Scheidung auf deutsch

Моргенштерн 2
Teil 1. Mein letztes Schuljahr in Amerika
http://www.proza.ru/2013/09/19/225

             
Der Winter war hart. Es war so viel Schnee gefallen, dass wir in
Missouri schulfrei hatten. Meine Mutter rief mich oft an.

Mein Unterhalt wurde  2 Monate nicht ueberwiesen. Die Mutter konnte mit der Buchhaltung meines Vaters nicht mehr sprechen. Als erste in der Leitung war immer die Telefonistin Hinze, die sofort dumme Bemerkungen machte, wenn sie nur den russischen Akzent meiner Mutter hoerte. Frau Hinze konnte kein Hochdeutsch.

" Wer nicht mein Dialekt spricht, der ist dumm ", - dachte Hinze.

In  relativer Naehe fand sich eine Anwaeltin, die sich bereit erklaerte, die Sache in Ordnung zu bringen.

Auch in Deutschland waren die Strassen verschneit und vereist.
Bei dem Wetter jagt kein Herr seinen Hund aus dem Haus. Meine
Mutter ging in der Daemmerung zum Termin, wohl riskierend, Beine
zu brechen. Sie war meine aufopferungsvolle gesetzliche Vertreterin.

Die Angelegenheit ist schnell erledigt gewesen. Die Buchhalterin entschuldigte sich fuer den Fehler. Aber die Anwaeltin fuehrte ein langes Gespraech mit der intelligenten freundlichen Russin. Als ehemalige Studentin an der Uni Leipzig verbrachte sie Ferien im sowjetischen Mittelasien. Sie hatte wunderbare Erinnerungen an die gemeinsame Zeit mit den

sowjetischen Studenten in den weltberuehmten Staedten Buchara,
Samarkand und Taschkent.
- Diese Reise und die Freundschaft mit den sowjetischen Menschen
werde ich nie vergessen! Ich bin glueklich, es erlebt zu haben,-
schwaermte Frau Jack.

Meine Mutter wollte einen Beratungsschein im Gericht holen und
damit die kleine Hilfe von Frau Jack  bezahlen. Aber sie wusste
nicht, dass der Mandant 20 deutsche Mark dazu legen musste. Das
hat sich in unserer Stadt noch nicht herumgesprochen.Die westdeutschen Gesetze waren uns im Osten nicht bekannt.

Frau Jack war davon ueberzeugt, dass unser Unterhalt zu niedrig
war. Es waere Zeit, die Abaenderungsklage einzureichen, meinte sie. Dafuer benoetigte sie Mamas Vollmacht und ihren Rentenbescheid.

Nach der Vereinigung wurde meine Mutter arbeitslos. Ihr wurde nur fuer zwei Jahre Invalidenrente bewilligt, deshalb gab sie
zunaechst den Rentenbescheid nicht ab. "Der Status "Invalidenrentnerin" wird bald geaendert", - dachte Mutter.Ungeachtet dessen schrieb die Anwaeltin meinen Vater an.Von ihm forderte sie seine Lohnbescheinigung und die Erklaerung ueber seine finanziellen und

wirtschaftlichen Verhaeltnisse an. Die Forderung entsprach dem deutschen Familienrecht. Die geschiedenen Eheleute durften gegenseitig alle 2 Jahre die Auskunft ueber ihre finanziellen
und wirtschaftlichen Verhaeltnisse verlangen. Der Gesetzgeber

hielt es fuer gerecht, dass beide Seiten unter gleichem Wohlstand
ihr Leben weiter fuehren koennen. Im Eheleben war das die hochgebildete Mutter, die viel Geld verdiente. Sie sorgte grosszuegig fuer meinen Vater und mich. Aber der Tag  deutscher

Vereinigung wurde fuer sie und ihre Mitarbeiter zum Fall in ein schwarzes Loch.Sicherlich hatte sie keinerlei Kenntnisse ueber das westdeutsche Familienrecht.
Einmal hoerte sie, dass die Gesetze "ausgelegt" werden koennen.

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Und je laenger man in der Bundesrepublik lebte, desto oefter
hoerte man, dass Moerder, Vergewaltiger und Millionendiebe frei
gesprochen wurden, weil die Gesetze so ausgelegt wurden.
Wie das russische Sprichwort sagt: "Закон- что дышло. Куда повернул, туда и вышло".

Waehrend der Scheidung stellte meine Mutter keinen Antrag auf
nachehelichen Unterhalt. Die Richterin  legte ohne
muendliche Verhandlung den nachehelichen Unterhalt in Hoehe von 200 deutsche Mark und Kinderunterhalt in Hoehe von 150 DM fest. Der Versorgungsausgleich wurde erst mit Verspaetung zum 1. Januar 1992 auf dem ehemaligen Gebiet der Deutschen Demokratischen republik eingefuehrt worden.

Meine Mutter war eine stolze unabhaengige Frau, die ohne Almosen
unser Leben weiter meistern wollte.
Wir wohnten in einer WBS-70 Vier-Raum-Wohnung mit Fernheizung und
Loggia. Vor der Vereinigung betrug die Miete 98, 25 DDR-Mark.
Nach der Vereinigung wurde die Miete immer hoeher, bis sie

schliesslich 900 DM erreichte. Ein Schulheft kostete in der DDR
10 Pfennige. Nach der Vereinigung mussten wir je 4,50 DM pro
Heft bezahlen. Das staatliche Kindergeld betrug 50 DM. Alle
Preise eskalierten so, dass ich tatsaechlich meinen Vater um

Aushaendigung des Unterhalts bitten musste. An einem kalten Winterabend begleitete mich meine Mutter zu seiner Wohnung. Waerend der Scheidung verzichtete mein Vater gaenzlich auf das Sorgerecht. Das doppelte Sorgerecht fuer beide Eltern gab es damals nicht. Wir haben uns einige Monate nicht gesehen.

Um sicher zu sein, dass er zu Hause ist, kamen wir in der Dunkelheit vor sein Haus. In seiner Wohnung brannte Licht. Ich
ging hoch in die vierte Etage und klingelte. Ich habe das Geld
bekommen. In absoluter Finsternis, vor Angst und Kaelte zitternd, liefen wir zu unserem Bus zurueck...

Einige Wochen spaeter sagte uns jemand in der Jugendhilfe, dass
der Unterhalt gepfaendet und auf unser Konto ueberwiesen werden kann. Ich werde es nie vergessen, wie meine schwer kranke Mutter aus dem Gericht mit dem Pfaendungsbeschluss zurueckgekehrt war.

Ich umarmte und kuesste sie: "Danke, Mama! Ende der Erniedrigung! Ich muss nicht mehr bei ihm betteln!" Wenn mein
Vater wuetend gewesen war, verwandelte er sich in einen Hulk -
so eine Art Monster, dass ich in einem gleichnamigen amerikanischen Film gesehen habe.

Als ich noch klein war, schlug er mich mit Holzstock oder mit
seinem Soldatenguertel. 12 Jahre lang bekam er mein staatliches Kinderged in seinem Betrieb bar auf die Hand zusammen mit seinem Arbeitslohn. Er behauptete immer, dass er nur 500 DDR-Mark

verdient und es reicht ihm als Taschengeld nicht aus. Er hatte
kein Konto. Und im nachhinein kann man nur vermuten, was er
meiner Mutter verheimlichte. Er hatte etwas auf dem Kerbholz.

Die Heirat mit einem sowjetischen Maedchen war fuer ihn ein Persilschein.

"Die Eigenschaft des versteckten Boesen ist, dem auserwaehlten
Opfer zunaeсhst zu imponieren. Die Abgruende tun sich spaeter auf." (Eugen Drevermann)

Im April 1996 verlangte die Anwaeltin Jack den Rentnerbescheid meiner Mutter, um die Abaenderungsklage im Gericht einzureichen. Die Mutter zoegerte. Sie wollte in die juristischen Prozesse, die alle samt viel Geld kosteten, nicht mehr verwickelt werden.

Alle Klagen dauerten Jahre und ernaerten Anwaelte und  Justiz. Gleichzeitig verschlangen sie die Gesundheit und die
Lebenszeit von Mandanten.

Am 16. Juni erwartete die Mutter meine Rueckkehr aus Amerika mit dem amerikanischen High-School- Diplom. Sie glaubte, dass ich ein reifer zuverlaessiger junger Mann geworden bin. Sie zaehlte auf meine moralische Unterstuetzung. Selbstlos wie sie war,

stellte sie alle ihre Beduerfnisse in Hintergrund und finanzierte meine Ausbildung in den USA. Als Diplom- Lehrerin sagte sie sich: "Entweder bringe ich alle Opfer jetzt, damit mein Kind rechzeitig das Abitur macht, oder ich werde es nie verschmerzen, wenn er das nicht schafft."

Die Gefahr in Deutschland war vorhanden. Als Fuenfzehnjaehriger hatte ich fuer die Schule wenig uebrig. Das westdeutsche Schulsystem war fuer uns undurchsichtig. Man wusste nicht, ob man es bis zum Abitur schafft oder nicht.Und wenn ja, dann ob man
ein Abschlusszeugnis bekommt oder auch nicht.

Der spaetere tragische Fall mit Robert Steinhaeuser am Erfurter
Gymnasium hat bewiesen, dass meine Mutter mit ihren Befuerchtungen recht hatte. Sie rettete mich vor Verzweiflung und
Ausweglosigkeit. Sie fragte niemanden und schickte mich nach

Amerika. Dabei sagte sie sich: "Wenn er dort auch schlecht lernen wird, wird er jeden Tag englisch sprechen muessen. Er wird dort gute Disziplin haben, sonst weist man ihn schnell nach Deutschland aus. Das will er nicht."

...Am 26. April 2002 ist der 20-jaehrige Absolvent der 13. Klasse Robert Steinhaueser bewaffnet in die Schule gekommen.Er erschoss 12 Lehrer, die Schulsekretaerin, 2 Schueler, einen Polizisten und beging Selbstmord...

Sein Unglueck begann bereits ein Jahr zuvor. Ohne jegliche Vorwarnung wurde er zu den Abschlusspruefungen in der 13. Klasse nicht zugelassen. Danach wiederholte er die 13. Klasse. ( In seinem Bundesland Thueringen muss man 13 Jahre bis zum Abitur lernen). Als auch dieses Schuljahr zu Ende ging, hat ihm die Schuldirektorin

den Zutritt in die Schule verboten. Die Lehrer hatten schon lange keinen Kontakt mit Roberts Eltern, weil er volljaehrig war.
Die Juegendlichen in der BRD werden mit 18 Jahren volljaehrig und
duerfen auf ihre Eltern nicht mehr hoeren, obwohl sie bei den Eltern wohnen und versorgt werden.

Es tritt die beruechtigte "Freiheit" einer unreifen 18-jaehrigen Person ein.
Die Schule muss nun  die Eltern nicht informieren.
Im Alter von 20 Jahren und nach 14 Klassen wurde Robert ohne
Abschlusszeugnis der Schule verwiesen.

Das System hatte ihn im Stich gelassen. Die Absolventen der 9. Klasse, die in die 10. Klasse nicht gehen wollen, bekommen Abschlusszeugnisse fuer neun Klassen. Aber fuer den Roberts Fall wurde nicht einmal eine kurze Bescheinigung vorgesehen, als waere er nie an einer Schule gewesen...

Das war eine Gesetzluecke. Robert fuerchtete sich, seinen Eltern die Wahrheit zu erzaehlen. Seine Verzweiflung war gross. Am
16. April wollte er ein ernstes Gespraech mit der Schuldirektorin erzwingen. Aber die Dame hat sich in ihrem Kabinett eingeschlossen.

Alle anderen Menschen sind zu den zufaelligen Opfern des verzweifelten jungen Mannes geworden...Sie standen im Weg, als er aus der Schule gerannt war.

Ich erinnere mich an die dubiosen "Punkte", ueber die wir Schueler bis Ende des Jahres nicht informiert wurden. Und am Ende koennte es heissen: du hast nur 80 Punkte und bleibst in der 9. Klasse sitzen. Aber wieviel Punkte dir noch fehlten, wird dir vorher niemand sagen.

An meinem damaligen Gymnasium musste die "Redefreiheit" laut dem neuen Schulgesetz anerzogen werden, als haetten wir in der DDR "Mundverbot" gehabt. Die Lehrer am Gymnasium hatten weder Lehrplaene, noch methodische Unterrichtshilfen. Dennoch, oder gerade deshalb, provozierten sie im Unterricht politische Diskussionen auf der Grundlage von Presseberichten.

Sehr schnell wurde klar, wer links und wer rechts stand. Die rechten Schueler wurden aggressiv und raechten sich gegen die Linken auf dem Schulhof. Und dort warst du allein - ohne Lehrer/Beschuetzer. Noch 3 Jahre solche Verhaeltnisse?! 10, 11, 12 Klassen? Ne-e-e, es haette nur boese enden koennen!

Meine Mutter bereitete den Schueleraustausch nach Amerika vor. "Die Fremdsprachen sind Waffen im Kampf fuers Leben!"- so hat sie es in Russland
gelernt. Sie zeigte mir den richtigen Bildungsweg!

Das russische Schulsystem war das Beste, aber mit Russland gab es keinen Schueleraustausch...

Die Anwaeltin Jack strebte eine richtige gerichtliche Auseinandersetzung an, denn nur so kaeme sie zu ihrem Honorar.
Im Mai wurde  wieder kein Unterhalt ueberwiesen. Stattdessen flatterte in ihren Briefkasten ein seltsames Schreiben. Sie rief an und bruellte, dass meine Mutter einen zweiten Anwalt aufsuchte und ihm erklaerte, dass sie auf den Unterhalt verzichtet!

So begannen die Betruegereien, die das Leben meiner Mutter zerstoerten.
Am 26. April 1996 missbrauchte der Anwalt meines Vaters das
unterschriebene Formular des erkrankten Anwalts Karter. Er hat in seinem Namen geschrieben:

" An Bauunion GmbH
Buchhaltung
            Pfaendungs- und Ueberweisungsbeschluss
Sehr geehrte Damen und Herren!
Hiermit wird mitgeteilt, dass meine Mandantin Frau Morgenstern auf die Vollstreckung gemaess o.g. Beschluss mit sofortiger Wirkung verzichtet.
Mit freundlichen Gruessen!
Rechtsanwalt Karter".

Auf dem seltsamen Formular stand ein seltasamer gefaelschter Siegel mit dem Datum: "1. Mai". Die Anschrift der Bauunion und weitere Angaben waren falsch.
Unsere Nachbarin kannte den Karter persoenlich. Sie begleitete meine Mutter zu seiner Villa. Dort haben die Frauen erfahren, dass Herr Karter an Kopftumor erkrankte und sein Buero an weitere Kollegen abgegeben hat.

Jedoch versprach er meiner Mutter, dass er die Sache pruefen wird.
Stattdessen ist aus seinem ehemaligen Buero ein irrefuehrendes
Schreiben gekommen, welches besagte, dass meine Mutter die Anwaeltin Jack hat, solle sie sich doch an ihre Anwaeltin wenden!

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Mit der Verwechslung der Ursache mit der Folge werden wir von dem Tag an in allen Institutionen immer mehr konfrontiert werden!
" Nicht aergern! Nur wundern!"- diese Einstellung empfahl ein Sprichwort gegenuber den Verdrehungen: " Не расстраивайся! Только удивляйся!"

Jede Amtsperson IST FREI, sie ist NUR IHREM  GEWISSEN verpflichtet!

Wollen Sie  hier eine Frage stellen? Ueber das Gewissen?

Wir staunten, mit welch einem "Mut" die Amtspersonen schamlos die Buerger anbruellten. Und die Sache verdrehten.
Frau Jack rief wieder an und bruellte: " Warum suchten Sie den
kranken Anwalt zu Hause auf?!"
Meine Mutter hat an die Schreiende geschrieben, dass sie ihre Vollmacht zurueck zieht und bittet, von der Klage abzusehen,denn
die Vollmacht hat sie nur fuer das Gespraech mit der Buchhaltung erteilt - mehr nicht! Sie schaltete das Telefon ab.

Zurueck aus Amerika, schaltete ich das Telefon ein, weil jemand von der Technischen Universitaet anrufen sollte.
Und prompt war Jack in der Leitung! Sie verlangte von meiner Mutter ihren Rentenbescheid.
- Ich habe Ihnen meine Vollmacht entzogen, - antwortete die Mutter.
- Aber die Richterin hat mich beigeordnet! Ihr Mann klagt gegen
Sie! Geben Sie mir ihren Rentenbescheid, damit ich die
Prozesskostenhilfe fuer Sie beantragen kann!

Eine Weile widerstand die Mutter diesem Druck. Aber im Glauben, dass die PKH ihr einen gewissen Schutz bieten wuerde, hat sie
ihren Rentenbescheid abgegeben.

DAS WAR DER GROESSTE FEHLER IHRES LEBENS! MAN DARF SICH NICHT
UEBERREDEN LASSEN!

Was danach geschah, ist mit einem gesunden Menschenverstand nicht zu fassen! Es koennte meine Mutter auch nicht troesten,
dass sie nicht das einzige Opfer des Juristen - Wirrwars wurde.
Daruber hat sie aus der Zeitung erfahren.

Buerger wurden durch die treue einheimische Zeitung informiert, alarmiert und aufgeklaert. Neue juristische Nachschlagliteratur fuellte die Buchregale meiner Mutter.

http://www.proza.ru/2013/09/26/1082 Teil 2 "Das Maedchen aus Tokyo"
      
Buchstaben mit Umlaut gibt es hier nicht.
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