben ihr den Rat, sich nicht dort zu binden, sondern zu uns zu kommen?“ Unter solchen Gespr;chen wurde die Mahlzeit eingenommen. Dann erh;ben sich alle, und Paul sprach das Dankgebet und empfahl zugleich sein trostbed;rftiger M;tterlein Gottes gn;diger Hut. Vor der Heimfahrt der G;ste  gingen alle samt Tante Ida nicht ausgeschlossen auf den Friedhof. Hier standen sie lange im stummen Schmerz vor dem Eisengitter, das Vaters uns Lenchens Gr;ber umgrenzte. Endlich sagte Ohm Peter mit bebenden Lippen: „Gott verleih uns einst ein selig End, denn das ist das best, was man w;nschen k;nnt!“ Paul aber z;g den „Letzten Strau;“ von Gehrock aus der Brusttasche und las mit seiner weichen, tiefen M;nnerstimme: „Wo sind sie nun? Zerstoben l;ngst in Staub, Bedeckt mit Moos und Tr;nenweidenlaub, was ist noch da von jenem holden Mund,
Von jener Stirn gedankenreichem Kund,
Von jenes Auges seelenvollem Licht?
O Tod, du bist ein grausamer Vernichter
Der alten, der lieben Gesichter!
Und doch, wer  wei; -- in einem andern Reich
Auf ernstem Gang dereinst Begegne‘  ich euch:
Ihr waret weiland, was ich heute bin,
Und wo ihr seid, f;hrt bald mein Weg mich hin,
Dann sieht vielleicht im stillen Abendlicht
Auf stillem Pfad ein Freund auch mein Gesicht.
Auf Wiersehn vor einem gn;d‘gen Richter,

Ihr alten, ihr lieben Gesichter!“
Schlu;.
Unsere Geschichte mu; hier notgedrungen abbrechen, denn wollte ich sie weiter erz;hlen, m;;te ich ihr schon einen anderen Namen beilegen, etwa: „Frau Franz D;rken“, weil’s  die lutherische Cousine eben nachtr;glich geworden ist. Freilich, so rasch kam’s nicht, als ich dies hier erz;hle, aber es kam nach Jahren, Und diese Jahre waren voll s;drussischen Fr;hlings Wetters bald ist der Himmel von grauem Gew;lk verschleiert gewesen, bald hat er wider gelacht und lustigen Sonnenschein hernieder blitzen lassen auf die erwachende Erde, und den Tag darauf hat ein rauer  Wind Regen und  Schnee gebracht, inzwischen aber hat das Leben still und unvermerkt fein ;berhandgenommen und den grausigen Tod verschlungen. Klaudia war richtig wider nach D;rkenchutor zur;ckgekehrt. Und wie sie ohne Klaudias aufrecht geblieben w;re, hat Mutting hundertmal nicht gewusst. Das freundliche, stets gef;llige M;dchen hatte wieder Fr;hlingswehen ins Trauerhaus gebracht. Sie hatte es nicht nur dem armen Franz, sondern allen anderen auch angetan, selbst Tante Idas verrostete Herzenstur konnte der Macht der warmen liebe nicht widerstehen. Den Franz hat die Schreckenszeit vollst;ndig ver;ndert. Es lodert der Zorn nicht mehr auf in ihm bei jeder Veranlassung und bricht aus wie ein Vulkan; sein jetziges ruhigbesonnenes Wesen fl;;t jedermann Achtung ein. Das merkt man besonders unter den Arbeitern, seit er die Gutsverwaltung aus Pauls ungeschickten H;nden genommen. Unverdrossen und mit viel Umsicht verrichtet er seine vielen Gesch;fte, und wer ihn heimlich beobachten wollte, w;rde wohl kaum etwas an ihm finden, das an jene Zeit erinnerte, da der Geist dieses Mannes umnachtet war. Nur um seine Augen hat sich so ein tr;umerisch trauriger Zug gelagert, der immerfort nicht schwinden will, den auch sein liebreiches Frauchen trotz allen M;hens nicht hat hinweg k;ssen k;nnen. Als nun der liebe Gott dem jungen Paar das erste T;chterlein in die Wiege gelegt, haben sie’s Lenchen genannt. Auch haben Mutting jetzt Gro;mutting , die gl;ckstrahlenden Eltern und auch die alte Ierinka sofort gefunden ohne sich’s  zu verabreden , dass das Kind seinem Tantchen im Himmelreich haargenau ;hnlich sei, wenn dieses auch statt der dunkelbraunen dunkelblaue ;ugelein gehabt und eigentlich doch nur ein himmlisches Halbtantchen w;re. Um alle Hausgenossen auf D;rkenchutor hat sich ein Band der liebe geschlungen das in schweren Tr;bsalstagen geflochten und von vielen bitteren Tr;nen befeuchtet worden ist, darum ist es so fest unzerrei;bar, Aus dem kleinen Berni ist ein strebsamer Zentralsch;ler, dann auf Bruder Pauls Rat ein strammer Gymnasiast geworden, Er hat vor, Medizin zu studieren, um den leidenden Mitmenschen helfen zu k;nnen. R;;ler ist bis heute verschollen. Bald nach Franzen Hochzeit hat auch Paul in der Kirche zu Fredenshoff seine Abschiedsrede gehalten, um unter die Heiden zu gehen, Das war ein gro;es Ereignis, und das ger;umige Gotteshaus vermochte nicht alle G;ste zu fassen. Alle lauschten gespannt den Worten des scheidenden Missionars. Viele der rauen M;nner mit ihren sonnenverbrannten Gesichtern konnten  nicht wehren, da; ihnen die Augen feucht wurden, und nach Schlu; des Gottesdienstes dr;ngten alle heran, um ihm ein Lebewohl oder ein passendes Bibelwort mit auf den Weg zu geben, Die Geleitsrede, resp. Aussendungsrede, hielt ihm Ohm Peter, Die traurigen Ereignisse auf D;rkenchutor und der in j;ngster Zeit erfolgte Heimgang seiner treuen Stina hatten eine gro;e Ver;nderung an dem Greis hervorgebracht. Seine Wangen waren eingefallen, das Auge blickte tr;be, sein Gang und die Haltung waren m;de; sein Geist lebte mehr im seligen Jenseits als hier auf der kummerbeladenen Erde, Er sprach heute ernst und bewegt, gegen seine Gewohnheit leise und ruhig, Die Zuh;rer blickte einander vielsagen an und hielten den Atem an, um auch keines seiner Worte zu verlieren Und als er dem Scheidenden die zitternden H;nd aufs Haupt legte und mit den Himmel gewandter Gesicht den Gegen sprach, da war’s  allen so feierlich zumute, als ob da vor ihnen nicht der schlicht Ohm Peter stehe, sondern einer der Apostel de Herrn. W;hrend die Gemeinde den Schlu;chorsang, sa; Ohm Peter im Kanzelstuhl mit halt geschlossenen Augen und krampfhaft ;ber de Brust gefalteten H;nden. Sein Gesicht war erdfahl und seine Lippen lispelten leise Gebeteinige M;nner eilten sofort die Kanzeltrepp hinan und umringten ihn, Als Franz D;rke ihn teilnehmend fragte, ob er krank sei, und ob er etwas w;nsche, sch;ttelte er das Haupt und sagte l;chelnd und mit seiner gew;hnlichen laute Stimme;
 Nichts—nichts, als ein selig End‘.
Das beste, was man w;nschen k;nnt‘!





Buchdruckerei der Schreiberheu Diesdorfer Rettungsanstalten. Diesdorf bei G;bersdorf, kr. Striegau.