Das Statement

Ñàøà Êèñåëüêîâà
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(Ñè¸ ïðîèçâåäåíèå, ÿ îïóáëèêîâàëà òàêæå ïî-ðóññêè, ïîä íàçâàíèåì "×òî-òî âðîäå ïðèçíàíèÿ")http://www.proza.ru/2016/06/28/540
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Die Polizei hat heute meine Wohnung durcheinander gebracht. Ich sass im Sessel am Fenster, beobachtete das Vorgehen und fragte deren Chef, was sie in der Wohnung einer 70-jaehrigen Dame finden wollen.
“Sie wissen es ganz genau!”, sagte unwirsch ein junger Polizist, den die Mutter Natur beim Charme verteilen uebersehen hatte. Armer junger Mann, dachte ich, es wird kaum eine interessante Frau geben, die auf seine grobe, unachtsame Art stehen wuerde. Und ich meinte nicht mal sein Aussehen (aeusserlich sah er gut aus), oder die Tatsache, dass er meine Wohnung durchwuehlte und in meinen privaten Sachen herumschnueffelte, sondern generell seine respektlose, grobe Art: wie er die Sachen auf den Boden schmiss, auf die er spaeter mit einem aufgesetzten “Ups” trat und wie er seine Kollegen behandelte. Seine Mitarbeiter waren viel taktvoller und entschuldigten sich, wenn sie es tun mussten. Er, im Gegensatz, wollte “es mir zeigen”.
“Und wo auch immer Sie sie versteckt haben, werden wir sie finden, auch wenn Sie sie fuenfzig Meter unter der Erde vergraben haben! Wir finden sie, dann werden wir es Ihnen zeigen!”
“Dann fangen Sie doch mit den Ausgrabungen an, dann haben Sie es schnell hinter sich”, schlug ich vor.
“An Ihrer Stelle wuerde ich die Spaesschen beiseite lassen!”, drohte er.
“Koennten Sie mir dann vielleicht doch netterweise verraten wonach genau Sie suchen?”
“Das wissen Sie! Stellen Sie sich nicht so dumm an!”, und er befahl seinen Kollegen, das Badezimmer zu durchsuchen.
“Moechten Sie vielleicht ein Glas Wein, es entspannt”, bot ich an, als die Kollegen sich im Badezimmer ans Werk machten.
Er bedachte mich nur mit einem unfreundlichen Blick und ich zuckte mit den Schultern.
“Na, dann eben nicht.”
Nachdem sie mit der Verwuestung fertig waren, verliessen sie drohend mein Haus. Ich wuenschte ihnen auch einen schoenen Abend, schloss die Tuer hinter ihnen zu und schaute mich um. Heute Abend wuerde ich sicher nicht anfangen, das Chaos zu beseitigen. Ich liess es so. Sie kaemen sowieso wieder und taeten dasselbe. Ich holte ein Weinglas aus dem Kuechenschrank, und eine Flasche Condrieu Les Chaillees de l’Enfer aus dem Kuehlschrank, von dem der Polizist nicht hatte kosten wollen und schenkte mir ein. Ich legte die Schallplatte von meinem Freund auf, setzte mich auf die Couch, nahm einen Schluck koestlichen Wein und schloss die Augen. Das von ihm selbst komponierte Lied hatte ich hunderte Male gehoert und es war nie zu viel. Es hiess “Where We Are Today, Where We’ll Be Tomorrow”.
Und ich dachte, er hat verdammt Recht! Wir koennen jede Chance nutzen und aus allem, was uns gegeben wurde, immer noch das Beste machen. Ich koennte mir jetzt aussuchen, wo ich sein moechte. Jetzt bin ich hier, aber es gibt auch viel schoenere Orte, um den Rest des Lebens zu geniessen, als diese von der Polizei durchwuehlte Wohnung in dieser verregneten Stadt. Die Sonne! Ich wuenschte mir die Sonne!
Ich rief meinen Freund an, bedankte mich noch einmal fuer diese wunderbare Platte und fragte, was er davon halten wuerde, wenn wir gleich nach Tessin umziehen und uns ein gemuetliches Haus in der Gegend von Lugano aussuchen wuerden. Er waere dabei, sagte er froehlich.
“Dann pack doch deine Sachen und hol mich ab.”
“In 30 Minuten bin ich bei dir.”
Ich liebe dich, dachte ich.
“Ich liebe dich auch”, sagte er als ob er meine Gedanken beantwortete.
Ich duschte mich schnell, zog frische bequeme Sachen f;r die Fahrt an, und kippte den Rest des Weins durch das Sieb in die Spuehle. Um sicher zu gehen, dass keiner der Diamanten in der Flasche blieb, spuehlte ich sie mit Wasser aus und wusch unter dem lauwarmen Wasserstrahl die Steine im Sieb ab. Ich schaute sie noch einmal im Licht der Kuechenlampe an. Faszinierend, wieviel diese funkelnden kleinen Steinchen fuer manche Menschen bedeuten, wieviel Wert man darauf legt… Sie waren schoen, besassen fuer mich aber keinen Wert, es gab keinen Grund weshalb ich sie unbedingt besitzen wollte. Ich gebe zu, ich habe sie nicht ganz legal erworben, aber das Geld was ich in sie investiert hatte, war auf ehrlichem Weg in einem Casino gewonnen worden. Gut, ich habe geschummelt, aber das tut dort jeder, und der, der es am besten kann – gewinnt.
Die Diamanten brauche ich nur als Kapitalanlage, ich halte nicht viel vom Rentensystem, Versicherungen, Gesetzen und Geld – das bedruckte Papier, das seinen Wert in null komma nichts verlieren kann, deshalb regle ich es auf meine Art. Mit meinen siebzig fuehle ich mich noch zu frueh fuer die Rente, ich bin gesund und fit, moechte das Leben mit meinem Freund geniessen und habe Lust auf Abenteuer.
Ich wickelte die Steine in ein Seidentuch ein, packte sie zusammen mit ein paar Sachen in die Tasche, nahm die Schallplatte mit und ging zur Tuer. Unser Timing passte wie immer perfekt zusammen. Er stand vor der Tuer. Ich laechelte sein liebes Gesicht an, er gab mir einen Kuss und umarmte mich wie nur er konnte.
“Ab nach Tessin?”, fragte ich.
“Ab nach Tessin!”, antwortete er ohne Zweifel und einander umarmend verliessen wir das Haus.


© Sasha Kisselkova 2014