Teil 17 Visionen

Моргенштерн 2
Schrill klingelte das Telefon. Sie oeffnete die Augen. Es war schon dunkel, aber die Strassenlaternen warfen helle Streifen auf den Fussboden.
- Wo bist du? Melde dich bitte!- sprach ihre Freundin auf  Anrufbeantworter.- Morgen ist der 1.Mai. Ich bin auf der Datsche.
Ich warte auf dich.

Verblutet...Was bedeutet das? Was fuer ein missverstaendlicher
Ausdruck! Ist das ein geringer Blutverlust oder ein toedlicher?
Hat er sich etwas angetan? Oder war das ein Unfall? Oder eine
misslungene Zahnoperation, zu der ihn seine Freundin ueberredete?

Die Mutter konnte sich nicht bewegen. Und ein tiefes-tiefes Unglueck ueberrollte sie, wie eine tonnenschwere Ozeanwelle...

Sie sah ihr Baby in ihrer ersten Wohnung in der Wernerstrasse auf
dem grossen Esstisch liegen, wo er das erstemal zu Hause frisch
gewickelt werden musste, als sie ihn im Alter von 12 Tagen aus
der Kinderklinik abgeholt hatte.

"Mein Baby, mein Goldkoernchen...Mein Baby, mein Goldkoernchen..."


- Gott im Himmel, mach es ungeschehen...

Sie starrte vor sich hin in einen Punkt, in die schweigende Ferne, und wiederholte es immer wieder waehrend der langen Fahrt
auf der Autobahn: "Mein Baby, mein Goldkoernchen..."

- Gott, mach es ungeschehen, lieber Gott!

Ihre Traurigkeit war grenzenlos, und nur selten kehrte der Gedanke daran zurueck, dass in der Sache etwas nicht stimmte,
weil die Frau so gleichgueltig gesagt hat: "Nichts. Nur verblutet."  So spricht man in einem Todesfall nicht. Die Frau
war brutal. Sollte der einsamen Mutter wieder die Falle

gestellt werden, um sie anzuzeigen, wenn sie mit lautem Weinen
und bebender Stimme vor dem Haus seiner Freundin, wo er angeblich wohnte, erschienen waere?  Hat ihre Intuition sie vor der
geplanten Provokation bewahrt?  Hatte sie recht, dass sie sich wie
im Dschungel verfolgt fuehlte?

Vom 30. April bis zum 5. Mai werden die arbeitsfreien Tage dauern, an denen sie niergengs anrufen kann. Es hielt sie
nichts mehr hier. Alles, was ihr lieb und heilig in dieser Stadt war, haben die Feinde schon lange entweiht.

"Mein Baby, mein Goldkoernchen, du bist an die falsche
Freundin geraten..."

30 Tage liess sie die Stadtzeitung ungelesen liegen, um Todesanzeige nicht zu sehen, um sie ungeschehen zu machen, sie schaltete das Telefon ab.
Danach schloss sie ihre Wohnungstuer hinter sich fuer immer zu.

Es war ihr klar, dass sie den Umzug moeglicherweise nicht
ueberleben wird. Die Belastung war enorm.
 Im Juni waehlte sie meine Dienstnummer:
- Kein Anschluss unter dieser Nummer...Kein Anschluss unter dieser Nummer...Kein Anschluss...
Sie weinte bitter.

Und noch eine traurige Erinnerung aus meiner Kindheit ueberrolte sie mit aller Wucht:
als ich Kleinkind war, hat mir eine Hollywood- Schaukel im
Kindergarten den rechten Oberschenkel gebrochen. Beim Sturz schlug ich mit dem Kopf auf die harte Erde und quetschte mir das Hoernerv im rechten Ohr.

Es geschah am 24.November 1982. Ich war ein Hauskind.  Meine Mutter
bekam fuer drei Tage Dolmetscherauftrag, sonst war sie mit mir immer zu Hause. Mein Vater hatte noch einige Tage Resturlaub,
den er bis Ende des Jahres nehmen musste.  Aber er weigerte sich hartnaeckig, mich drei Tage lang zu betreuen.

Zusammen brachten sie mich als Gastkind in einen Kindergarten. Dort passierte der schwere Unfall. Nach zwei Beinoperationen
lag ich viele Monate lang in einem Coxitisgips zu Hause, und
meine Mutter blieb neben mir Tag und Nacht.

24 Jahre speater aenderte der Bundestag das Kinderbetreuungsgesetz, und ihre Rente wurde um all die Krankentage gekuerzt, die sie mich wegen meiner Unfaelle zu Hause betreute.

Zwar hat sie in den schweren ungluecklichen Monaten ab und zu
Uebersetzungen erledigt, um das Geld fuer uns zu verdienen, aber sie rechnete ihr Honorar im Finanzamt nicht ab und zahlte keine Steuer. Sie dachte nur daran, dass ich versorgt werden muss, koste es, was es wolle.

Sie kaufte mir einen russischen Baukasten mit wunderbarem Montagematerial darin. Ich schraubte Baukraene, Bruecken, Laternen zusammen und liess winzige Laempchen leuchten.  Monatelang musste ich auf dem Ruecken liegen. Meine Baustelle lag auf meiner Brust.

DER GROBE UNDANK war die Folge. Ihre Rente wurde gekuerzt, aber
ich eilte ihr nicht zur Hilfe.

...Die Unfaelle passierten, als mein Vater mich auf der Datsche beaufsichtigen musste. Die Mutter kehrte nach Dolmetschereinsaetzen zurueck in die verdreckte Wohnung mit einem Berg unserer schmutzigen Waesche, er oeffnete die

Wohnungstuer von aussen, stiess seinen verletzten, erkaelteten Sohn herein und verschwand in seinem Bierdelirium zu anderen Genuessen.
- Da! Damit du weiss, was du zu tun hast!- bruellte er.
 
Mama verarztete mich, nahm mich in ihre kleine warme Haende, gab mir all die Geschenke, die ihr auslaendische Delegationen zum Andenken ueberreichten, und sprach zu mir:
- Nimm! Das ist alles fuer dich dafuer, dass du auf deine Mamotschka gewartet hast; dafuer, dass du Mamotschka arbeiten laesst...

Und wieder blieb sie Tage oder Wochen mit mir zu Hause, bis ich gesund wurde...Einmal bin ich in unserem Garten auf einem vereisten Brett ausgerutscht und riss mir ein viertel der Nase ab. Das Brett haette dort nicht liegen duerfen, aber der Hulk raumte es nicht weg.

Durch diesen Unfall hat meine Mutter wieder ihre Arbeit abgebrochen und sie wachte ueber mir Tag und Nacht, damit ich meine Nase nicht beruehre und das Verband aus Versehen nicht abreise. Sie erklaerte es mir und ich folgte. Sie war uebergluecklich, als meine Nase ohne Narbe ausheilte. Nur unter der Haut kann man eine kleine Vertiefung sehen: dort fehlt ein Stueck Muskel.

Sie hat es immer bewundert, wie klug und vernunftig ich als Kleinkind war.

Nie im Leben entschuldigte sich mein Vater fuer all die Koerperschaeden, an denen er schuldig war. Nie kam ihm ein Bedauern ueber die Lippen. Waehrend
der Scheidung verzichtete er gaenzlich auf das Sorgerecht. Genau so brutal
war sein Vater ihm gegenueber.

Bin ich nun auch so geworden?      

...Am 28. Juli 2003 waehlte sie wieder meine Dienstnummer, und ich meldete mich.
Ab dann wusste sie, dass sie mit ihren Gebeten das Geschehene
ungeschehen gemacht hat oder einer Falle entkommen ist.

Sie schwieg. Sie hat mich nicht angesprochen, weil ich es ihr schon lange verboten habe.

Zwischen uns lagen die Welten: sie war die Gejagte, ich genoss
mein Leben.

               STRAFBEFEHL WEGEN BETRUGS

"Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergaben folgenden Sachverhalt:
Sie beantragten die Pfaendung des Ehegattenunterhalts aus der Rente von Ihrem geschiedenen Ehemann. Dafuer verwendeten Sie als vollstreckbarer Titel Ihren Scheidungsurteil, wobei es Ihnen
bekannt war, dass dieser Titel abgeaendert wurde, wonach Ihr

geschiedener Ehemann zur Zahlung des nachehelichen Unterhalts nicht mehr verpflichtet ist.
Sie beantragten 100 Euro monatlich, was sich aus der Umrechnung von 200 DM laut Urteil ergibt.

Durch die wahrheitswidrigen Angaben wollten Sie erreichen, dass
Sie den Unterhalt erlangen koennen, der Ihnen durch Abaenderung
versagt wurde.
Da der Geschiedene noch kein Rentner ist, erfolgte keine Auszahlung.

Daher werden Sie beschuldigt, versucht zu haben, in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermoegensvorteil zu verschaffen-
strafbar als versuchter Betrug gem.§ 263 Abs. 1 Abs.2,22,23 Abs. 1 StGB. (? unklar im Original- Autor M2).

Gegen Sie wird eine Geldstrafe in Hoehe von 40 Tagessaetzen verhaengt. Der Tagessatz wird auf 20 Euro festgesetzt. Die Geldstrafe betraegt somit insgesamt 800,- Euro.

An der Stelle einer unerbringlichen Geldstrafe tritt Freiheitsstrafe.

Einem Tagessatz entspricht ein Tag Freiheitsstrafe: 40 Tage.

Sie haben die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen zu tragen.

Dieses Strafbefehl wird rechtskraeftig und vollstreckbar, soweit Sie nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Zustellung  dem
vorstehend bezeichneten Amtsgericht schriftlich oder zu
Protokoll der Geschaeftsstelle Einspruch erheben.

Die schriftliche Erklaerung muss in deutscher Sprache erfolgen.
Datum                Ausgefertigt
Gez. M
Richter "
Es gab keine Unterschrift, nur Stempel mit dem Namen M.

Sie erlitt einen Schock.  Ploetzlich bekam sie akute Darmschmerzen, Durchfall und Uebelkeit. Ihre Kleidung wurde schlagartig durchnaesst mit eiskaltem Schweiss.  Alle zwanzig Minuten musste sie sich umziehen.  Sie leistete sich erste Hilfe

mit Medikamenten und Wermuttee. Wie rachsuechtig ist doch diese
Vack! Und schon wieder hat sie sich versteckt. Ihr Name tauchte nicht auf. Aber von der Polizei erfuhr
die Mutter, dass all das  diese miese Ratte inszenierte.

Hat Richter M. den Text ohne zu lesen abgestempelt?  Er hatte einen sehr verbreiteten Familiennamen.  So heissen Millionen Deutsche.  Die
Vornamen werden in der Justiz geheim gehalten.
Am Montag rief die Mutter im Gericht an.  Sie wollte den Richter
informieren.

- Herr M. ist nicht mehr bei uns.  Er war nur ein Tag da.  Er hat hier keine Planstelle.

Das ist ein Ding!  Er stempelte seinen Namen auf den Strafbefehl
ohne zustaendig zu sein und ging davon!

Es fiel der Mutter ein, wie der Justizminister stolz ueber einen
Absolvent der juristischen Fakultaet sprach: dieser Absolvent hiess M. und war waehrend des Studiums ein Einsen- Student, was
selten unter Jura- Studenten vorkommt (hoert-hoert!)

Dennoch konnte ihm der Minister keine angemessene Stelle bieten,  weil alle Planstellen seit 1991 fuer 25 Jahre im voraus durch
zugereiste westdeutsche Juristen besetzt wurden. Der Junge hatte Pech.

1960 war meine Mutter ebenfalls eine Einsen- Absolventin.  Sie
bekam Diplom mit Auszeichnung nach ihrem fuenfjaehrigen Studium.
Der junge Richter haette altersmaessig ihr Student sein koennen.

Aber eine solche Herangehensweise wuerde sie ihm nicht unterrichten.  Wo blieb die Praesumption der Unschuldigkeit?
Warum ploetzlich "der Betrug" statt des "Verdachts eines Betrugs"?

Sie hat die Stellungnahme ans Gericht gefaxt.

Um Mitternacht rief sie den Notarzt und wurde ins Krankenhaus
gebracht. 
               "EINSPRUCH

Hiermit erhebe ich Einspruch gegen Strafbefehl und uebersende
aerztliches Attest.
Es wird im Strafbefehl behauptet: "Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergaben folgenden Sachverhalt..."

Diese Behauptung wurde Herrn Richter M. vorgelogen.

Die Staatsanwaltschaft ermittelte nichts, und zwar : wie ich bereits in meiner ersten Stellungnahme geschrieben habe, verunglimpfte mich die Anwaeltin Vack vor ihrer Freundin
Staatsanwaeltin S., und die Sache bekam sofort das Aktenzeichen №.

So wurde der Gerichtsprozess unvermeidlich beschleunigt. Als ich mit dem Richter sprechen wollte, hat es geheissen: "Er ist nicht mehr bei uns".

Auf diese Weise kann bei dem naechsten Richter der Eindruck entstehen, dass die Staatsanwaltschaft und der Richter tatsaechlich alles geprueft haetten. Aber dem ist nicht so.

Die Anwaeltin Vack pfaendete gesetzwidrig aus meiner Invalidenrente ca. 1500,- DM,  obwohl diese Rente meine einzige
Existenzgrundlage ist.  Als Juristin wusste sie, dass die Invalidenrente gesetzlich geschuetzt ist. Ich beschwerte mich

ueberall gegen die Pfaendung und erboste damit Frau Vack, jedoch bereicherte sie sich brutal weiter, waehrend ich hungerte und meine Miete nicht bezahlen konnte.
Die Verunglimpfung unter Aktenzeichen №... bedeutet, dass Frau Vack die Staatsanwaltschaft fuer ihre private Rache missbraucht
hat.

Ich beantrage die Einstellung des Verfahrens.

Mein Recht auf nachehelichen Unterhalt bzw. Versorgungsausgleich ist die Angelegenheit des Familiengerichts.
Zwar folgte ich dem falschen Rat der BfA im Zusammenhang mit der

neuen Grundsicherung- Regelung, die fuer mich leider nicht gilt, weil mir der Ehegattenunterhalt zusteht, und fragte in der Rentenanstalt des Gatten nach, ob er bereits die Rente bekommt,- aber es wurde nichts gapfaendet, weil er kein Rentner ist.   

Der Strafbefehl ist unbegruendet.

Frau Morgenstern "

Die Mutter fragte im Strafgericht wegen PKH nach.

- Sie bekommen keine Prozesskostenhilfe. Sie muessen selbst fuer
alles bezahlen.
- Bekomme ich einen Strafverteidiger?
- Nein. Fuer diese Art Klage gibt es keinen Verteidiger. Sie
muessen SELBST einen ANWALT nehmen.
- Wer ist der Klaeger?
- Es gibt keinen Klaeger. (Das ist doch nicht zu fassen! - Autor
M2)

Der Stalking wurde raffiniert eingefaedelt! Die Mutter wusste, wer dahinter
steckt.

http://www.proza.ru/2013/12/13/281