Teil 5 Das Protokoll in Konditionalis I

Моргенштерн 2
Viele Tage nach dem Gericht ist per Post das Protokoll gekommen:

"In der Familiensache Herr M. gegen Frau M. wegen nachehelichen Ehegattenunterhalts erscheinen bei Aufruf:
Der Klaeger in Person mit Frau Rechtsanwaeltin Vack
Die Beklagte in Person mit Frau Rechtsanwaeltin Jack

Die Beklagtenvertreterin Jack ueberreicht Schriftsatz zu den Gerichtsakten. (Der Inhalt war ihrer Mandantin nicht bekannt- Autor M2).
Doppel hiervon wird an die Klaegervertreterin Vack zu Kenntnisnahme ausgefolgt.

Vor Antragstellung weist das Gericht auf eine Entscheidung des
Oberlandesgerichts Hamm vom 20.12.1985. Insbesondere im Hinblick auf die Anrechnung der zwischenzeitlich von der Beklagten bezogenen Rentenbetraege aus der Erwerbsunfaehigkeitsrente.

                Beschlossen und verkuendet:
Die Beklagte erklaert, dass sie nach wie vor noch Belastungen, resultierend aus dem Amerikaaufenthalt ihres Sohnes, an die
Bank zurueckzuzahlen HABE (Konditionalis I statt Praesens- Autor Morgenstern 2).

Darueber hinaus erklaert die Beklagte, sie HABE Mehraufwendungen
durch Bezahlung von Hilfskraeften aufgrund ihrer eigenen Invaliditaet.

Klaegervertreterin beantragt WIE IM SCHRIFTSATZ VOM 13.01.1997,
Blatt 69 der Akten. (Inhalt bitte?- Autor M2)

Beklagtenvertreterin beantragt Klageabweisung.

Darueber hinaus erklaeren die Parteien den Antrag der Beklagten und Widerklaegerin aus dem Schriftsatz vom 13.9. 1996, hier Ziff. 1, uebereinstimmend fuer ERLEDIGT (Luege!- Autor M2) und
die Beklagte und Widerklaegerin beantragt aus dem Schrriftsatz vom 13.9.1996, hier Ziff.2. (Was denn?- Autor M2)

Die Klaegerin und Widerbeklaegte beantragt Klageabweisung und verweist insofern auf den Schriftsatz vom 26.9.1996 (Was konkret?- Autor M2)

              Beschlossen und verkuendet:

Verkuendungstermin wird bestimmt auf Donnerstag, den 13.2.1997,
12:05 Uhr
gez. Richterin Brack"

Mit diesem Ping-Pong von Ziff. und Andeutungen auf unbekannte Schriftsaetze werden innerhalb von 15 Minuten Menschenleben
zerstoert.
Statt Dialog der Anwaelte zu nennen, wird vorgetauscht, als haette die Beklagte selbst gesprochen: "die Beklagte beantragt", "die Beklagte erklaert" etc. In der Wirklichkeit
duerfte die Beklagte kein Wort sagen.

Der Verkuendungstermin bedeutet nicht, dass die Mandanten tatsaechlich an dem Tag ueber das unklare Protokoll sprechen
duerfen. Nein! Am 13.2.1997 wird das Urteil, dessen Inhalt im Gericht nicht verhandelt wurde,auf den Postweg gebracht und bricht in ein Leben herein, wie die Axt.

                " Das Urteil

1. Es wird festgestellt, dass der Klaeger ab Mai 1996 nicht mehr zur Zahlung von nachehelichem Ehegattenunterhalt an die Beklagte verpflichtet ist.
2. Die Widerklage wird abgewiesen.
3. Die Beklagte hat Kosten des Rechtsstreits 445 DM zu tragen."

Panik! Schwarze Panik! Was fuer Kosten? Aus welchen Mitteln zahlen? Wovon leben? Sie zahlt doch noch den Ausbildungskredit des Sohnes zurueck! Sie hat kein Geld fuer Lebensmittel! Ihr wurde die Prozesskostenhilfe versprochen!

Sie waehlte mehrmals die Telefonnummer der Anwaeltin Jack. Ein Kollege antwortete mehrmals, dass Frau Jack im Stau steckt. Der Tag ging zu Ende. Es ist kein Gespraech zustande gekommen. In den naechsten 3 Tagen wiederholte sich die Geschichte: Frau Jack steckte im Stau.

Die Panik wuchs. Der Schreck vor einer weiteren Verarmung war ueberwaeltigend. Die Mutter ging zu einer anderen Anwaeltin und beantragte sie, bei der Jack nachzufragen, ob sie den Prozesskostenantrag gestellt haette? Nach 3 Tagen ist eine posituve Antwort gekommen: ja, die PKH ist beantragt worden.

Die Mutter beruhigte sich ein wenig, aber in derselben Nacht fielen ihr alle Haare und Wimpern aus. Wieder ein Schicksalsschlag!

Vor 2,5 Jahren brach sie sich den rechten Arm, als sie dem Streit ueber die Datsche aus dem Weg gehen wollte. Sie besichtigte einen Kleingarten, der zum Verkauf annonciert wurde.

Die Besitzerin ging im langen weiten Rock durch hohes Gras unmittelbar vor meiner Mutter vor. Dann blieb sie ploetzlich stehen und zeigte auf das Laubendach. Im hohen Gras vor dem rechten Fuss meiner Mutter befand sich ein hoher Bordstein, der nicht zu sehen war. Als die Frauen sich wieder in Bewegung setzten, fiel meine Mutter hin, ohne sich gestolpert zu haben.

Der rechte Unterarm brach. Die rechte Hand war ein Jahr lang wie gelaehmt. Mit einer linken Hand konnte meine Mutter absolut nichts machen. Sie war allein in ihrer Wohnung. Frueher wuenschte sich meine vielseitig begabte Mutter acht Arme und

acht Haende wie der Gott Shiwa, wie ein Oktopus, der mit jeder Hand etwas anderes tut- ein belastbarer Oktopus, einer, fuer den alles Priopitaet hatte, was fuer die Familie zu tun war...Aber nach dem Unfall konnte sie fuer sich nicht einmal Brot schneiden.

Aber das war erst der Anfang des Boesen.

-2-
                Die Berufung, 2. Instanz

Einige Tage nach dem Urteil vergingen.Weit und breit kein Trost,
kein guter Rat. Die Bekannten kennen sich in den neuen Gesetzen
nicht aus. Soll meine Mutter in die Berufung gehen oder nicht?
Die Zeit draengte.Man darf die Berufung nur innerhalb von 4 Wochen nach der Zustellung des Urteils der 1. Instanz einlegen.

Das Urteil wurde am 7.Maerz zugestellt. Folglich hat man genau bis zum 7.April Zeit fuer die FOERMLICHE Einlegung der Berufung.
Die Begruendung darf auch spaeter geschrieben werden...durch
einen Anwalt! Ja, leider besteht der Rechtsanwaltszwang fuer die 2. Instanz.

Der Anwalt meldet die Berufung an und bekommt ein Aktenzeichen.
Wenn man die vier Wochen verpasst, ist die Berufung nie wieder
zulaessig.
In grosser Panik wurde noch ein einheimischer Anwalt gefunden,der mit Bus zu erreichen war. Irgendwie hatte die

Mutter immer noch Illusionen, dass die einheimischen Akademiker
durch Ethik und Moral gekennzeichnet sein sollten. So waren ihre
Mitarbeiter in der DDR. Sie  lernte hervorragende Wissenschaftler, Ingenieure und Kulturschaffende kennen.

Der neue Anwalt sass mit schwarzer Brille in einem dunklen Zimmer. Die verzweifelte Frau erzaehlte ihm, was passiert ist. Sie kann 445 DM Honorar an die gegnerische Anwaeltin nicht zahlen.
Ohne die juristischen Zusammenhaenge begriffen zu haben, hoffte

sie, dass durch die Berufung diese Geldforderung aufgehoben
werden kann.
- Das machen wir mit links!- erklaerte der Anwalt Wolf.- Ich habe keine Angst vor der Richterin Brack! Ich kenne ihre Art!
Es ist am schlimmsten,den ersten Termin um 9 Uhr am Montag bei ihr zu haben.Sie kann sich nicht beherrschen. Sie hasst ihre
Arbeit und uns. Aber der Posten als Richterin mit 8000 DM Gehalt
war fuer sie nur hier in Ostdeutschland moeglich. Das grosse Geld
und der Kindersegen...Das verdankt sie nur der deutschen Vereinigung. Schade, dass sie wieder da ist. Sie war schon zwei Jahre weg, nun ist sie wieder gekommen.Sie hatte Babypause...und
das in ihrem betagten Alter zweimal! In ihrer Heimatstadt waeren
die unehelichen Kinder eine Schande, aber bei uns im Osten darf man alles.

Danach erzaehlte er die Einzelheiten aus der Intimsphaere der Dame.
Aber wozu redet er ueber sie? Sie arbeitet nicht in der 2. Instanz!

- Sie kennen sich alle untereinander,- antwortete er.- Sie stammen aus dem gleichen Nest!

Er wird am 7.April die Berufung einlegen,sagte er. Ab dann wird er vier Wochen Verlaengerung bekommen, um die eigentliche Arbeit
zu tun - die Berufungsbegruendung zu schreiben. Dafuer wird er die Gerichtsakte aus dem Familiengericht anfordern.

Aber 5 Tage spaeter, am 19. Maerz, ist folgendes geschehen:
seine schlampige Sekretaerin hat zwei Dokumente geschrieben: die
Rechnung an meine Mutter in Hoehe von 133,52 DM fuer die Beantragung der Prozesskostenhilfe in der 2. Instanz und den Antrag

auf die foermliche Einlegung der Berufung.
Als meine Mutter dieses 2. Dokument gesehen hat, wusste sie sofort, dass ein neues Unheil auf sie zurollt: das Datum 19. Maerz
( statt 7. April) bedeutete, dass die Berufungsfrist nicht 4 Wochen nach der Zustellung, sondern 12 Tage nach der Zustellung beginnen wird.

Durch diesen Schreibfehler wurde der Anwalt um 18 Arbeitstage beschnitten.Die Berufungsfrist wird nun am 19. April enden. Bis dahin wird der Anwalt die Berufungsbegruendung nicht fertigstellen und nicht einreichen. Auch die zulaessige Verlaengerung um vier Wochen kann die verlorenen 18 Tage nicht
wettmacnen, weil die Verlaengerung am 19. Mai enden wird.

Am 27. Maerz ging die Mutter ins Anwaltsbuero, um Einsicht in
die Gerichtsakte zu nehmen.
Der Anwalt war sehr optimistisch. Er stellte fest, dass man in
der Sache viele Verfahrensfehler gemacht hatte und dass er die
Berufung GEWINNEN WIRD!

-3-

Die Verfahrensfehler waren:
- Die Klageschrift gegen den Ehegattenunterhalt wurde meiner Mutter nicht zugestellt. Sie wurde der Anwaeltin Jack zugestellt,die von meiner Mutter keine Vollmacht hatte.
- Am 21.6.1996 wurde die Beklagte aufgefordert, binnen einer Frist von 2 Wochen nach der Zustellung der Klageschrift auf die Klage zu erwidern. Diese Post hat meine Mutter nicht bekommen.
Sie wusste nichts von einer Klage. (Sie war gerade mit meinem
Studiumplatzproblem wegen des fehlenden Hochschultests beschaeftigt).
- Am 19.6. wurde ein Gerichtstermin anberaumt.Aber ein Tag vorher, am 18.6., wurde der Termin aufgehoben. Erst am 21.6.
hat die Anwaeltin Jack rueckwirkend (!)die ABLADUNG zum Termin
bekommen.
- Am 16.8. bekam die Anwaeltin Jack die Ladung zum Termin am
18.9.Meine Mutter bekam nichts und staunte jetzt, was sich damals hinter ihrem Ruecken abspielte!
- Am 13. September 1996 beantragte die Anwaeltin Jack ihre
Beiordnung und die Prozesskostenhilfe fuer meine Mutter.
ABER in der Akte befanden sich KEINE BEIORDNUNG und KEINE
BEWILLIGUNG der PKH! Die Richterin hat die Antraege NICHT BEACHTET! Und die Anwaeltin erschien im Gericht ohne Beiordnung und ohne PKH-Bewilligung! Wo waren denn ihre Augen?!
Warum hat sie nichts geprueft?!

Nun wusste meine Mutter, WANN sie verraten und verkauft wurde.

Und jetzt auch noch der Fehler der Anwaltssekretaerin! Sie wies den Anwalt Wolf darauf hin, dass seine Sekretaerin viel zu frueh, und zwar am 19. Maerz, die foermliche Berufung eingelegt hatte. Aber er beruhigte sie:
- Es wird alles gut! Natuerlich ist die Sache mit 2400 DM wenig lukrativ (je 200 DM Unterhalt mal 12 Monate). Aber neulich
krachten auf der Strasse vor seinem Buero zwei Autos, und ein
Beteiligter am Unfall stuerzte herein, knallte ihm sechs tausend Mark auf den Tisch, damit er alles tut, um die Einziehung seines Fuehrerscheins durch die Polizei zu verhindern...

So gleicht sich mein Honorar aus,- schluessfolgerte er.

Die Mutter schaemte sich ihrer Armut und gab dem Anwalt 50 DM, die sie vorher fuer die Lebensmittel geborgt hatte. Er nahm
das Geld wie selbstverstaendlich an und wuenschte ihr frohe Ostern. Am naechsten Tag war Karfreitag.

Zwei Tage spaeter, am Sonnabend wurde ploetzlich die zweite
Ausfertigung des Urteils vom 29.1. zugestellt. Dabei lag eine Aufforderung, die erste Ausfertigung zurueckzugeben.
Die zweite Ausfertigung trug das Datum 26. Februar 1997.

Was sollte das alles bedeuten?! Erschuettert rief die Mutter den Anwalt Wolf an. Er antwortete gereizt. Er wuesste auch nicht. Frau Morgenstern soll am 1. April zu ihm kommen.
 
(Erst viele Jahre spaeter werde ich begreifen: die Ursache der 2. Ausfertigung war, dass die Anwaeltin Jack nach dem Schlamassel auf ihren Mandat verzichtete und liess meine Mutter im Stich, ohne mit ihr gesprochen zu haben.)
   
Am 1. April ging sie zum Bus an der Sparkasse vorbei und hat von ihrem Dispo-Kredit den Betrag 133,52 DM an den Anwalt ueberweisen. Auf ihrem Konto standen 3000 DM SOLL, aber irgendwie musste die Berufung finanziert werden...Die Berufungsfrist lief bald aus. Das jagte der Mutter Angst ein.

Sie wollte dem Anwalt ihre Zuverlaessigkeit zeigen und bezahlte seine Rechnung.
...Als sie sein Buero betreten hat, erkannte sie ihn nicht wieder: der Mann schien einem Nervenzusammenbruch nahe. Vor 5 Tagen hat er es erwaehnt, dass er Berufsunfaehigkeitsrentner ist. Nun dachte die Mutter, dass seine Erkrankung akute Form angenommen haette.

- 4 -

Er zitterte und flehte die Frau Morgenstern an, die Gerichtsakte an sich zu nehmen und einen westdeutschen Anwalt aufzusuchen. Sie hat ja die 2. Ausfertigung des Urteils bekommen, damit beginnt die Frist von neuem, und es gibt noch genug Zeit fuer einen anderen Anwalt, - sprach er.

Er nahm die schwarze Brille ab. In seinen Augen standen Traenen. Schluchzend erzaehlte er, wie er im Oberlandesgericht gepeinigt wird, wie ihn die zugereisten Richter erniedrigen. Sie fragten ihn immer wieder, ob er ueberhaupt studiert haette, wie sein Name waere und so weiter, und so weiter.Sie koennen sich seinen Namen nicht merken und behandeln ihn wie eine Luftblase.

- Aber ich habe Ihnen bereits 183,52 DM bezahlt!- sagte meine barmherzige Mama. Sein Zustand tat ihr leid.
- Wenn Sie die Gerichtsakte kopiert haben, bringen Sie sie mir zurueck, und ich gebe Ihnen das Geld. Ich werde nur 50 DM behalten,- antwortete der schluchzende Anwalt.

Alles von neuem anfangen? Einem neuen Anwalt wieder alles zu erzaehlen? Wieder leiden? Wieder schlaflose Naechte und neue Termine? Neue Vorauszahlungen vom Dispo- Kredit? Ihre Stimme versagte. Sie weinte. Sie ging in die Berufung, weil sie gegen das Honorar fuer die 1. Instanz 445 DM klagen wollte. Wo soll
sie jetzt noch mehr Geld hernehmen?

Der Anwalt schuettelte mit dem Kopf:
- 445 DM! Das ist doch kein Geld fuer zugereiste Richter! Sie wuerden uns auslachen! Sie bewegen Millionen!

Er schob meiner Mutter ein Blatt Papier zu.
- Unterschreiben Sie, dass Sie die Gerichtsakte mitgenommen haben.

Einen Augenblick zoegerte sie. Was tun? Das ist seine Entscheidung - nicht ihre!
- Aber die Frist...die Berufungsfrist lauft ab,- dachte sie ganz verloren in dieser fremden Welt...und hat unterschrieben.
Das Blatt verschwand schnell in seiner Schublade.

Sie ahnte nicht, dass ihr DIE FALLE GESTELLT WURDE.

- Wir haben noch kein Aktenzeichen! Ihnen werden keine Kosten entstehen! Die Gegenseite hat noch keinen Wind davon bekommen!-
rief er ihr hinterher.

DAS WAR EINE INFAME LUEGE.

                Der westdeutsche Anwalt.

Im Nachbarhaus befand sich das Buero von einem westdeutschen Anwalt. Er war mit der ganzen Familie, die in seinem Buero mitarbeitete, in unsere Stadt uebersiedelt.
Zu diesem Thema schrieb unsere Stadtzeitung:
"Am Bezirksgericht sind gegenwaertig mit 523 die meisten Anwaelte zugelassen, in Leipzig gibt es nur einen weniger, und in
Chemnitz liegen 370 Zulassungen vor.

- 5 -

Zukuenftig wird mit von einem Anwalt pro tausend Einwohner gerechnet, insgesamt also etwa mit 4000.Eine aehnliche Dichte wie im Westen ist von vornherein nicht anzustreben, lebt doch dort rund ein Drittel der Berufskollegen am Rande des Existenzminimums."

Fuer 16 DM wurde die Gerichtsakte kopiert. Das war teuer. Am 15. April suchte sie den Anwalt auf. An dem Tag sah er wie ein alter Chippolino
aus. Ja, eben wie ein Rentner- Chippollino. Wissen Sie, wer
Chippollino war?

Seine russische Abwandlung hiess Buratino. Er war ein Knabe-
Zwiebelchen. Das Anwaltsgesicht war ein bischen lila. Seine vergilbten Haare steckten hoch und schienen zusammengeklebt. Die
Augen stachen hervor.Sie schauten klug. Und das war die Hauptsache.

Jedoch sprach er, dass er fuer die Prozesskostenhilfe nicht arbeiten wird. Es waere unter seiner Menschenwuerde. Er sei als Berater im Rathaus fuer das Honorar 300.000 DM taetig.Er wird
die Berufung GEWINNEN! Danach muss meine Mutter ihm auf die Hand
2200 DM ohne Quittung geben.

Zum naechsten Termin nahm Mutter eine Freundin mit. Sie gab dem Anwalt ohne Quittung 200 DM Vorschuss in vier Banknoten je 50 DM. Vorsorglich notierten die Frauen die Nummern von den Geldscheinen. Der Anwalt hat versprochen, die Berufung rechtzeitig einzulegen.

Am Ende der vierwoechigen Frist rief Mama in der Anwaltskanzlei an und sagte schuechtern, dass die Berufungsfrist ablauft. Es war der 20. Mai 1997.

- Was fuer eine Berufungsfrist?- fragte die erstaunte Rechtsanwaltsgattin. -  Wir haben Ihnen die Unterlagen laengst zurueckgegeben!
- Wie bitte? Ich habe nichts bekommen! Wo soll das gewesen sein?!
- Na, wir haben das Ihrer Nachbarin gegeben!
- Welcher Nachbarin? In meinem Haus sind 12 Wohnungen!
- Na, fragen Sie im Erdgeschoss!

Im Erdgeschoss fanden sich die Gerichtsunterlagen bei einer Frau, die im Einzugsstress war. Sie kannte niemanden in unserem Haus. In der Hektik hat sie vergessen, dass ihr jemand vor vielen Tagen einen dicken Umschlag in die Haende gedrueckt hat.

Den Unterlagen lag das Schreiben vom Anwalt Oska vom 17.4.1997 bei:
          "Sehr geehrte Frau Morgenstern!
In obiger Sache nehmen wir Bezug auf unsere Besprechung vom 15.4. Nach Durchsicht der Unterlagen kommen wir zu dem Ergebnis, dass wir aus zeitlichen Gruenden in dieser rechtlich schwierigen und umfangreichen Angelegenheit nicht in der Lage sind, die Sache zu uebernehmen.

Zu unserer Entlastung reichen wir die uns ueberlassenen Unterlagen zurueck. Wir weisen darauf hin, dass die Berufungsfrist am 22.4. ablauft. Wir empfehlen, mit der Sache einen der Kollegen zu beauftragen, die fuer Sie bereits taetig waren."( Also Frau Jack und Herr Wolf?! Das ist doch absurd!-Autor M2)

Mit den Unterlagen von der Nachbarin ist meine Mutter ins Buero zu der Anwaltsgattin geeilt. Der Tag neigte zu Ende.
- Wir sind schuld,- sagte die Rechtsanwaltsgattin.- Wir werden jetzt dringend die Fristverlaengerung beantragen!

Aber ein Tag spaeter erreichte uns eine umwerfende Nachricht:
"In obiger Sache habe ich mich am 20.Mai 1997 beim Senat des OLG erkundigt, ob die von uns beantragte Verlaengerung der Berufsbegruendungsfrist uns gewaehrt werde. Hierbei teilte mir Herr Richter X. mit, dass unsere Berufung unzulaessig sei.

Es habe bereits ein anderer Kollege Berufung gegen das angefochtete Urteil eingelegt, die er allerdings nach Akteneinsicht zurueckgenommen hat. Ein entsprechendes Schreiben an uns sei unterwegs.

Wir zweifeln nicht daran, dass Herr Richter X. uns die Sache zutreffend dargestellt hat, so dass unsere Berufung zulaessig war. Die Sache ist bei uns ABGESCHLOSSEN. Wir bedauern, in diesr Sache nichts mehr fuer Sie unternehmen zu koennen."

DEN VORSCHUSS von 200 DM BEHIELT ER TROTZDEM!

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Das Schreiben vom Oberlandesgericht vom 20.5.1997:
Betreff: Eheleute M./M. wegen ABAENDERUNG nachehelichen Unterhalts
Hier: Antrag auf Verlaengerung der Berufungsbegruendungsfrist

                Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt!
Ihrem mir heute vorgelegten Antrag auf Verlaengerung der Berufungsbegruendungsfrist vermag ich nicht naeher zu treten. Dies aus folgendem Grund:
Mit Schriftsatz vom 19. Maerz 1997 liess Ihre Mandantin durch RA
Wolf Berufung gegen das ihr am 7.Maerz 19967 zugestelltes Urteil
einlegen, welches als Verkuendungsdatum 13. Februar 1997 ausweist.

Diese Berufung nahm sie mit Schriftsatz ZURUECK. Die RUECKNAHME
enthaelt den Zusatz:
   " Eine Berufung gegen das der Berufungsklaegerin am 22.3.1997 zugestellte, hinsichtlich des Verkuendungszeitpunktes berichtigten Urteils vom 26.2.1997 ist nicht vorgesehen, wird jedoch fuer den Fall der Ertreckung der Berufung darauf, ebenfalls vorsorglich zurueckgenommen."

Dieser Zusatz ist bei objektiver Betrachtung (vgl. Zoller-Gummer,
ZPO) als Verzicht auf das Recht zur Berufung zu verstehen. Dieser
Verzicht ist unanfechtbar, grundsetzlich unwiderruflich (BGH) und
von einer Zustimmung des Gegners nicht abhaengig (§ 514 ZPO).

Die mit Schriftsatz vom 21.April 1997 erneut eingelegte Berufung
ist damit unzulaessig. In einer Verlaengerung der Frist zu ihrer
Begruendung besteht kein Anlass."

Dieses explosive Dokument eroeffnete den ganzen Abgrund der
Juristenspiele!
Beachte den Satz: "Wegen Abaenderung des nachehelichen Unterhalts..." Damals haben wir die Bedeutung des

Wortes "Abaenderung" nicht gewusst. Erst sechs Jahre spaeter wird dieses Wort das Licht ins Dunkel bringen und alle beteiligten Anwaelte bis auf die Knochen blamieren! Denn 1997 hat keiner von ihnen gesagt: "Der Unterhalt ist nur abgeaendert,

NICHT AUFGEHOBEN! Das bedeutet, dass die Mandantin nach zwei Jahren wieder den Unterhalt laut Scheidungsurteil beantragen darf!" Die Berufung war daher ueberhaupt nicht erforderlich! Diese schreiende Dummheit der Anwaelte produzierte Honorare und Gerichtskosten in Gesamthoehe von 4000 DM und meine mittellose Mutter war die Zahlende.

Waerend die Unterlagen seit dem 17. April bei unserer neuen Nachbarin gelegen haben, hat der Anwalt Oska am 21. April das
zweite Aktenzeichen bekommen. Das war der Fehler einer Gerichtssekretaerin, die es uebersehen hat, dass die Sache bereits ein Aktenzeichen HATTE! Den Fehler wird meine Mutter teuer bezahlen muessen! Aber der Sekretaerin passiert nichts!
Keine Abmahnung, keine Strafe!

Es hat sich ein neuer tiefer Abgrund aufgetan: der Richter X. teilte mit, dass der Anwalt Wolf bereits am 24. Maerz 1997 das erste Aktenzeichen bekommen und es meiner Mutter verschwiegen hat! Das vorhandene AKtenzeichen bedeutete, dass die Mutter Anwalts- und Gerichtskosten fuer nicht stattgefundene Gerichtssache doppelt (fuer beide Seiten) bezahlen muss. 

All die Tage, als sie ihn mit grosser Hoffnung und Vertrauen aufsuchte, wusste er schon, dass er ihr stark geschadet hat und schadete immer weiter! Ohne Scham und Gewissen belog er sie und nahm das Geld entgegen!

Am 1. April hat er die Faelschung fabriziert, dass sie auf Berufungen mit 2 Aktenzeichen verzichtet! So etwas waere ihr nicht in den Sinn gekommen! Sie hat nachweislich am 1. April 133,52 DM an Anwalt Wolf ueberwiesen. Fuer die Berufungsbegruendung

blieben ihm nur einige Tage bis zum 19. April, beziehungsweise mit der Fristverlaengerung bis zum 19. Mai. Dazwischen waren Feiertage- Ostern und der 1. Mai. Herr Wolf wusste, dass er das nicht schafft!

- 7-

Als er gehoert hat,dass meine Mutter seine Rechnung bezahlt hatte,sagte er sich: "Bingo! Du hast noch nichts gemacht, aber schon 183,52 DM von der Dame gekriegt! Jetzt musst du so drehen, als wuerde die Frau selbst persoenlich die Berufung zurueck ziehen wollen!" Und er hat gedreht: er schob ihr den Zettel zu

Unterschrift zu. Durch Traenen sah sie, dass die obere Haelfte
leer war, nur ganz unten standen 2 Zeilen. Seltsam,- dachte die
Mutter und hat trotzdem unterschrieben. Als sie gegangen war,
hat RA Wolf die obere Haelfte mit zwei Verzichtserklaerungen
ausgefuellt.

Am 14.April 1997 hat das Familiensenat des Oberlandesgerichts beschlossen:
"Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Auf Antrag des Klaegers waren der Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens gemaess § 515 Abs. 3 ZPO aufzuerlegen, da

diese mit Datum des 1. Aprils ihre Berufung gegen das am 13. Februar verkuendete und am 7.Maerz zugestellte Urteil zurueckgenommen hatte."

Ist das nicht absurd, dass das 2. Aktenzeichen am 21. April, das
heisst, 20 Tage nach seiner Ruecknahme am 1. April, ERSTEILT WURDE und
dass sich die ganze Maschinerie bis zum 20. Mai im Leerlauf
drehte, um danach dennoch die Kosten fuer zwei Berufungen zu verursachen, obwohl beide Berufungen nicht stattgefunden haben?!

UND NUN WOLLTEN ALLE GELD! GELD von der betrogenen Frau!
Die erste Rechnung fuer die erste Berufung betrug 49,50 DM. Nicht viel? Aber das war erst der Anfang.

"Die Kostenerhebung gegenueber der Beklagten erfolgte zu Recht.
Durch Beschluss des Oberlandesgerichts vom 14. April wurden der Beklagten, nachdem sie ihre Berufung zurueckgenommen hatte, die Kosten des Berufungsverfahrens gemaess §515 Abs. 3 ZPO auferlegt.

Die Kostenbeamtin hat die von der Beklagten mithin zu tragende
haelftige Gerichtsgebuehr (KV 1221) ordnungsgaemess nach dem festgesetzten Stretwert fuer das Berufungsverfahren mit 49,50 DM berechnet.
 
Die Prozesskostenhilfe fuer das Berufungsverfahren wurde waerend dessen Anhaengigkeit NICHT BEANTRAGT (!)
Nach Abschluss der Instanz kann PKH NICHT MEHR BEWILLIGT WERDEN."

Meine Mutter schickte per Post an Anwalt Wolf die Gerichtsakte zurueck und forderte die Rueckerstattung der Vorauszahlung fuer
die Prozesskostenhilfe, die von ihm NICHT BEANTRAGT wurde.
Die Postgebuehr fuer das Paket betrug 15 DM.

DER ANWALT WOLF ERSTATTETE KEINEN PFENNIG ZURUECK!
Er hat sein Versprechen nicht gehalten!

8 Wochen spaeter hat die Anwaeltin Vack den Braten gerochen und forderte das, was bereits geschehen war:
"Es wird beantragt, die Berufung als unzulaessig zurueckzuweisen und der Beklagten und Berufungsklaegerin die
Kosten des Verfahrens aufzuerlegen"...

Am 08. Juni, das heisst 18 Tage nach dem das Oberlandesgericht per Beschluss die Berufung wegen Ruecknahme fuer unzulaessig
erklaerte, wandte sich die Anwaeltin Vack an Oberlandesgericht mit dem Schreiben:

"Es wird um Uebersendung der BerufungsBEGRUENDUNG gebeten"!..
Aber kein Schwein hat die Begruendung geschrieben!
Als sie erfahren hat, dass zwei Aktenzeichen zurueckgenommen
wurden, stuerzte sie wie ein Geier auf meine Mutter, um

IHR Honorar fuer ZWEI nicht stattgefundenen Berufungen, fur die
SIE nicht gearbeitet hat, bei armer Frau zu pfaenden!
Sie stellte Kostenfestsetzungsantrag fuer die 1. Instanz:
"...wir beantragen, die nachfolgend spezifizierten Kosten sowie nicht erfasste (?) Gerichtskosten und Auslagenvorschuesse

(glatte Luege!- Autor M2) vollstreckbar festzusetzen und auszusprechen, dass diese Kosten mit 4 v.H. ab dem Eingang dieses Antrags zu verzinsen sind sowie den Zeitpunkt der Zustellung des Kostefestsetzungsbeschlusses zu beschleunigen."

Hauptforderungen.....................................774,41 DM
Zinsen auf die Hauptforderungen.......................44,79
Unverzinste Kosten....................................28,60

Summe der Forderungen................................847,80

Gegenstandswert: 847,80
3,00/10 Vollstreckungsgebuehr §§ 11,57,58 BRAGO........24,30
Auslagen (pauschale) § 26 BRAGO.........................4,10
16% Mehrwertsteuer § 25 Abs. 2 BRAGO
Gerichtskosten §11 Abs. 1...............................31,50
Kosten insgesamt........................................64,44

Forderung insgesamt....................................912,24
Hinzuziehen sind Tageszinsen in Hoehe von 0, 849 DM
Um die umgehende Rueckgabe anliegender Vollstreckungsunterlagen wird gebeten." Vack 

Teil 6 Die Post http://www.proza.ru/2013/10/10/139