Reuen und suehnen-1. Roman

Ðàèñà Êðàïï
Übersetzung : Thomas Klein, Werner Widrat
Èñêóïëåíèå íà ðóññêîì - http://www.proza.ru/2015/09/05/2022

Kira hatte ganz am hinteren Ende des Sandstrands ihr Lieblingsplätzchen, genau an der Stelle, wo aus dem Wasser ein gewaltiger schwarz-funkelnder zackiger Felsen in den Ufersand hineinragte; gleich dahinter niedrigwachsende Sträucher und Hartgräser. Der Felsen schirmte das Plätzchen vom schmalen Teil des Strands mit seinem Getümmel ab. Hier gab es Schatten und im Hochsommer ausreichend Schutz vor der glühendheißen Sonne.
Heute war ein seltener Tag, an dem aus unerfindlichen Gründen der Strand trotz der sengenden Augusthitze nahezu menschenleer blieb. Nur ganz in der Ferne auf dem breiten Uferstreifen waren schemenhaft winzige Gestalten zu sehen.
Kira drehte sich träge auf die Seite und sagte: „Ich will was essen“.
„Solln wir ins Cafe? Oder ich hol dir was“, schlug Sergej vor.
„Fahrn wir lieber nach Haus. Es ist bestimmt schon drei? Du mußt dich vor der Schicht noch ausruhn.“
„Deine gönnerhaft-fürsorgliche Art ist für mich unbezahlbar.“
„Übertreib nicht, Serjosha.“
Aufrecht kniend steckte sie ihr Haar zu einem Dutt hoch und stürzte sich mit einem hohen Satz in die ihr entgegenschlagenden Wellen. Dabei spritzte sie heftig mit dem schäumenden Wasser. In dem auf der Wasseroberfläche reflektierenden Sonnengeflirr schien Kiras zarte Gestalt so flüchtig und zerbrechlich wie ein Kristall auf. Davon ahnte sie nichts und auch nicht von dem herrlichen Anblick, den sie in diesem Moment jedem Betrachter bot. Aber selbst wenn – hätte sie sich wohl ganz unkokett und natürlich gegeben.
Sergej kramte in seinen Erinnerungen, ob Kira je mit ihm kokettiert hatte.
Fruchtlos nachsinnend wurde er in seinem Halbdusel von ihr aufgescheucht: „Bist du eingeschlafen?“
Mit einem Seufzer erhob er sich, ging langsam auf die Brandung zu, nahm Anlauf und sprang. Er tauchte wie ein geübter Tölpel, prustete, schüttelte das Wasser aus den Haaren und umfing Kiras Schultern mit beiden Händen.
„Ach, Kira, warum bist du nur so schön?“
„Hör schon auf“, zuckte Kira mürrisch mit den Achseln und entwand sich ihm.
„Den möchte ich sehn, den du nicht abwimmelst.“
„Paß bloß auf, vielleicht ist der ja schon da, und du kriegst es nur nicht mit.“
Kira spritzte Sergej mit einer sonnendurchfluteten Wasserfontäne voll, aber Sergej ließ ihre Hand nicht los.
„Wem erzählst du das, du kleines Lügenmäulchen? Schade, daß die guten alten Zeiten vorbei sind. Sonst würde ich Brautwerber zu deiner lieben Frau Mama schicken und um deine Hand anhalten. Würde dich denn überhaupt jemand fragen?“
„Zum Glück sind diese Zeiten vorbei. Und wenn ich gar nicht heiraten will, wen geht das was an?“
„Mich! Aber willst du denn wirklich nicht?“
„Das weiß ich noch nicht. Kann sein, ja. Mein lieber Serjosha, du kapierst anscheinend immer noch nicht, in was für eine Falle du da tappst. Ich bin Wassermann, eine Wasserfrau – das sagt doch schon alles, oder? Wir sind launisch und eigenwillig. Unterdrückt man uns, reagieren wir ungehalten. Wunderliche Typen sind wir, zum Gruseln, stimmt das etwa nicht? Noch dazu sind wir kalt und berechnend. Was willst du denn mit so einer Frau?“
Sergej atmete tief durch: „Was soll ich machen, wenn ich halt so eine brauche? Ich kann's nicht ändern, jedenfalls – ich warte auf dich, vergiß das nicht. Bist du erst eine alte Jungfer, nimmst du mich sicher gern“.
„Sei doch kein Narr“, sagte Kira liebevoll.
„Nun ja, alle Märchenprinzessinnen heiraten irgendwelche Deppen.“
„Einige aber auch Prinzen.“
Kira stieß sich vom sandigen Grund ab und schwamm zurück ans Ufer. Das Plätschern des Wassers um sie herum hatte gerade aufgehört, als sie festen Sandboden unter den Füßen spürte und ein für diese Stelle hier absolut ungewöhnliches Geräusch vernahm. In Dissonanz zu dem Rauschen der Brandung und dem Schreien der Möwen brummte ein Motor. Kira blickte sich verärgert um und gewahrte ein Auto. Das fuhr langsam über den feuchten Sand, und eine heranwogende Welle leckte langzüngig an dessen Rädern. Kira kannte sich mit Automarken wenig aus, aber einen einheimischen Wagen unterschied sie sehr wohl von einem ausländischen. Noch wußte sie ihre innere Unruhe nicht zu deuten, als sie im Wageninnern unverkennbar ein paar junge Männer ausmachte. In der Stadt gab es immer mehr solcher Autos, doch war allen bekannt, wer damit herumfuhr. Das Zusammentreffen mit diesen „coolen Typen“ hier dürfte nichts Gutes verheißen. Beiläufig glitt ihr Blick an dem Schlitten entlang. Hastigen Schritts ging sie zu ihrem Platz am Felsen und warf sich das große Strandtuch über die Schultern. Hinter ihr klappten leise Autotüren, Kira drehte sich blitzschnell um. Vier standen am Auto, der fünfte war hinterm Lenkrad sitzen geblieben. Mit einem Bein auf dem Sand fläzte er gegen die Rückenlehne des Fahrersitzes und nahm seelenruhig – geradezu in Zeitlupentempo – eine Zigarette aus der Schachtel, worin für Kira etwas lag, das ihr Herzklopfen verursachte. Sie hatte Mühe, sich zu beruhigen. In dem Moment kommt Sergej aus dem Wasser, geht auf die Typen zu, als wären es seine Bekannten.
„Grüßt euch, Männer!“. Sergej lächelte wohlwollend: „Grüß dich, Gleb“.
„Grüß dich“, antwortete für alle der kurzgeschorene Kraftprotz im T-Shirt, das sein nicht unansehnliches Muskelspiel dem Auge des Betrachters freigab.
„Wie ist das Wasser?“
„So, wie es sein muß.“
„Wolltest du schon gehn?“
„Ja, macht ihr es euch bequem, wir wollt'n grad gehn.“
„Ist das da deine?“, fragte der mit einer Kopfbewegung in Kiras Richtung.
„Meine Frau.“
„Oh, das ist gut. Geh du nur voraus, sie soll aber noch ein bißchen mit uns baden.“
„Du hast ja 'nen komischen Humor. Wo soll denn die Stelle zum Lachen sein?“
„Kommste nicht selber drauf, hm? Hast wohl auch mitm Hirn Probleme, nicht nur mitm Humor?“, wollte ihm Katschok der Springer auf die Sprünge helfen.
„Troll dich, sonst machen wir dir Beine. Ich kann kaum noch an mich halten vor lauter Sehnsucht nach deiner Langbeinigen.“
Sergej sah zu Gleb hinüber im Auto, in der Hoffnung, er möge seine Spaßvögel besänftigen. Der zog nur schweigend an seiner Zigarette.
„Du bist doch kein Abschaum, Gleb!“
„Geh uns nicht auf die Nerven.“
Einer der Kerle legte seine Hand auf Sergejs Schulter.
„Von dir wollen wir doch gar nichts. Mit Schwulen haben wir's nicht. Hau endlich ab, geh uns nicht aufn Sack!“ „Mach die Fliege!“

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