Hemingway, Salinger, Beckett. Drei Kameraden

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Tiefe Dunkelheit. Absolute Finsternis. Wesentlich ist sie durchzuharren, doch ohne Übertreibung, etwa eineinhalb Minuten lang. Dann scheint ein dünner
Lichtstrahl auf. Einem Sonnenfleck gleich, irrt er auf der Bühne umher, als suche er eine größere Lichtquele – und stösst dabei auf Stimmen.

Salinger.  Auf immer und ewig – und wo bleibt die Anweisung, wohin ich sprechen soll!?
Beckett.  A..? E-h...? Warten...?
Hemingway. Nur Ruhig , Freunde. Man wird uns schon finden – über kurz oder lang.
Beckett. A... ? E-h.. ? Warten...
Salinger. (an Beckett) Immer wieder muß ich mich fragen: sind Sie verrückt oder tun  Sie nur so?!
Hemingway. So wie ich den Eindruck habe, weder noch. Ist aber nicht meine Sache.
Beckett. A... ! E-h.. ! Genau – nicht Ihre!
Salinger. Wozu die Streiterei – sinnlos in unserer Lage.
Beckett. Hundert zweiundsiebzig!
Hemingway. Was?
Beckett. Sekunden (Pause). So lange sind wir schon im Dunkeln.
Hemingway. Aber – da ist doch Licht!
Salinger. Genauer gesagt, Kollege – ein Sonnenfleck!
Hemingway. Genau!
Beckett. Wie sind wir hierher geraten?
Salinger. Das ist die Frage!
Hemingway. Genau!
Salinger. Dunkelheit ohne Ende! Und keine Wahl!
Hemingway. Eine Wahl gibt es immer. Aber – man kann sie nicht wählen. Doch – sie ist da. Zum Beispiel, schießen oder nicht schießen? Das ist hier die Frage!
Salinger. Auf sich selbst? Das ist eine Sünde. Es ist besser, einmal und für immer und ewig abzutreten. Und so weiter in diesem Sinne.
Hemingway. Heraus - ? Fallen?
Beckett. Gute Frage! Warten...
Salinger. Und trotzdem eine Tat. Mut in Erschließung der Zukunft? !
Hemingway. Nicht jedermann.
Beckett. Wird´s wagen? Warten!
Hemingway. Womöglich ist es Feigheit. Nicht gehen, sondern...
Beckett. Im  Gegenteil – höchste Weisheit... Warten...
Salinger. Im Dunkeln ist alles so seltsam. Egal, ob man steht oder fällt.
Hemingway. Also, wie sind wir hierher geraten?
Salinger. Ich bekam ein Telegramm und dann...
Beckett. Ich auch. Jedoch. Bis zum Letzten – warten
Salinger. Bis zum Letzten! Gut gesagt. Aber – wage.
Hemingway. Also – sind wir auf der Bühne?
Salinger. Womöglich!
Beckett. Womöglich doch im Paradies?
Salinger. Amen? ! Eiapopeia? !
Beckett: Gar nicht witzig. Warten...

Der Lichtstrahl fällt gelegentlich auf die Gesichter der Sprechenden. Wenn, aber zum Beispiel, Hemingway spricht, erhellt das Licht Salingers Gesicht und so weiter. Der Sprechende ist im Dunkeln und einer der Zuhörer – im Licht.

Salinger. Vielleicht, sind wir in der Tat tot. Obgleich ich gestern noch so lebendig war, wie sonst keiner.
Beckett. Eine Geschichte. Einmal. Ein Schauspieler. Ein Drama. Keiner macht gute Filme. Keiner führt für ihn richtige Stücke auf. Aber er lebt noch. Und zwar mit voller Kraft! Ist hochberühmt! Sprudelt vor Energie, von oben bis zum Hosenrand! Und einmal wacht er auf – im Dunkeln. Fühlt nichts. Begreift nichts. Ist es Nacht? Ist es ein Traum? Oder der Tod?  Eine Rolle?
Hemingway. Fangen wir noch einmal von vorne an. Also, es war ein Telegramm, Jerome.
Salinger. Ich saß und schrieb. Weit weg von Menschen. Sprach mit niemandem. Keine Interviews. Schluss, genug! In der Welt gibt es zu viele Wörter! Ohne mich.
Hemingway. Sie saßen und schrieben?!
Salinger. Wie immer! Ich arbeitete an meinem Roman "Der Fänger im Roggen". Ich schrieb den Text um. Jeden Morgen. Von acht bis achtzehn. Abgesehen von der Mittagspause und sonstigem.
Beckett. Spargel! Spargelsuppe! Faschierte Zuccini! Erraten?! Warten...
Salinger. Kann mich nicht genau erinnern. Vielleicht, ja. Oder auch nicht. Ist auch nicht wichtig. Ich führte die Feder auf dem reinen Blatt Papier. Ich bin ein Idealist. Ich dachte über den Tod nach. Wie immer dachte ich darüber nach – wozu leben wir?
Hemingway. Wieder dieses Licht! Es versucht doch uns etwas zu sagen! Zu erzählen! Womöglich, über uns?...
Salinger. Licht. Ich kann mich daran erinnern. Ich erinnere mich an dieses Licht. Noch vor der Geburt. Und überhaupt - vor alle dem. Eine dunkle Ahnung, nur ein Vorgefühl des Lichts.
Beckett. Nur. Warten...
Hemingway. Vor allem liebte ich das Meer. Diese sonderbare blaue Stille. Und doch die Vielstimmígkeit seiner Klänge. Die Stimmen des Meeres. Die Flossen der Fische, mit Wassertropfen, die, Perlen gleich, schimmern. Einmal traf ich einen alten Mann. So ganz durchgegrebt. Und von den Menschen abgesondert, wie wir alle. Der Alte namens Meer. Es scheint mir, als ob ich sogar über ihn geschrieben hätte. Aber so genau kann mich daran nicht erinnern.
Beckett. Buchstaben erfinden. Deren Geschmack fühlen. Sie ordnen. Wofür? Warum? Wozu? Wir versuchen zu sprechen, von morgen bis abends. Und – warten...
Salinger. Unsere Vorahnungen sind uns ein Kompaß. Man darf ihnen nicht trauen. Man darf ihnen nicht misstrauen. Ich bin verwirrt. Ich verstehe die Menschen nicht mehr – das ist mein Drama. Ein stilles Drama – ich bin abgetreten, in  die Wortlosigkeit. Jeden Morgen setze ich mich hin, um meinen Roman umzuschreiben.
Beckett. Vorahnungen erdrücken mich. Warten...

Licht strömt auf die Bühne. Wir sehen ihre Gesichter. Sie sind verwirrt. Sie müssen es lernen, in einer neuen Umwelt zu leben – im Tageslicht.

Hemingway. Ich habe trotzdem gehofft, dass wir alle gestorben sind. Tod – das ist so gut. Mein Leben lang habe ich geschossen. Das Leben ist hart. Und im Tod gibt es Beruhigung. Erholung.
Salinger. Ist es womöglich Schwäche – die Liebe zum Tod?
Beckett. Schwäche birgt Kraft. Warten...
Hemingway. Ja. Also, wenn wir alle schon irgendwie am Leben sind, sollte man fragen! Oder doch nicht. Eher, sollte man trinken. Ja. Einen doppelten Daikiri.
Beckett. Was mich betrifft, muß ich doch fragen. Warum haben Sie mir meine Frau weggenommen?
Hemingway. Frau? Ihre? Kann mich nicht erinnern!
Beckett. Es war aber so. Ist aber wahr. Ich arbeitete gerade an einem Stück. War beschäftigt. Es hiess "Warten auf Godot". (An Salinger) Vielleicht haben Sie davon gehört?
Salinger. Ich höre gar nichts. Morgens schreibe ich. Ich gebe keine Interviews. Und lese nichts. Ich schreibe Buchstaben. Im grossen Stil. Übrigens, man hat versucht, auch meine Frau zu verführen. Obwohl ich nie verheiratet war. Wohl war ich verheiratet, aber vor langer Zeit. Ist auch nicht weiter wichtig. Ich habe wenig über Frauen geschrieben – weil es so schwer ist. Ob sie Engel sind, oder Biester – ist mir unverständlich. Überhaupt verstehe ich gar nicht, was rundum geschieht. So ein Kreis. Deswegen bleibe ich den Menschen ganz fern, und so weiter in diesem Sinne.
Hemingway. (nachdenklich) Ich kann mich nicht erinnern. Und sind Sie sicher, dass es Ihre Frau war?
Beckett. Und ob! Wer, als nicht ich, sollte es besser wissen! Ich war beschäftigt, ich schrieb ein Stück. Das Stück ist freilich nichts besonderes. Dreck, würde ich sagen. Aber damals schien es mir anders, es schien mir. Damals!
Hemingway. Ich kann mich nicht erinnern. Nicht an Ihre Frau. Und an Ihr Stück ebenfalls nicht. (an Salinger) Gab es ein solches Stück?!
Salinger. (als ob er sich entschuldigen wollte) Ich bleibe den Menschen ganz fern. Diese seltsamen Gesetze. Ich verstehe sie nicht. Ich erkenne Worte, Buchstaben, Sätze. Und sie erkennen mich an.
Hemingway. Seltsam. Ich hatte viele Frauen. Ich hatte ein gutes Leben. Aber. Daß ich mit Becketts Frau was gehabt hätte, kann ich mich nicht erinnern.
B. Aber ich kann mich erinnern. Das Stück. Es ging ganz leicht. Zu leicht. Still und leicht. Wie vor einem Gewitter. Ein Sturm – und wir sind weg. Keine Gesichter, keine Formen – absolute Leere. Weder Tod, noch Leben.
Hemingway. Seltsame Geschöpfe, diese Weiber. Haben viel gelogen. Haben auch jede Menge gerettet, natürlich. Aber. Noch keine hat mir gestanden, dass sie Becketts Frau wäre.
Salinger. Eben diese verworrenen Beziehungen zwischen den Menschen waren mir immer ein Ärgernis. Oder, eher – sie machten mir Angst. Wessen Frau? Weggegangen – zu wem? Wer hat sie verführt? All dies ist äussert langweilig und tot. Segel klar! Buchstaben! Stummheit überwinden! Das macht Spass.
Beckett. Ein recht komischer Spass. Nahm mir die Frau weg. Der Schriftsteller, den ich in meiner Jugend versucht habe zu lesen. Paar Male. So eine Art Männlichkeitskult. Welches mit Wirklichkeit nicht immer übereinstimmt.
Hemingway. (reibt sich nachdenklich die Nase). Nein, ich kann mich nicht erinnern. Sie konnte doch nicht eine Hure sein? Oder ein Barmädchen? Ein Serviermädel?
Beckett. Und ich habe sie geliebt. Obwohl, zugegeben, ich auch mein Stück geliebt habe, mein Werk.
Hemingway. (entschieden) Freunde, lasst uns was trinken. Es kann unmöglich sein, dass es hier nichts zu trinken gibt.
Beckett. Wo hier? Warten...

Hemingway: Untersucht das Zimmer-genauer gesagt, den Raum, wo sie sich befinden. Es ist... irgendwie transparent und zugleich verschlossen. Steril. Ein kleiner Tisch, einige Stühle. Aber: links und rechts finden sich Türöffnungen. H. geht nach rechts.

Hemingway. (Stimme aus dem Raum hinter der rechten Tür). Oho! Ein riesiges Doppelbett! Womöglich, für Ihre Frau, Beckett?!
Beckett. (Wie gestochen). Was? Was? Sie verhöhnen mich, Hem?
Hemingway. (zurückkehrend). Keinesfalls. Entschuldigung, (Freund).

Hemingway geht in die linke Tür hinein.

Hemingway. Auch hier ein absolut jungfräuliches Doppelbett. Oho! Betttuch ist gestärkt, und die Kissen sind mit Brüsseler Spitzen besetzt! Nein, nein, eine Frau muss ganz bestimmt her!
Salinger. Weiber! Derart unbeständige Kreaturen! Es wäre gut, diesmal ohne sie auszukommen, und so weiter in diesem Sinne.
Hemingway. (mit Gefühl) Ein Drink würde guttun!
Ich bin mir sicher, dass sich nach drei - vier Gläsern Pernot alles bereinigen lässt.
Beckett. Also, wo sind wir? Und wer hat uns hierher bestellt?

Hemingway findet einen Ring, zieht an ihm, öffnet den Schrank, schaut hinein.

Hemingway. Na, wusste ich doch – bitte schön – Pernot.

Hemingway  nimmt die Flasche und zieht den Korken mit den Zähnen heraus.

Hemingway. Seltsamerweise, gibt es keine Gläser. Also, wie auf einer Jagob - gleich aus der Flasche.
Beckett. Seltsam, dass es keine Gläser gibt. Und auch keine Frauen. Und, wie es so scheint, auch keinen Ausgang.
Hemingway. Einen Ausweg gibt es immer, Freund! Die Frage ist nur: schiessen oder nicht schiessen. Ich habe meinen Vater sehr geliebt. Und es scheint, dass ich eine ganz vorzügliche Kindheit hatte. Mein Vater war Arzt, dort, bei uns, in Michigan. Ich hatte, könnte man sagen, eine goldene Kindheit.  Aber! Mein Vater beging Selbstmord! Stellen Sie sich vor, welche eine Erschütterung für mich! Warum hat er das getan? – werden Sie fragen. Ich weiss es nicht. Nach aussen hin gab es keinen Beweggrund. Bis heite kann ich nur raten.
Beckett. (plötzlich aufbrausend). Ich hasse Sie, Hem! Sie stahlen mir meine Frau! Ja! Ja! Was starren Sie mich an wie ein Lämmchen! Das sind Sie nicht! Bei weitem nicht! Aber! Sie, Sie haben meine Sternstunde, nein, - Minute ausgenutzt. Ich – schrieb mein Stück zu Ende! Ich war trunken vor Eingebung! Und Sie – haben sie entführt! (bricht fast in Tränen aus).
Hemingway. Lassen Sie mich doch endlich in Ruhe mit Ihrer Frau! Ich habe sie nie gekannt! Mehr noch – nie gesehen! Begreifen Sie das endlich, mein Liebster!
Salinger. Wozu bin ich hier? Verfangen inmitten all dieser blöden Klärereien! Ich lebte doch allein, ich war den Menschen fern! Es war so gut – nur ich und Gott! Nein – nein, keine Gleichstellung, kein Bindestrich, nur Anlehnung. Was, wenn es doch möglich wäre – ich und Gott?! Der Text, ist es, der uns verbindet. Jeden Tag spreche ich mittels Buchstaben mit Gott. Das ist naiv, doch auch grandios! Wozu quälen Sie mich jetzt mit Ihren Schwachsinn?!
Hemingway. (Macht einen grossen Schluck aus der Flasche und dann weitertrinkend). Zum Wohl! (an Beckett) Auch auf Ihres! (an Salinger)
Beckett. (hitzig) Seit Sie mir meine Frau wegnahmen, wurde ich Ihr glühender Verehrer! Ich habe alle Ihre Bücher gelesen. Sämtliche Ihre, mit Verlaub, Werke! Ich schluckte  hunderte von Artikeln über Ihre hochgeschätzte Personhinunter! Ich bin zu Ihrem Fan verkommen! Immer wieder musste ich daran denken – ist es  Zufall oder Gesetzmässigkeit, dass meine Frau sich für Sie entschieden hat?  Zufall oder Gesetzmässigkeit? Warten...
Hemingway. (trinkt weiter) Also, ich beginne mich an etwas zu erinnern? An was anderes. Was es auch gar nicht gab. Sie hiess Lucie?!
Beckett. (düster) Sie hiess Margot!
Hemingway. (macht noch einen Schluck und mit zunehnender Heiterkeit). Was Sie nicht sagen – Margot. So hiess ein Mädchen, welches ich durch die Seen der Indianer fuhr. Ich war damals fünfzehn, sie – dreizehn. Wenn sie davor – vor dem, wie  - sie Ihre Frau war, dann Hut ab.
Beckett.(verärgert). Hören Sie damit auf, Herr Gaukler!
Hemingway. (weiter trinkend). Vorsicht, bitte, Herr Absurdist. Das reale Leben ist was ganz anderes, als Ihre beschissenen Tricks. Nehmen  Sie sich in acht, ich liess mir das Boxen von Profis beibringen.
Salinger. Nicht in unserer Lage und so weiter in diesem Sinne.
Hemingway. (etwas stumpfsinnig). Was?
Salinger. Lassen wir dieses Thema  bis bessere Zeiten kommen.
Hemingway. (mürrisch). Lassen wir`s! Ob sie jedoch kommen – diese Zeiten!
Beckett. (an Hemingway). Ah, lassen Sie doch Ihre sportlichen Dingelchen! Ich war Sekretär bei Joice. Wir haben Ihren primitiven Humor und Sport besiegt. Amerika hat Sie vergessen! Aber mich und Joice studiert man als Klassiker. Alle Universitäten sind vollgestopft mit unseren Porträts. Sie aber, Mister Hem, sind in Vergessenheit geraten, bedauerlicherweise.
Hemingway. (trinkend). Wollen Sie eine Antwort?! Sie wird Sie zu Boden schlagen, wie  ein Hook im Boxen. Also – die Frage: was sollen alle Ihre Porträts vor dem Hintergrund des sich erweiternden Universums? Was soll das – Ihr Gesicht vor dem Hintergrund einer unergründlichen Zahl: 15 Millionen Jahre. Nein ...Milliarden?! Vergessen! Nicht weiter wichtig! Also, wass soll Ihr Gesicht vor dem Hintergrund dessen, dass nach einem Big Bang unser… oder, wenn es Ihnen beliebt – Ihr – Universum entstand?..
Beckett. (kommt zum Hemingway und schlägt ihm auf die Schulter). Das ist ein Gedanke, welcher eines James Joice würdig ist! Hut ab.
Salinger. Wurde auch Zeit! Was sollen all die Weiber, all die Verrechnungen! Ich hab`s mir abgewöhnt! Und, offen gesagt, ich fürchte mich vor all dem sehr. Nur Energie der Buchstaben und Wörter!
Hemingway. O, werter Kollege, Sie neigen zum Fetischismus. Seien Sie so freundlich: Verabsolutisieren Sie nicht. Viel schärfer ist der Stahl des Abzugs, der weibliche Busen, ein Schluck Harbes.
Beckett. Eine Zeit lang aber waren Sie mein Abgott, Hem. Ich gestehe, ich bewunderte Ihre Kurznovellen. Ich betete Sie an.... Und dann ... meine Frau...
Hemingway. (trinkend). Genug damit! Eine Frau mehr, eine weniger... Wissen Sie, wie viele ich hatte! Vier. Nein, eher fünf... Ist auch nicht weiter wichtig... In unserer Lage...

Hemingway wirft die leere Flasche weg, geht zum Schrank, öffnet ihn, schaut hinein.

Hemingway. Oho! Whisky! War vorher nicht da! Na, was sagt man dazu?! Paradies! Kaum denkt man an etwas... Fiel mir nur kurz ein; wie wäre es wohl mit einem Gläschen Whisky? (öffnet die Flasche). Teufel noch mal, ohne Gläser ist es doch etwas unbequem...
Beckett. (überspannt). Ja! Er war mein Idol! Aber ich kann nicht verzeihen! Meine Frau. Mein Weib! Sie wusste nicht, bei wem sie Halt finden könnte. Und so ist es immer bei denen! Und ich war beschäftigt! Ich – arbeitete, ich zog`s durch, wie ein Pferd! Ich verbrauchte Tonnen Papier.
Hemingway. Folglich, war das Stück Ihnen damals mehr Wert  als Ihre Frau?
Beckett. Nein und Ja. Ich weiss nicht. Warten...
Hemingway. Whisky! (Trinkt) Ein Trank für Männer. Ubrigens, auch für auserwählte Frauen. Die mit Leidenschaft! Drei-vier davon sind mir begegnet. (schielt auf Beckett) Ihre Frau ist nicht gemeint, seien Sie unbesorgt!
Salinger. Ich erinnere mich! Ich kam auch in Berührung mit der Welt der Frauen... Damals liebte ich die Worte nicht so sehr. Ich verhielt mich ihnen gegenüber herablassend. Ich verstand die Freuden des Lebens nicht. Ich liebte ein Mädchen und schrieb ihr – einfach – über meine Gefühle. Ich war aufrichtig. Und es waren Gefühle. Ich habe dieses Mädchen idealisiert. Und danach trat ich aus der Welt der Menschen ab und so weiter in diesem Sinne. Oder aus der Welt der Ideen, wenn´s Ihnen besser gefällt. Und vergass dieses Mädchen gänzlich und diese meine Begeisterung für sie! Erst unlängst... Vor kurzem hatte sie meine Briefe zur Versteigerung gebracht.
Hemingway. Bitch!
Beckett. Meine Frau wäre zu einer solchen Gemeinheit fähig! Ich habe es Ihr verziehen, aber Ihnen, Hem...
Hemingway. (trinkend). Und was ist mit den Briefen?! Hat sie jemand gekauft?
Salinger. (nach einer Pause) Ich. Durch meine Anwälte.
Hemingway. (klatscht Beifall). Bravo, Herr Eremit. Das ist nicht die Tat eines Jünglings, sondern eines Mannes! Es schien, als ob es Ihnen gleichgültig sein sollte, was da in der Welt so alles geschieht?! Und doch auch wieder nicht – sie bleiben trotzdem mit dieser Welt verbunden durch die Nabelschnur, die man Leben nennt.
Beckett. Leben wir aber wirklich? Das ist hier die Frage! Wo sind wir jetzt – vor dem Leben, nach dem Tod? Warten...
Hemingway. O, das ist ja am leichtesten – warten, ausharren, durchhalten... Aber so – im grossen Stil, aus dem Gewehr sich in den Mund, wie mein Vater... Und wo ist er? Wo? Sagen Sie es mir?! In welchem Kreis, in welchem Himmel? Ich denke oft über meinen Vater nach. Wieso hat er das getan? Ist es Stärke oder Schwäche?! Ich finde keine Antwort! (An Beckett) Und Sie mit Ihrem ewigen warten! Aus meiner Sicht ist es Feigheit. Furcht von dem Leben. Und nichts weiteres in diesem Sinne. Und was Ihre Frau betrifft – sie tat´s recht, als sie wegging. Aber nicht zu mir. Das ist gewiss. Ich würde mich an so was erinnern.
Beckett: Erinnern? Du wolltest doch damals gar nichts in Erinnerung behalten. Du warst doch so trunken von deinem Erfolg und warum sollte es auch anders sein, warst du doch ein aktueller Schriftsteller, echt modisch. Erfolg überall – bei Frauen, Freunden, in der Öffentlichkeit! Du warst auf der Suche nach risikoreichen Abenteuern, du hast dem Tod ins Gesicht gesehen – in Wirklichkeit aber nur mit einem einzigen Ziel. Ihn zu vergessen. Du hattest Angst vor dem Tod und deswegen warst du ein Held. Das ist dein Sujet.
Hemingway. (nachdenklich). Das ist eine sehr ernsthafte Beschuldigung, Alter. Das ist härter, als die verführte Frau. (Steht auf.). Ich bin  bereit, mit dir zu kämpfen! Ich werde kämpfen, weil es mir schmerzt.
Beckett. Schmerz! Ich habe mein Leben lang über Schmerz geschrieben! Ich war niemals ruhig! Ich habe immer so gelebt, als ob es mein letzter Tag wäre! (Schreit.) Ich will leben – auf immer und ewig! Ewig! Ich werde niemals sterben! Wo bin ich?!
Hemingway. (setzt sich, nachdenklich) Na, dass weiss ich nicht... Eins, freilich, würde ich dir schon dreinhauen. Aber weswegen? (Trinkt). Ja – weswegen? Immer wieder dieses ewige "weswegen". Mein Leben lang stellte es sich mir nachher, nachdem ich… Zuerst tat ich es und danach erst machte ich mir Gedanken dsrüber.
Salinger. Genau! Die Tat eilt der Vernunft voraus! Ich beschloss, mich davon zu befreien und so weiter in diesem Sinne. Und versumpfte in meinem abgelegen Schriftstellerhaus. Für Jahre. Buchstaben, Worte, Sätze. All mein Tun. Und Nichttun ebenfalls. (Denkt nach.) Jetzt erinnere ich mich daran und weiss selber nicht, warum. Eines Nachts stand ich  auf und ging in die Küche. Tief versunken in meine Gedanken, von unerklärbarer Sehnsucht ergriffen. Schalte die Tischlampe ein. Es wird hell. Und unter den Lichtstrahlen spritzen Schaben in alle Richtungen. Ich aber denke – Leben ist überall!
Hemingway. (leidenschaftlich). A-ha! Ich fand diese Seuche überall. Im Schnee des Kilimandscharo, im Krieg, der Korrida. Im Meer. Es schien mir immer nur noch eine kleine Anstrengung – und ich packe Ihren Nerv mit meinem Nerv.
Beckett. (plötzlich flehend). Meine Frau! Geben Sie mir meine Frau zurück! Und ich werde Ihnen mein Stück schenken!
Hemingway. (trinkend). Scher dich…! Ich hab's dir doch gesagt - meine nicht wissen! Ich habe sie nie getroffen! Das ist halt ein Fehler! Sag mal, mir kam es jetzt in den Sinn – womöglich ist es dein neues Sujet?! Womöglich willst es an mir testen?!
Beckett: (aufbrausend). Ja! Ich habe Sie respektiert als ein Literaturphänomen! Ich habe Ihren Stil geschätzt! Aber ich werde es nicht zulassen, dass man mit meinem Leben Spiele treibt. Mit meinem einzigen und nicht wiederholbaren Leben!
Hemingway. Ah, er wird es nicht zulassen, er. Mister Absurdist! Also – doppelte Standards? Er passt in seine Stücke alles Absurde hinein und der Zuschauer soll's runterschlucken. In seinem Leben jedoch – no! Keine Spielchen.
Salinger. Es reicht, meine Herren! Es fehlt nur noch eine wüste Schlägerei, so ein Streit für hundert Jahre lang! Ist es nicht an der Zeit, uns Klarheit zu verschaffen, wo wir sind? Wer hat uns zusammengeschmissen? Wer hat  dermassen eigenwillig unsere Einsamkeiten in einen Knoten verflochten? Wozu? Wofür? Dieser irgendjemand - vielleicht, irgendetwas – will uns entzweien? Verbinden? Etwas ganz wichtiges vermitteln? Etwas, worüber wir, als wir noch am Leben waren, keine Zeit hatten, nachzudenken? Das ist hier die Frage!
Hemingway. (trinkend), Also, Jungs, ich bin irgendwie müde! Versucht es mal ohne mich! Da steht ein Luxusbett. Gerade das richtige für mich. Falls Ihr nichts dagegen hab't, geh ich schlafen (Geht ab).
Beckett. A? Eh? Ich, mein Leben lang – nur Fragen. Endloser unnützer  Haufen  Fragen. Die Wüste des Wartens...
Salinger. Was mich betrifft, so habe ich, genau im Gegenteil, alles über die Welt der Menschen begriffen. Und ging einfach weg. Übergeordnete Aufgaben sind nicht mein Metier. Ich bin ein Idealist.
Beckett. (flüsternd). Was denken Sie – kann er uns hören?
Salinger. (streckt den Hals in Richtung Schlafzimmer, als ob er hineinsehen wollte). Ich glaube, nicht! Aber ich kann mich auch irren. Ich habe mir die Menschen gänzlich abgewöhnt. Na, Sie, zum Beispiel. Was soll diese Aufdringlichkeit mit Ihrer Frau?! Ist so lange her. Und dazu noch – eine Frau. Eine Kreatur, sage ich Ihnen, die äusserst verdächtig ist. Nein, so ist es nicht gemeint. Ein, von Natur aus, geheimnisvolles Geschöpf. Und trotzdem schwer zu verstehen. Hand aufs Herz – sind Sie sicher, dass es Hemingway war, der sie Ihnen wegnam?! Und überhaupt – gehörte Sie denn Ihnen?! Nach all den Jahren – würden Sie dafür bürgen, dass es nicht ein Traum war?!
Beckett. Aber das Photo?! (Greift in die Brusttasche, nimmt ein Photo heraus). Bitte, sehen Sie's doch! Sie ist es!
Salinger. (erstaunt).  Eine Frau! Warten Sie, warten Sie... (reibt sich die Stirn.) Das kann nicht wahr sein. Das ist doch meine Liz!
Beckett. (düster). Margot! Sie heisst Margot! Und nicht anders! Merken Sie sich das!
Salinger. Eine schöne Bescherung! Aber es ist Liz. Genau dieselbe! Sie hat meine Briefe auf einer Versteigerung angeboten!
Beckett. Das ist unmöglich! Margot ist nicht Liz! Und dementsprechend ist Liz nicht Margot. Klar?
Salinger. (plötzlich mit verkrampfter Stimme). Woher haben Sie ein Photo von Liz, a? Sagen Sie es und Schluss damit!
Beckett. A? E-h? Irgendwelche Leitungen sind falsch verbunden. In Ihrem Kopf – oder bei mir (Pause, dann wie erleuchtet.) Oder bei uns allen!
Salinger. Sie hat mich immer verfolgt! Und allmählich in ein Verhältnis hineingezogen. Ich war jung. Die Welt lag mir zu Füssen. Ich hab's versucht. Ich versuchte, das Wesen der Frau zu verstehen. Ich habe verloren. Ich trat ab. Ich begann zu vergessen. Und jetzt – fällt alles auseinander! Meine ganze geordnete Lebensführung. Meine ganze Welt – ohne Parties, ohne Drang, ohne Frauen.
Nur Worte. Deren Inhalte. Vielleicht, in hundert Jahren. Nein, zweihundert. Wird man nach diesen Inhalten fragen. Ich meine die Menschheit.
Beckett. Sie meinen. Und trotzdem, ich möchte Sie keinesfalls kränken, aber sie ist – Margot. Sie und nur sie ist diese rothaarige Stute. Eine Frau voll sinnwidriger Leidenschaften. Zärtlich wie ein blühender Jasminzweig.
Salinger. Schenken Sie mir dieses Photo! Ich habe solch eines nicht. Wenn schon alles zugrunde gegangen ist! Geben Sie es mir! Sie brauchen es doch gar nicht!
Beckett. Ich? Meine Frau? A? E-h? Warten...
Salinger. Hören Sie, wir sollten es auf die sanfte Tour machen. Aber damit Sie es wissen, ich diente in der Marineinfanterie und so weiter in diesem Sinne. (Springt auf, mit militärischen Schliff, salutiert. Drohend). Sergeant Salinger, zu Diensten!
Beckett. (winkt müde mit der Hand ab) Rührt Euch! Abtreten! Um Himmels willen, das ist es nicht wert!
Salinger. (abgesprannt) Nicht wert?! Übrigens, bin ich auch dieser Meinung. Deswegen habe ich auch die Welt der Inhalte verlassen. Eine Welt ohne Grenzen. Das heisst, genau im Gegenteil – eine Welt mit genauen und deutlichen Rahmen... Geben Sie mir das Photo zurück! Passt schon, ich habe ihr diese Gemeinheit verziehen! Sie brauchte Geld. Das kann man begreifen. Geld brauchen alle – nur in verschiederlei Masse. Und ich lüge, natürlich, wenn ich sage, dass ich mich von der Welt enfernte. Denn ich war gezwungen, mir über das Geld Gedanken zu machen, darüber, wie ich morgen leben würde. Es tut mir nicht leid, zu sterben. Es behagt mir eben auch nicht. Verstehen Sie diese Dualität?
Beckett. Sie, also, fordern das Photo meiner Frau?
Salinger. Wer hat denn Ihnen gesagt, dass es Ihre Frau ist? Wer?
Beckett. Mag sein, dass einer von uns nicht ganz in Ordnung ist. Wissen Sie, so was kommt vor. Du denkst dir: es ist mit mir geschehen. Aber in Wirklichkeit war gar nichts. Fehlerhaftes Gedächtnis.
Salinger. Womöglich ist es Ihr Fehler?
Beckett. Meine Frau!
Salinger. Meine!
Beckett. A? E-h? Warten!...
Salinger: Wir machen etwas falsch!
Beckett. Sackgasse...
Salinger. Ja?! So was in der Art.

Sie verstummen und schweigen etwa 15 Sekunden lang,  als ob sie ihre Zukunft betrachten würden.

Salinger. Samuel, Sie können es sich nicht einmal vorstellen! Ich hatte ein solches Leben! Es war – verregelt! Alle Buchstaben – und gleich morgens an! Absolute Freiheit. Und mit jedem Jahr – noch ausgelassener. Wofür – hierher?! Ich kann's nicht begreifen!
Beckett. Und ich, da können Sie es mir schon glauben, habe nie davon geträumt, Hemingway. zu treffen! Den Mann, der mir meine Frau wegnahm... Halt, da sie behaupten – obwohl es völlig absurd ist, - dass es das Bild Ihrer Frau wäre... Folglich, hat H. auch Ihre Frau verführt. Später... Oder – vorher?
Salinger. Wahnsinn! Ja, es ist das Bild meiner Frau! Obwohl wir nicht verheiratet waren! Ist auch nicht wichtig... Meine Geliebte... Aber niemand hat sie mir weggenommen. Sie ging von alleine weg.
Beckett. Von alleine? Der alte H. führte sie weg (Pause) von mir.
Salinger. Unser Gespräch erinnert mich an Neandertaler. Und so weiter in diesem Sinne.
Beckett. H-m?
Salinger. Eine Sackgasse der Menschwerdung.
Beckett. Nicht unbedingt. Aus der Sicht eines Neandertalers stehen gerade wir in einer Sackgasse. Und damit hat er eigentlich recht.
Salinger. Sie haben mich verspannt. Ich lebte so meditativ.  Überaus. Mein Text wurde mir zur zweiten Natur. Er ersetzte mir alles – Frauen, Ruhm, Adrenalin, Geld, Kaviar, Reisen, Interviews, Empfänge, und so weiter...
Beckett. Was habe ich damit zu tun? A? E-h? Warten...
Salinger. Ich möchte das Bild sehen!
Beckett. Meiner Frau?
Salinger. Meiner!
Beckett. Bitte! Margot!
Salinger. (nimmt das Photo). Liz! (Er spricht mit dem Bild, das er in der ausgestreckten Hand hält). Liz! Mein schönes Mädchen! Warum hast du dich geirrt?! Die Augenblicke der Leidenschaft sind kurz. Aber! Wofür hast du unser Leben auf einer Versteigerung preisgegeben? Du hast mich verraten! Aber es war Verrat an Gott! Denn es war Gott, der uns, wozu auch immer, zusammengeführt hat! Merk´s dir, er hat an uns geglaubt! Er hat es versucht, uns zueinander zu führen! Es ging nicht! Er konnte es – wir nicht. Ich verzeih's dir und bin nicht mehr zornig. Sei gesegnet!
Beckett. Und ich vergeb's auch! Geben Sie mir das Bild!

Salinger, in sich versunken, reicht ihm maschinell das Photo. Beckett zerreisst es in kleine Stücke.

Beckett. Na also! Hiermit haben wir den Ausweg aus der Sackgasse!
Salinger. Was haben Sie getan? Sie sind verrückt! O, Gott! Ich habe kein solches Bild!
Beckett. Ich auch nicht! Das sind die Scherben  vergangener Tage. ( Er häuft die Fetzen des Photos zusammen, schüttet sie, wie Sand, aus einer Hand in die andere). Diese Tage – die gibt es nicht mehr. Nirgendwo. Ob schwer oder glücklich – welche Bedeutung hat es für die Zukunft?! So seien Sie getrost, mein Freund – es gibt uns nicht. Nur ein Schmerz und paar unbeglichene alte Rechnungen. Irgendwie lässt das nicht frei.  Seltsam: eine Kreatur, ein Gemisch von Atomen – eine Frau – ging weg. Und es schmerzt heute noch und lässt gar nicht frei. Nein, ich hatte auch andere Frauen, natürlich. Besonders, als ich berühmt wurde. Aber ich liebte sie irgendwie kalt, distanziert. Wir reisten zusammen... (Pause.) langweilten uns.
Salinger. (fällt auf den Stuhl, stützt den Kopf in die Hände). All das, was längst vergangen schien – flutet über! Ich habe mir Leidenschaften, diese Gemütsbeben abgewöhnt. Ich bin müde geworden. Ich bin, eigentlich, ein alter Mann. Ich habe so meine Launen und Angewohnheiten. Ich mag es, mich ins Bett mit einer Warmkruke, im seidenen Schlafrock und Schlafmütze zu legen. Ich bin müde geworden, ich will schlafen. Keine Kraft! Die Buchstaben haben mich verlassen. Irgendein Klirren im Kopf. Ich verstehe die Wörter Ihrer Welt nicht. Lassen Sie mich in Ruhe! Ich will zurück! (Schreit.) Wo sind wir?!
Beckett. Ich bin wieder allein. Wie immer. Wie immer – warten...A? E-h?

Salinger fällt auf die Stuhllehne zurück, rutscht etwas seitlich ab. Versinkt in eine Art Dämmerzustand.

Beckett. Also bin ich allein und ganz nackt. Und so war es, bevor ich geboren wurde. Und so wird es immer sein. Immer und ewig A? E-h?
Hemingway erscheint in der Tür, streckt sich.
Hemingway. Ich bin kurz eingenickt. Habe nichts geträumt. Aber etwas gehört. So eine Art Engelsgesang. Ha-ha! Und wie geht's Euch?! O, Jerome schläft. Was soll's! (Trinkt aus der Flasche.) Hören sie, B, machen Sie Schluss mit diesem Weibergetrödel! Trinken wir lieber was! Das reinigt die Sinne! (Flüsternd, verschwörerisch.) Hören Sie, Samuel, ist es in der Tat wahr, dass dieser verschrobene S. jeden Tag seinen Roman verbessert?! A? Wenn dem so wäre, so muss es entweder ein absolut genialer Text sein, oder – absolute Scheisse. Ha-ha! Aber, wie auch immer es ist äusserst interessant...
Beckett. Das denke ich nicht! (Greift zur Flasche, trinkt.) Wollen Sie es ehrlich, Hem? Ich kann meine Abneigung gegen Sie nicht überwinden! Ich geb' mir Mühe, aber ich schaff's nicht! Auf Ihr Wohl! (Macht noch einen Schluck, reicht Hemingway die Flasche.)
Hemingway. Wissen Sie, irgendwie habe ich mich in der letzten Jahren leergeschrieben. Alles ist irgendwie so kümmerlich. Langweilig. Selbstwiederholung.
Beckett. Na, so geht's uns doch allen. Ein Höhepunkt. Und zahllose Wiederholungen. Nachahmungen. Das ganze Leben ist ein Klischee. Ist auch bequemer so.
Hemingway. (trinkend) Es wäre verdammt interessant, zu verstehen – ist Salingers Roman genial? Hören Sie, ich hab' eine Idee: dieser Roman muss hier sein. Wohin der alte Salinger, dorthin auch sein Roman. Guter Einfall!
Beckett. Ich aber bin müde geworden – von der Schriftstellerei. Und der Kunst überhaupt. Die Eitelkeit der Kunst: sie wäre angeblich das Salz des Lebens. Nein. Und auch zum Versüssen taugt sie nicht viel.
Hemingway. Ha-ha! Gut gesagt, Mister! (Hebt die Fetzen des Photos von Boden auf, erstaunt.) O, das ist die Nase von Lucie! Woher?
Beckett. Daher!
Hemingway. Nein, Alterchen! Das ist doch ihre verrückte Stumpfnase, ich schwöre es beim Apachentomahawk! Na so was! Die alte Lucie, wie kommst du hierher?!
Becket. Wie kamen wir alle hierher – das ist hier die Frage!
Hemingway. Von solcherart Fragestellungen kann man noch verrückt werden. Womöglich aber, sind wir alle – überhaupt – verrückt, na, Samuel?
Beckett. A? E-h? Warten...
Hemingway. Genau. Warten Sie hier kurz, und ich werde inzwischen, mit Verlaub... Der alte S. wird mir nicht böse sein?!

Nähert sich zum schlafenden S, greift ihm in die Brusttasche.

Hemingway. Sorry, brother. Wenn du ein Genie bist, wirst du es verzeihen… (zieht ein Bündel Papier heraus). Aha! Das unvergängliche Meisterwerk!
Beckett. (mit Interesse). Ist es das?
Hemingway. Gleich werden wir es geniessen. Nein, Alterchen, von uns allen ist er doch der aller-allerste... Ich, zum Beispiel, weiss nicht, was mir das meisste gab – das hier? (Trinkt.) Weiber? Krieg? Schriftstellerei? Nein, ich weiss es nicht. Ich werde ganz ehrlich sein, bis zum Grund, bis zum letzten Tropfen – und kann es doch nicht beantworten! (Sieht Salingers Papiere durch). Aber der alte S. gab uns auf alle Fragen eine Antwort! Ein Prachtkerl! Das können Sie von ihm  lernen, B.! Obgleich es für uns reichlich spät ist – unser Leben ist ja vertan! A-u! Leben!
Beckett. In der Tat, ein Genie?! Oder ungereimtes Zeug? Eher wohl... Hem, jetzt – zum letzten Mal – wieso... meine Frau?!
Hemingway. (winkt ab). Scher dich doch...! Sieh! Hier! (Liest.) Kassationklage... Sehr  geehrter Herr Vorsitzender... Was soll das? Verstehe gar nichts – irgendwelche gerichtlichen Papiere... Aha! Ein Schreiben an das Versteigerungsbüro bezüglich der Teilnahme... Meine Briefe erwerben... Und das ist alles? Appellationen... Kassationen... Und wo ist der Roman?
Beckett. A? E-h? Warten...
Hemingway. Na so was! Echt eine Story!  An Stelle eines genialen Textes-triviale Papiere. Und das ist alles, was er mit sich trägt?! (Trinkt.) Nein, meine Herren, wie gefällt Ihnen das? Na?! Wissen Sie was, Sam, womöglich hat er gar keinen Roman? Und all dies ist nur Bluff, ein Trugbild?
Beckett. Wir alle sind – Trugbilder. Es gibt uns nicht. Wir alle sind nicht wirklich. Wir sind es nicht, die... Wir sind nicht solche, welche...Uns. Wir. Warten...
Hemingway. (nachdenklich). Ja-Ja. Man muss warten. Durchwarten. Hindurch. Gut durchdacht, alter Knabe, einfach Klasse! Denn, über kurz oder lang, wird sich etwas ereignen, muss etwas geschehen. Diese blöde Endlosichkeit kann doch nicht ewig dauern. Sollten wir tot sein, müssen wir doch irgendwohin geraten. Sind wir am Leben, ebenfalls, was noch angenehmer wäre.
Beckett. Es scheint mir, dass wir noch leben, Hem. Wir atmen – durch den Mund. Wir atmen ein – Luft. Wir versuchen es, wir proben. (Zum Saal, an den Rand der Bühne kommend.) Freunde, gefällt es euch? Sogar solche, die es nicht mögen – geduldet euch. Es bleibt ganz wenig. Die Hälfte. Nein, sogar weniger. Meditieren Sie solange, Sie warten... A? E-h?
Hemingway. Ich wachte zu früh auf, gehe wieder. Dein Wohl, Sam. (Macht noch einen Schluck, geht).
Beckett. Und ewig allein! Was tun? Dem H. die Kehle durchschneiden – im Schlaf – meine Frau zu rächen?! Zu oberflächlich! Salingers  Roman finden, stehlen und als meinen eigenen herausgeben? Zu fies! Und diese fortwährende klirrende, sinnlose Leere im Kopf! Nutzlose! Tränenlose! Sehnsucht! Sich zu besaufen? Ein Schluck des postmortalen Spiritus, ha?

Kommt zum Schrank, zieht den Ring nach unten. Aus dem sich eröffnenden Untergrund erscheint die göttliche und wunderschöne – Sie.

Beckett. A? E-h? Gott sei Dank, ich träume!!!

Sie steigt graziös auf die Bühne, streicht sich anmutig durchs Haar, macht sich schön.

Beckett. Ja-ja! Das ist ein Traum! So hauchzart! Die Barmherzigkeit des Alls! Margot! Grüss dich!

Die Frau beachtet B. überhaupt nicht.

Beckett. Wie ein Traum! Wie eine Erleuchtung! Wie ein Blitz in voller Finsternis! (Zum Saal). Das ist Margot! Mein Gott! Alles war vergangen, verflogen! Alles war vollendet. Und, wie es schien, vollbracht. Alle Sujets – geschrieben. Alle Lieder – gesungen. Alle Frauen – geliebt. Und die Welt bleibt trotzdem unbegreiflich. Wie vorher! Wie vor hunderttausend Jahren! Ah! Durch eine Frau versuchen wir es, etwas zu begreifen! Margot! Alles ist hin! Aber nur du nicht! Und jetzt werde ich dich – das Wichtigste fragen... Was sage ich... Einfach fragen... (An Margot). Sag, warum du damals, vor hundert Millionen Jahren du zum H. weggegangen bist?

Margot, oder sie, lebt, wie bisher, ihr Frauenleben. Sie nimmt aus der Reisetasche verschiedenes Zeug-Kleider, Nachtwäsche - probiert das an.

Beckett. Gib mir nur ein Zeichen! Irgendeines! Ich werde es verstehen! Lass den Ohrring schaukeln oder eine Locke ins Gesicht fallen! Was fehlte mir damals, was Hemingway. hatte?! Ruhm, Geld, Verständnis für dich? Ich, ich war fasziniert von diesem verfluchten Godot! Ja, ich setzte auf ihn und verlor! (Flehend.) Aber schweige nicht! Gib mir eine Antwort! Ich werde sie verstehen! Verstehen, hörst du!

Sie schminkt sich sorgfältig weiter.

Beckett. (greift zur Flasche, trinkt.) Ich habe mich nie betrunken. Aber jetzt! Was bleibt da noch? (Macht noch einen Schluck.) Wie schwer es doch ist – Alkohol zu trinken. Man sagt, heutzutage ist es aus der  Mode gekommen. Die Boheme geniesst Hasch. Was soll´s. (Macht einen weiteren Schluck.) Ich gehöre nicht dazu. Ich bin ich. Was trinken? Gern geschehen! Aber nicht in der Öffentlichkeit. Und nicht im Traum. Ein paar Stamperl zwischen dem ersten und zweiten Akt. A? E-h?

Beckett mit der Flasche, gelegentlich daraus trinkend, geht weg - in eine der Türen auf der linken Seite der Bühne

Sie (schaut sich um.) Na, endlich ist er weg. Gott sei Dank, schlafen alle. Aber irgendwann wachen sie auf. Mit Zweifel im Kopf. Wer bin ich? Einfach eine Frau! Ich stelle nie nutzlose Fragen, obgleich ich doch sehr neugierig bin. Ich nehme alte Entwicklungen hin – als Unausbleiblichkeit. Ich passe mich der Form der Umwelt an. Ich kämpfe nicht, ich bin nicht kriegerisch. Ich reime mich ein. Sanft und abgerundet. So, wie meine Handschrift ist. Sauber, gleichmässig, nach allen Regeln. Ruft mir ein Mann, wenn er Hemingway heisst, zu, so sage ich ihm mit Vergnügen: "Hi, Hem, wohin geht´s?!" Oder – "wohin fahren wir?" In die nächstgelegene Bar, nach Afrika zur Jagd oder auch nach Tibet? Dich zieht die spanische Korrida an? OK! Versuch´ es, mich mit all dem zu begeistern! Aber morgen, vielleicht, wird es mich langweilen. Mit aller Wahrscheinlichkeit sogar! Ich werde deiner Männlichkeit überdrüssig! Deine maskuline Besitzergreifung wird mir bis zum Himmel stinken! Und... ich werde mich nach etwas intellektuellem sehnen. Nach einem bleichen Gentleman, so fein und sauberlich. Mit schlaffem... M-m, ja... Ich werde so einen wollen und danach – mich wieder langweilen! Und so kommt´s immer! Das ist er, der kosmische Rhytmus! Wollen – langweilen! Tik-tak! Der erste, der diesen Rhytmus fing, war Tschechow. Dieser Herr mit Kneifer. Ich habe einmal ein Photo von ihm gesehen. Und seine Gestalt prägte sich mir tief in die Seele ein. Bis mir Tränen kamen. Weiss nicht warum, heule jämmerlich, wie ein kaputtes Frauenzimmer. Und es fällt mir ein, mal zu lesen, was er so schrieb. Gleich am nächsten Tag laufe ich in eine Bibliothek. Ich habe eigentlich nie im Leben viel vom Lesen gehalten, aber – wohl nach dem Kontrastgesetz – traf nur auf Schriftsteller, wie zum Trotz. Schrecklich. Andererseits, scheint es eine Art Karma zu sein. Ich kann sie nicht leiden, aber die Freier kommen rudelweise. Die ordinäre Ausdrucksweise nehmen Sie mir doch nicht übel. Aber – Tschechow! Ja, was für ein Mann! Beginne zu lesen. Verstehe gar nichts. Finde nicht den Knoten der Handlung. Komme nicht zum Höhepunkt. Gar keine Action! Gar nichts! Nichts herausgelesen! Einer der Sorte – der Absurdisten! Sage ich dann dem Beckett – hör mal, streng dich nicht so an – der Tschechow hat doch schon alles. Er war, natürlich, stark beleidigt! War ein stolzer Mann, mit grossen Ansprüchen auf... Aber auch zärtlich, das muss man ihm lassen. Ich sagte ihm – du taugst gegen Tschechow nichts. Natürlich, sollte ich es nicht tun. Aber seine Anmassung fiel mir zu stark auf die Nerven. Natürlich, ist mir schon klar, dass die Männer es anders auch nicht können. Sie müssen die ganze Zeit jemandem etwas beweisen. Dass sie angeblich die über-drüber sind. Hauptsache, dass davon keiner Schaden trägt. Soll der Bub doch mit allem spielen, nur nicht mit... Das Leben der Frauen aber – ist etwas gänzlich unbeschreibliches. Aber tausende Männer haben versucht, darin einzudringen. Aber ohne Erfolg. Sogar Flaubert, mit, wenn ich mich nicht irre, seiner sakramentalen  Floskel: Emma Bovary – das bin ich. Talent hatte er schon – aber diesmal weit verfehlt. Den Männern scheint es, als ob sie alles wissen könnten. Was Frauenglück anbetrifft, ein schmähliches Fiasko, bedauerlicherweise...
Salinger Streckt sich, öffnet die Augen, starrt erstaunt die Frau an.
Salinger. (erstaunt). Du? Woher? (schlägt sich auf die Stirn). Ach, ja, das Telegramm! Als ich es bekam – dachte ich gleich, es ist von dir. Es war nicht unterzeichnet, aber wer sonst – ausser... Du weisst es – ich habe immer an dich gedacht. Immer! Gedanken an dich schmeckten so süss. Mit der Zeit wurde deine Gestalt noch zärtlicher. Die Körperlichkeit schwand, die Ausstrahlung blieb. Und die Feinheit! Als ich erfuhr, dass du meine Briefe zur Versteigerung brachtest, habe ich mich sogar getrennt. Das hiess, du lebst! Mein Gott, wir sind wieder zusammen – wenn auch nur für Sekunden! Ich dachte – sie braucht Geld. Nichts weiter! Ich lebte im Panzer meines Egoismus. Mein Logos ist meine Stimme. Und jetzt – Liz, sehe ich dich wieder! Ich weiss, dass ich dich idealisiere! Du aber bist ganz anders. Kalt, berechnend! Ich aber will es nicht wissen! Ich will den Klang dieser Welt nicht hören.
Salinger kommt zu Ihr, der Frau, kniet vor ihrnieder, umarmt ihr Kleid.
Salinger. Liz, genau jetzt, für den Bruchteil einer Sekunde, weiss ich, dass du wieder mein bist. Ich liebte nur dich allein! Immer! Dich und die Buchstaben!  Du gingst weg – weil die irdische Frau zu schwer ist! Du hast soviel Energie gefordert! Endlose Mühen! Du wirst sagen, dass der Text das gleiche erfordert! Aber, verstehst du, ich tausche Energie mit meinem Roman aus und so weiter in diesem Sinne. Ich beginne zu schreiben und gebe mich in den Text heraus. Dann, allmählich, gibt auch er mir die Fluide der Liebe zurück. Aber mit Frauen hat so was bei mir nicht geklappt. Jetzt, nach allem, kann ich sagen: hat nicht geklappt. Kam nicht zustande. Vielleicht, im nächsten Leben, weiss nicht, bin mir nicht sicher. Alles kann sein.
Steht auf, bemerkt auf dem Boden das zerrissene Photo, sammelt die Fetzen ein.
Salinger. Das ist dein Bild. Es ist verschwunden und du bist erschienen.
Salinger lässt sich kraftlos auf den Stuhl fallen.
Salinger. (murmelt.) Es ist weg und du bist da. Mein Gott! Die Worte haben mich verlassen, wie der Ruhm. Und nur du, wie der letzte Strahl bei Sonnenuntergang.  Und – nur...

Salinger erstarrt. Aus der rechten Tür erscheint H., streckt sich. Wie im Halbschlaf, ohne jemanden anzuschauen, geht zum Schrank, zieht den Ring hinunter, nimmt eine Flasche heraus. Zieht den Korken mit Zähnen.

Hemingway. (trinkend.) Prost, Al... (Stockt, sie erblickend.)
Hemingway dreht sich ab von ihr, geht auf S. zu, rüffelt ihm an der Schulter.. S. reagiert nicht.
Hemingway. (zum schlafenden S.) Sag´  ich´s doch – steht da ein Bett, wird sich eine Frau schon finden. Und wohl eher, eine alte Bekannte. Du machst das schon richtig – sich  abschalten. (Trinkt.) Ich schalte mich auch bald ab. Nur eines weiss´ ich noch nicht – ob auf ewig und immer oder nur eine Zeitlang. Verstehst du mich, Alterhen? Im Grunde genommen, würde mir das schon gefallen, noch ein Weilchen leben! All´ diese Symbole: Gesöff, Lucie, die Gespielin, ein üppiges Bett. All dies knotet mich fest aus Leben. Im Grossen und Ganzen muss man immer Geistergegenwart bewahren. Sogar dann, wenn schon... Ihr aber habt euch gut eingerichtet – der eine (äfft nach). A? E-h? Warten... Der andere schläft einfach... (plötzlich dreht sich – heftig am). Hallo, Lucie!

Sie lebt nach wie vor ihr Frauenleben, welches zur der Welt der Männer abgegrenzt ist. Macht sich schön, nimmt aus der Tasche ein aktuelles Frauenmagazin, blättert es durch, kämmt sich die Haare u.s.w.

Hemingway. (trinkend). Na ja, ist schon klar. Wie gewöhnt, willst nicht sprechen. Was soll´s! Du würdest wohl sagen, dass ich heute, wie immer, besoffen bin. Nun, erstens hab´ ich heute fast gar nichts getrunken. Zweitens. Du musst schon verstehen, dass all dies unverständlich genug ist. Deswegen hab´  ich auch was getrunken – der Klarheit wegen. Diese Typen da sind ganz beklommen. Mir, offen gesagt, war auch zu Beginn nicht ganz wohl zumute. Jetzt  aber komme ich durchaus  zurecht. Ich habe mir diesen Raum, wenn man das so nennen kann, angeeignet. So ein Kontinuum, wo, zugegeben, alles da ist, was man braucht. Auch du, schönes Mädchen. (Plötzlich.) Hör´ mal, erklär mir etwas – das wunderte mich immer! Nach wie vor... ja – vor was? Na, ist nicht weiter wichtig... also die Frage: warum brachte ich Sonntags nie was zustande – Ich meine - Romane schreiben?... Begreifst du das, nichts und auch gar nichts wollte sich zusammenfügen, da könnte man vor Wut platzen... Da fiel mir ein: womöglich will der liebe Gott, dass ich seinen Geboten folge und deutet es mir auf die feine Art? Na, was meinst du? Lassen wir´s, ist nicht weiter wichtig, laß uns lieber trinken... Erinnerst du dich, wie schön es sich damals in Skio trank. Ein winziges bezauberndes Städtchen, irgendwo in den Nordalpen, mit verschlafenen Einwohnern, die Blumentöpfen mit Levkoien ähnelten. Oho! Erinnerungen überschütten mich einer Lawine gleich! (Trinkt.) Auf dein Wohl, Lucie! Gut, dass du hier auftauchst! Sonst würde ich mich hier zu Tode langweilen. Keine Frage, die Jungs da – sind wahre Meister! Berühmt! Mit Bildern von diesem Beckett, sind, mit Verlaub, Toiletten aller Unis tapeziert. Und der alte Salinger ist schlicht ein Nationalheld. Kurz, hervorragende Meister! Das, was sie schreiben, ist grossartig, glänzend! Aber – tot! Verstehst du, alles, was sie beschreiben, hat nichts mit wirklichem Leben gemein. Ihr ganzer Wortschwall hat soviel Dynamik, wie die Rosinen im Topfen. Obgleich, verdammt noch mal, was hat denn schon etwas mit dem wirklichem Leben zu tun,  und wer wüsste es?! Eben – was ist es? Was ist das für ein Frass und was trinkt man dazu? Du aber bist wirklich, und ich will dich! Begreifst du das? Ich will dich, zärtlich und stark. Und ich werde dich ergreifen! Denn du bist kein Trugbild! Du bist – eine Rosine!  Hey!

Hemingway nähert sich der Frau, nimmt ihre Hand und führt sie in „seine“ Hälfte des Raumes. Aus einer anderen Tür erscheint B., ziemlich verknittert.

Beckett. Na also! Man sollte weniger trinken! (nähert sich dem schlafenden S.) Mir schien es, als ob es Margot wäre... und es ist nur... (Berührt Salingers Hemd.) O, Gott! Die Welt dreht sich gelegentlich in solchen Pirouetten!
Salinger. (Wacht auf.) Liz! Deine seidene Haut! (Sein Blick stösst auf Beckett)
Beckett. Leere Hoffnungen. Leere Kleider. Zwischenstopp in einer Wüste. (An Salinger) Hören Sie, vielleicht ist das alles – eine Art Zwischenlandung? Als ob es schon kein Leben, aber auch noch kein Tod wäre, na? Dafür einfach, dass wir es versuchen würden, zu begreifen. A? E-h? Warten...
Salinger. Wo ist sie? Ich habe so deutlich... der Duft ihres Kleides... der Rand ihres Kleides, leichte Baumwolle... Wo?
Beckett. Damit wir noch einmal im Leben!... Was rede ich... Noch einmal... Noch einmal uns umsehen würden. Und die Göttlichkeit der Vorsehung erblicken könnten. Und ihre Unerschöpflichkeit. Und ihre Gesetzwidrigkeit. Und ihre Wonne. Oder?
Nähert sich einer Wand, beginnt sie zu betasten.

Beckett. Ja, ebendiese Häutigkeit, Unebenheit. Wie uns diese geheimnisvolle und rätselhafte Welt erscheint.
Salinger. Aber – Liz! Jetzt ist alles anders! Verstehen Sie es, Samuel, alles! Ich fühle die Wörter fast nicht mehr, auch ich will sie nicht mehr fühlen! Diese Klänge, wie die eines Glasperlenspiels! Alles ist klar geworden! Ich habe mein Leben umsonst verlebt! Und so weiter in diesem Sinne...
Beckett. Das gibt es nicht. Für irgendetwas schon. Für irgendjemanden. All die Schrecken dieser Welt, die der Erde und die der Sterne. Dieser zarte Kram.

Salinger geht zur Tür, öffnet sie.

Salinger. (spricht hinein.) Liz! Na, komm´ raus, lass uns reden! Wir haben nicht mehr viel Zeit!
Beckett. Nein. Nein!
Salinger. (blickt sich um). Ah?
Beckett. Sie kommt nicht! Aus! Finita!
Salinger. (fällt in sich zusammen.) So hoffnungslos?
Beckett. Eine zeitlang dachte ich ebenso. Ich lebte damals in Paris. Und, eines abends, nicht weit vom Haus, wo ich wohnte, hat er mich angegriffen. Mit einem Messer bewaffnet. Eigentlich so ein stiller Irrer aus Marokko. Normalerweise sehr zurückhaltend. Tagsüber verkaufte er Orangen auf der Strasse.
Salinger. Orangen aus Marokko?
Beckett. Ja, ich glaube. Bin mir aber nicht sicher. Wie dem auch immer, als ich eines abends von einem gelungenen Rendezvous zurückkehrte und alle Welt liebte, griff mich dieser verrückte Marokkaner an. Es war ein Augenblick der Liebe und Euphorie – und plötzlich ein Schlag hinein. Mit dem Messer! In den Rücken! Und Sekunden zuvor war ich grade am dichten, na, eigentlich, murmelte ich  halt etwas vor mich hin.
Salinger. (einem Echo gleich.) Etwas...
Beckett. Und da – ein Messer! Ich habe nichts verstanden! Erstens. War es zum ersten Mal.
Salinger. Wir leben zum ersten Mal...
Beckett. A..? E-h...?
Salinger. Achten Sie nicht drauf. Gelegentlich schimmert etwas vor und so weiter in diesem Sinne.
Beckett. Kein richtiger Schmerz, sondern etwas, wie kurzes Erbrechen und Gefühl eines wilden Fluges irgendwohin.
Salinger. Und die Wunde – war sie schwer?
Beckett. Und ob. Und da hab´ ich mir gerade gedacht. Aus. Schluss. Hoffnungslosigkeit – ich war von ihr ganz durchdrungen. Und was mir so leid tat, war, dass ich damals eigentlich noch gar nichts zustandegebracht hatte! Und das Lieben gerade erst lernte! Und wissen Sie, was mich gerettet hat, was mich aus dieser Kraftlosigkeit zurückholte? Es war die Liebe! Zuerst, da fühlte ich mich zutiefst unglücklich und erniedrigt – und dazu noch ungerecht erweise. Aber dann leuchtete es mir ein, dass es eine Prüfung war. Um die Liebe stärken und wachsen zu lassen.
Salinger. Und ich gab auf! Ich schlüpfte in meinen Panzer hinein. Ich sagte den Gefühlen ab. Vielleicht ist es Karma und so weiter in diesem Sinne?!
Beckett. Zweifelsohne! Mit ein bisschen Mühe!
Salinger. Bin mir nicht sicher. Alles ist geplatzt. Meine ganze geordnete Lebensweise. Sie ruft mich zum zweiten Mal! Sie war hier!
Beckett. Wer?
Salinger. Liz! Ich küsste ihr Kleid. Ich fühlte es – den Duft ihrer Haare, ihres Parfüms! Und es weckte mich auf. Schlagartig. Und rüttelte auf, was im Schaft der Vergessenheit verborgen war.
Beckett. Ja? Haben Sie sie gesehen?
Salinger. Wen?
Beckett. Margot!
Salinger. Liz! Sag´ ich Ihnen doch, verdammt noch mal! (Stürzt sich auf Beckett) Liz! Und Sie – Sie haben wohl zuviel Phantasie.
Beckett. (hartnäckig) Margot!
Beckett: (starrsinnig wie zuvor.) Margot!
Salinger. (packt B. an den Kragen.) Sie heisst Liz!

Beide  fahren ineinander und greifen sich fest, wie Kletten. Sie stürzen auf den Boden und schlagen wild aufeinander ein. Man hört verzweifeltes Brüllen: Liz! Margot! Wie gerufen, erscheint Ν. Er ist etwas ausser Atem und verknittert. Sein Hemd ist aufgeknöpft und der Gürtel hängt bis zum Boden herunter.

Hemingway. (kommt zu den weiterhin kämpfenden B. und S.) E-h! Kumpel! Hallo! Reicht schon! Seid ihr verrückt! (Zieht sie auseinander). Was soll das?
Beckett. (murmelt vor sich hin). Margot!
Salinger. (wischt sich die Nase mit dem Hemdärmel ab, fährt sich durch Haar, auch halblaut.) Liz!
Hemingway. (mit dem Ausdruck einer erfüllten Pflicht.) Ihr seid ja, wie ich das so sehe, wegen der Weiber ganz verrückt geworden! Pfeift doch drauf!  Echt! Je weniger man sich um sie kümmert, desto besser für alle! Übrigens, vor allem für diese selbst!

Eine Pause. S. und B. sind bemüht sich, dieses Aufflammen der beiderseitigen Aggression zu erschliessen. Verstehen es doch nicht ganz und fühlen sich dabei  nicht wohl. H. kommt zur Tür und zieht eine neue Flasche heraus.

Hemingway. (verwundert die Flasche in den Händen herumdrehend.) Oho, das ist ja Bier! Auch noch gut gekühlt! Hab`s nie gemocht! Während der Offensive in den Ardennen wurde es allerdingsals Trophäe schon getrunken. Ja! (Wendet sich an seine Kameraden.) Na, was, Kumpel?! Wie wär´s mit einem Schluck – ein Bier aus Bayern?!
Beckett. (mit Befremden und immer noch zornig.) Gibt es auch einen Grund dazu?!
Hemingway. (geheimnisvoll.) Ich glaube, ja. Bin mir, natürlich, nicht so sicher, aber das Gefühl habe ich schon.
Salinger. (ohne jegliche Begeisterung.) Und was genau?
Hemingway. Irgendwie glaube ich, dass heute der 21 Juli ist.
Beckett. Es sind schon sechzehntausendzweihundertzweiundzwanzig Sekunden, seit wir hier sind. A? E-h? Warten...
Ja, genau, es ist Juli. Der einundzwanzigste.
Salinger. (reibt sich das schmerzende Knie.) Und was soll das?
Hemingway. Ich habe Geburtstag. So was kommt vor. Lasst uns das feiern? Ein Schluck Bier!
Beckett. Sind Sie sich sicher?
Hemingway. Mit jeder Minute ein bißchen mehr. Ja. Und jetzt gar endgültig. Hundertprozentig.
Salinger. (reibt sich weiter – jetzt allerdings den Hals.) Gratuliere, Kollege! Und so weiter in diesem Sinne.
Hemingway. (verlegen.) Danke! Also ein Fest, wie es sich mit mir immer! Mein Tag!
Beckett. (kommt zum Hemingway, reicht  ihm geziert die Hand.) Gratuliere! (Plötzlich.) Hem, haben Sie hier, ausser uns, niemanden gesehen?
Hemingway. (als ob er die Frage nicht gehört hätte.) Eine meiner besten Geburtstagfeiern hatte ich in Valencia, mit Hudley, meiner ersten Frau. Wir reisten dort ein paar Tage vor der Korrida an, um uns gute Karten zu besorgen. Und genau an dem Tag begann ich meinen ersten Roman "Und die Sonne geht auf" zu schreiben. Ich erinnere mir noch genau, dass es sehr schwierig war, den ersten Absatz zu schreiben.
Salinger. (interessiert.) Und dann? Den zweiten, dritten?!
Hemingway. Dann lief alles wie geschmiert. Nach sechs Wochen war die erste Fassung fertig (Plötzlich schlägt sich auf die Stirn.) Ich habe einen glänzenden Einfall. Warum wollte ich es nicht versuchen, auch heute etwas zu ersinnen? Den Beginn eines Romans, zwar bin ich mir nicht sicher, dass es irgendwann mal veröffentlicht wird. Aber. Man muss doch etwas in dieser seltsamen Situation tun. (Denkt nach. Pause.) Und noch eine radikale Idee. Lasst uns... (Trinkt.)
Beckett. Alle sterben!
Hemingway. (lächelnd) Gemeinsam schreiben. Es scheint mir, dass wir alle mal was als Schriftsteller galten. (Trinkt.) Das wäre doch die schönste Geburtstagfeier?
Salinger. (sich die linke Hand reibend.) Weiss nicht. Alles ist so unbestimmt. Unsere Ideale fielen auseinander. Unsere Frauen. (Pause.) Unsere Frau...
Beckett. (aufbrausend). Sie erwähnten eine Frau, haben Sie sie gesehen?! Margot?!
Hemingway. (trinkt und schnallt sich den Gürtel an.) Ja, der erste Satz ist fertig... Freunde, könntet ihr mir eine Feder leihen?
Beckett. Keine Feder. Nur Licht. Das der Wahrheit. Oder einfaches Licht. Phosphoreszierend. Und in der Dunkelheit- Stimmen. Das sind wir.
Hemingway. A? Ich sagte, ob jemand einen Kugelschreiber oder Bleistift hätte?
Beckett. Nein – nein. (Pause.) Aber sie war doch hier, sie – Margot, was, Hem?!
Hemingway. Habe niemanden gesehen. Kann mich nicht genau erinnern. Es ist schwer, sich so was ins Gedächtnis zu rufen. (An S.) Jerome, hätten Sie etwas zum Schreiben?
Salinger. (zieht aus der Brusttasche einen teuren "Parker".) Mein bevorzugter. Habe ich  immer bei mir. War... Ich hörte auf, Buchstaben zu schreiben. Wozu sollte ich ihn noch brauchen? Nehmen Sie ihm...
Hemingway. Prächtig! Jetzt Papier. (Sucht.) Nirgendwo zu finden! (Schaut in den Schrank hinein.) Nein! (Zieht eine Flasche Bier heraus, betrachtet sie.) Doch nicht auf dem Etikett?
Salinger. Hem! (Nimmt ein Buch aus der Tasche heraus.) Nehmen Sie´s! Sie können am Rand schreiben!
Hemingway. Jerome, sie sind ein wahrer Freund!
Salinger. Das ist mein Geburtstagsgeschenk für Sie! Und so weiter in diesem Sinne!
Hemingway. (Betrachtet das Buch). Oho! Tschechow! Übrigens, ein guter Schriftsteller!
Salinger. Ich trage es in der Tasche als eine Art Grücksbringer. Für die  Eingebung.
Hemingway: (murmelt) Für die Eingebung.  (schreibt etwas in das Buch.)
Salinger. Worüber gedenken Sie zu schreiben?
Hemingway. Wie? Wie wollen Sie beginnen?
Hemingway. (sich losreissend). Weiss selber noch nicht. Ich weiss nie, was in der nächsten Minute geschieht. Die jenigen, von denen ich schreibe, beginnen ihr eigenes Leben zu führen und dann ich habe damit nichts mehr zu tun.
Beckett. Schreiben Sie doch über Finsternis und Licht. Woher kommt dieses trübe Licht, in welchem  wir untergehen? Wie gerieten wir in diese völlige Dunkelheit, die uns blendet. Und wer ist es, der versucht, uns zum Licht zurückzuführen. A? E-h? Erinnert ihr euch an jene Finsternis, ganz am Anfang, als wir einander zum ersten mal hörten? Erste Augenblicke der Dunkelheit. Von der Stimme ging Licht aus. Die Dunkelheit leuchtete, als die Stimme erklang. So habe ich euch erstmals gesehen.
Hemingway. (nachdenklich). Über die Dunkelheit hätte ich was zu sagen, aber auf eine andere Art. Etwas anders. Ein bißchen andersartig. Grundverschieden. Einmal, wie ich in Italien war, ging ich jagen. Beim Schiessen flog mir ein Ladepropf direkt ins Auge. Die Folge war eine Blutvergiftung. Man hielt mich für einen hoffnungslosen Fall. Ich bekam Penizillin eimerweise  hineingepumpt. Ich wurde fast blind. Aber damals wusste ich nicht, womit das enden würde. Eben diese erblindende Finsternis machte noch mehr kaputt, als die jetzige. Ich war am Rande des Verzweifelns. Ganz nah daran, alles zu bereinigen, so wie es mein Vater getan hat.
Beckett. Aber. Aber! Das, was uns passiert, ist ja viel schrecklicher. Und packender. Es ist verdammt viel Mut nötig, um damit fertigzuwerden. Mut, den wir nicht haben. A? E-h? (plötzlich zur Hemingway) Haben Sie sie gesehen?
Hemingway. Ihre Frau? Nie! (schreibt etwas in das Buch hinein)... am Rand des Verzweifelns...
Beckett. Woher kommt dieses frühe Licht? (Zeigt auf eine Leuchte). Es gibt doch keine Lichtquelle. Es ist, als ob die gesamte uns umhüllende Leere leuchten würde. Was würden wir über unsere Gesichter erblicken, hätten wir nach oben gesehen? Damals, vor dem Licht. Nur die Augen schliessen und versuchen, es sich vorzustellen.
Salinger. Die Augen schliessen. (Schliesst die Augen.) Ich sehe sie. Den Rand ihres bezaubernden  Kleides. Ihres faszinierenden Kleides. Ihres reizenden  Kleides. (Steht mit geschlossenen Augen auf, testet suchend als ob er Blindekuh spielen würde.) Liz! Liz! (Führt die Hände mit Kraft zusammen.)

Salinger nähert sich allmählich, Schritt für Schritt, an Hemingway, undstösst auf seine Schulter.

Hemingway. (legt die Hand auf Salingers Schulter.) Mein Freund, ich weiss, nach wem Sie suchen! Und ich bin sehr gut mit ihr bekannt!
Salinger. (schlägt die Augen auf). Ja?
Hemingway. Ich habe sie oft getroffen. Uberall. Auf allen Kontinenten. In Pamplona, Spanien. Im Nord-Westen Ugandas, an den Marchison-Wasserfällen. In Paris, am Notre-Dam-de-Chan. Im alten Matadorencafe "Fornos" in Madrid. Ich begegnete ihr ohne Zittern und ohne meine Würde zu verlieren.
Salinger. Sie heisst...
Hemingway. (unterbricht). Sie heisst Schicksal und sie bestimmt den Lauf unserer Tage. Und unser glückbringender Wille oder auch  sein Fehlen ist nur eine Seifenblase. Eine Illusion, welche uns die Knochen wärmt.
Beckett. Das Messer, das man mir einjagte? A? E-h?
Hemingway. Das Messer. Ja, wenn sie nach dir greift, dann wird´s packend. Die Erfahrung machte ich bei einer Safari in Afrika. Marchison-Wasserfälle, übrigens, von seltener, erschütternder Schönheit, da stand der Motor still- der von meinem Sportflugzeug.  Wir fallen. Gehirnerschütterung  und zwei Knochenbrüche. Aber nicht tot, Gott sei Dank. Auf einem Schnellboot werden ich und meine damalige Frau Mary nach Butnalu gebracht. Vor dort - auf nach Nairobi. Unser Flugzeug steigt in die Luft. Aber das Schicksal behält uns im Auge und meint es nicht sonderlich gut mit uns. Gleich beim Abflug bricht Feuer aus. Eine schöne Bescherung, denke ich mir so. Irgendwas stimmt da nicht ganz.  Irgendwas stimmt da ganz und gar nicht. Ich tue etwas Falsch. Es tut sich etwas falsches. Flammen. Fallen. Zu alten Brüchen kommen neue hinzu und dazu noch Brandwunden! Wie würde das Ihnen gefallen, meine Herren? Ich bin, mit Verlaub, nicht gerade schüchtern. Aber da wurde es mir bange, so richtig grauslich. Steht dir dein Feind gegenüber oder eine ganze Armee – ist das eine ganz klare Sache. Aber wenn sich gegen dich dein eigenes Schicksall gegen dich  stellt, dann sitzt dir die Angst im Nacken. Aushalten heisst da nicht Oberhand behalten.
Beckett. Der Sieger gewinnt nichts, stammt wohl von Ihnen. A? E-h?
Hemingway. Danke, dass es Ihnen erinnerlich bleibt. Also, neue Verletzungen. Nachrichten über meinen Tod breiten sich aus. Nachrufe erscheinen in Zeitungen zu hunderten in den Zeitungen. Aber...
Salinger. "Gerüchte über meinen Tod sind etwas übertrieben".
Hemingway. Aber... (Pause, trinkt) Aber das Schicksal braucht mich noch. Für irgendetwas. Für irgendetwas braucht der Schöpfer diesen verfluchten Sünder noch.
Salinger. Wofür denn?
Hemingway. Na, zumindest dafür, um im Oktober desselben Jahres den Nobelpreis für Literatur in Empfang zu nehmen.
Beckett. Angenehm. Sehr angenehm. Überaus. Aber – Eitelkeit. Wenn ich über das Universum denke. Und darüber, dass wir alle einmal sterben werden. Das ist doch wirklich schrecklich. Aber wir drängen diesen Schrecken weg. Die letzten Jahre lebe ich in Paris wie ein Eremit. Oder lebte. Ist auch nicht weiter wichtig. Ich dachte viel an die Finsternis und an das Licht. Aus irgendeinem Grunde hatte ich oft eine Art Vision. Küste. Abend. Licht verblasst in der Dämmerung. Bald gibt´s nur noch Schatten. Nein. Damals war es nie so, dass es kein Licht gab. Es erlöschte bis in das Morgenrot hinein und trotzdem verlöschte es nie. Du stehst mit dem Rücken zum Meer. Das einzige, was du hörst, ist das Rauschen des Meeres. Es wird stiller, wenn die Wellen zurückrollen und dann wieder eindringlicher, wenn sie sich erneut auf die Küste hinaufwälzen. Du stemmst dich gegen einen grossen Baumstamm. Du fühlst deine Hände auf der rauhen Rinde. Öffne die Augen, und du wirst ihn  sehen – den Rand des Mantels, das runzelige Leder der in den Sand eingesunkenen Stiefel. Dann den Schatten des Baumstammes. Bis er sich auflöst. Bis er aus den Augen schwindet. Eine sternlose, mondlose Nacht? Mag sein. Öffne die Augen – und die Dunkelheit erscheint.
Salinger. (verzaubert, einem Schlafwandler gleich). Öffne die Augen erscheint... (Pause) Liz!
Beckett. (starrsinnig). Margot!
Hemingway. Sie heisst Schicksal. Um Himmels Willen, lasst uns nicht streiten. Wir alle haben ja so viel durchgemacht!
Salinger. Es ist, als ob ich das zweite mal in ein und denselben Fluss steigen würde, welcher Liz heisst. Möglich? Unmöglich! Und so weiter in diesem Sinne.
Hemingway. Ein Fluss, welcher Liz heisst. Oder Schicksal, mein Freund?
Beckett. Irgendetwas hat uns zusammengebracht. Etwas, das weder begreifbar noch lenkbar ist. Und gleichzeitig sind wir einander ferner geworden. Wir sind einander noch ferner geworden, als früher.
Hemingway. In welchem Sinne?
Beckett. Zeitmässig. Der Strauss der Zeit. Ihre Stimme und Tonart. Ich höre ihren galoppierenden Taktschlag. Tik-tak. Tak-tuk. Sie bringt uns auseinander, führt weg. Und irgendwo dort, ganz am Rande des Abgangs, da liegt trotzdem ein winziger Teich, gefüllt mit Schmerz, wo sich die Frage wider spiegelt. Ham, warum haben Sie mir Margot weggenommen? Hatten Sie etwa nicht genug Frauen?
Hemingway. Alter, aber was hat denn Margot damit zu tun? Wer ist sie? Und, dann – wieso denkst du, dass ich es war? Übrigens, was Frauen angeht, gibt es nie genug von denen. Es gibt überhaupt keine. Ich meine die richtigen. Mit denen man durch Feuer und Wasser gehen könnte. Es kann sie auch nicht geben. Und deswegen formt man sie jedesmal aufs Neue, wie es einst Adam aus Ton tat. (Trinkt.)
Salinger. Mit Verlaub, es war... der Schöpfer.
Hemingway. (ärgerlich). Na, ist doch nicht wichtig! Wir sind es doch, die sie schaffen! (Pause) Oder... nicht schaffen!
Beckett. Und trotzdem. Margot! Ich war damals beschäftigt. Mit dem Formen dieses verfluchten Godots. Dieses Stückchen. Und Sie, Hem, gerieten wohl ins Blickfeld meiner Frau, ja?
Hemingway. Wer wird es schon wissen?! Ich bin es müde, mit Ihnen zu streiten! Sie halsen mir diese Margot bereits eine geschlagene Stunde auf! (Trinkt.) OK, um Sie, Beckett, nicht weiter zu verärgern,  sage ich
 das Folgende: ja, ihre Frau ging von Ihnen weg und kam zu mir. Und ich nahm sie auf. Und sollte sie wirklich Margot heissen, dann ist sie, womöglich, nicht weit von hier.
Beckett. (aufgeregt, aber auch mit einer Portion Angst.) Wo? Wo? A-h? (Schaut sich um.) Das Licht?! Ich sehe eine leuchtende Bewegung! Schimmernde Umrisse einer Gestalt!

Die Bühne verdunkelt sich allmählich. Dann erscheint wellenartig ein etwas geisterhaftes Licht. Lichtwellen überströmen die Bühne.

Beckett. Diese aufleuchtenden Stösse! Welch eine Wonne! Werden sie uns dort, nach dem Tode noch erscheinen? Und inmitten dieses Schimmerns auf einmal eine Stimme! Eine Stimme, die dir so vertraut scheint. Gar nicht laut, sogar kaum zu hören. Und sie schwebt, so gemächlich, nahe an der Grenze deines Gehörs. Und genauso langsam, uneindringlich kehrt sie zu ihrer ganzen Klangstärke zurück – und wird trotzdem nicht laut. Und jedesmal, wenn sie verschwindet, schimmert eine leise Hoffnung auf, dass die Stimme für ewig still wurde. Aber ich weiss, dass sie unausbleiblich wiederkehrt. Und doch, jedesmal, wenn die Stimme einem dämmerlichen Sonnenstrahl gleich erlischt – glimmt die Hoffnung, es wäre das letzte mal.
Hemingway. (feierlich). Also, Sie wollen sie sehen?! (Kommt zum B. und stösst ihn leicht, aber bestimmt zu der Tür, durch welche Sie ging.) Gehen Sie schon, Sam, und seien Sie glücklich – in dem Maße, wie es Ihr Verständnisvermögen zulässt!
Beckett. geht durch die Tür – mit langsamen, unsicheren Schritten.
Salinger. Das mit dem Licht habe ich nicht ganz verstanden. Was er da so herumgemurmelt hat. Was hat er wohl gemeint?
Hemingway. Der Teufel weiss, was mir meinen, wenn wir schreiben?! Anfänglich habe ich eigentlich rauh und knotig geschrieben und versuchte, wahre Wörter zu fassen. Mir selbst erschienen meine Erzählungen ungestaltet. Aber! Es fanden sich irgendwelche Gutgesinnte, die verkündet haben, es wäre mein Stil! Eigentlich bin ich ihnen dafür sehr dankbar. Denn sonst hätte ich nie erfahren, dass meine gar ästige Schreibweise etwas herausragendes ist! Hemingway-Stil!
Salinger. Über mich wurde auch viel geklatscht. Besonders, nachdem ich mich für den Eremitenweg  entschlossen hatte. Man glaubte, es wäre so eine Macke von mir. Ich aber folgte eben meiner inneren Empfindung - und nichts weiter.
Hemingway. Ich  glaube halt, Hauptsache ist nicht zu überkünsteln. Es wird sich ja immer ein Haufen  von eierköpfigen Intellektuellen finden... Solche, die bemüht sind, für alles eine Erklärung oder eine Deutung zu finden.... Die Welt lässt sich jedoch nicht auslegen. Da kann man nur drin leben. Der Möglichkeit nach arbeiten und es geniessen.
Salinger. Bei der Umverteilung mitzumischen, mit den Händen zugreifen und den Zähnen zu reissen? Hoffentlich bleibt es mir erspart... (Pause.) Das Licht ist so seltsam. Scheint, wie eine von Becketts Prophzeiungen.
Hemingway. Jerome, lassen Sie doch diese Reflexionen. Die Welt ist unerkundbar. Und Sie können es nicht ändern! Wozu also all das Getümmel und Gejammer?! Na? (Pause.) Trinken wir lieber was!
Salinger. Ich trinke nicht. Und ich trank nicht. Aber es ist nicht weiter wichtig...(Pause) Sie denken, es wäre möglich? Wäre es wert, es zu versuchen?!
Hemingway. Und ob! Natürlich werden wir uns besaufen, Jerome, ist doch einfach! Und alles wird sich wieder fügen!
Salinger. Verstehen sie doch, Hem. ich bin kein Frömmler. Aber! Ich habe es durchdacht und aufgebaut, ein absolut umfassendes und abgeschlossenes System des Handelns. Die Rythmen des Tages und der Nacht haben mich nie aufsitzen gelassen! Ich war stolz darauf! Ich machte meinen Roman besser! Ich bastelte an mir selber, ich wurde selber besser, ist das Ihnen klar?! Die Vollkommenheit hat keinen Gipfel! Hat sie nicht! Sind sie einverstanden?!
Hemingway. (trinkend) Es scheint, als ob ich schon den Zustand erreicht hätte, in dem man alles hinnimmt. Und alle. Machen sie doch mit, Jerome!
Salinger. (unsicher). Na, ein bischen wird wohl nicht schaden. (Trinkt aus der Flasche, die ihm Hemingway reicht.)
Hemingway. (interessiert). Na, und?
Salinger. Hab´ noch nicht verstanden. Jedenfalls ist es anders, als mein Spiel mit Wörtern.
Hemingway. Noch etwas? (Pause, greift zur Flasche, trinkt.) Lass uns vollaufen und alles wird sich auflosen! Ganz bestimmt!
Salinger. Bin mir nicht sicher! Aber, Ihnes Ronsequenz folgend... (Nimmt die Flasche, trinkt, nach einer Pause.) Hem, jetzt also, wo wir schon etwas trunken sind und alles keinerlei Bedeutung mehr hat, sagen sie es mir, nicht ihm... (Senkt die Stimme, trinkt, deutet mit der Hand, welche die Flasche hält, in Richtung der Tür.) Na also – haben Sie wirklich Samuels Frau...?
Hemingway. (etwas verstört). Wer kann es wissen, Jerome! Jetzt, nach all den Meilen an Beckett Fragen und Qualen,  beginne ich zu grübeln: womöglich ist es in der Tat geschehen! Kann das sein? Ja! – antworte ich. Es wäre möglich! Obgleich auch wenig wahrscheinlich!
Salinger. Ist es eine Glaubensfrage, ja?
Hemingway. Wenn einem etwas als Tatsache aufgebunden wird und dann noch wirdgleich beteuert, Sie wären daran beteiligt gemesen. Na, warum auch nicht.
Salinger. Man nimmt es also wirklich hin?
Hemingway. Nicht sofort. Erst nach ein paar Jahren. (Trinkt) Und nach ein paar Whisky.
Salinger. (geht auf  Hemingway zu, nimmt ihm Flasche weg, trinkt selbst). Wollen Sie daß ich,  mich volllaufen lasse, Hem?
Hemingway. (denkt nach) Nicht so schnell.
Salinger. (trinkt). Aber ich habe sie wirklich gesehen! A, Hem?! Echt! Es war ihr Duft! Ich könnte das nie verwechseln.
Hemingway. Ist durchaus möglich!
Salinger. Nicht doch! Es war absolut real!
Hemingway. Was meinen Sie damit?
Salinger. Ich umarmte ihre Knie... Ich fühlte den Stoff ihres Kleides... Ihren Duft... Ich... (Fällt auf den Stuhl, bedeckt sich das Gesicht mit den Händen) Jetzt habe ich gar nichts mehr! (Verzweifelt.) Sie hat mich verlassen, auf immer und ewig!
Hemingway. Wir alle müssen irgendwann mal von dieser Welt Abschied nehmen. Und diese Zwischenlandung. Dort, wo wir gerade sind.

Da erscheint Becket, ziemlich zerknittert. Das Hemd über den Hosen, der Gürtel ist offen.

Beckett. (geht bis an den Rand der Bühne, wendet sich an die Zuschauer, tiefsinnig). Na, so ist es also!
Hemingway. (mit Interesse) Also?
Beckett. (sich besinnend) Also nichts besonderes! A? E-h? Warten...
Hemingway. (spöttisch) So-so. Also hat sich alles auf geklärt?

Beckett. (dreht Hemingway den Rücken zu und wendet sich an Salinger) Verstehe  gar nichts!  (Schlägt die Hände über dem Kopf zusammen.)
Salinger. Alle unsere Anstrengungen sind doch nichts weiteres als etwas Krabbeln und Rutschen an der Oberfläche. Ein dahinfliessendes Rinnsal des Lebens, welches von einer Dauer...
Beckett. (unterbricht) Lebens? Sind Sie sicher?
Hemingway. Wieder diese Metaphysik! Lassen Sie es, Kumpel, trinken Sie lieber was. (Reicht ihm die Flasche.)
Beckett. (steht immer noch mit dem Rücken zu Hemingway) Nein! Nein! Nein!
Salinger. Ja, von einer Dauer, verstehen sie es,  Samuel. Es scheint, als ob nichts geschehen wäre, sozusagen, Momentaufnahme und so weiter in diesem Sinne. Aber! Womöglich, ist eben die strahlendste Empfindung des gesamten Lebens. Das Zentrum ihrer missllungenen Komposition.
Hemingway. Zentrum... Trotzdem interessant, Sam, haben Sie... gesehen? Erzählen Sie doch...
Beckett. Als ob es möglich wäre. Mit Worten. Darüber.

Beckett versucht es, die Geschichte einer Beziehung pantomimisch darzustellen. Eine musikalische Phrase wäre möglich. Eine Melodie Beckett tanzt fast.

Hemingway. (zufrieden und weitertrinkend) Aha! Ich verstehe Sie sehr gut!
Salinger. Eines Tages, als ich mich schon zurückgezogen hatte. Verliess die Welt der Leidenschaften. Erfand Wörter und so weiter in diesem Sinne. Da ereignete es sich, das mich für lange aus Fassung brachte. (Fassung brechen?) Ich erfuhr es mit Verspätung. Nachrichten drangen ja zu mir fast nicht durch. Diese Geschichte... Erinnert Ihr euch an John Lennon? Also. Mark Chapman erschoss ihn vor seinem Haus. In New York, nahe dem Central Park. Als die Polizei kam, da stand dieser Chapman da und las in aller Ruhe… (Pause.) meinen Roman.
Hemingway. Das heisst, Sie haben einen Mörder ausgebildet?! Eine Story, die der Feder eines Schakespeare würdig ist!
Salinger. (mit Mühe.) Mich hat der Umstand zutiefst erschüttert, dass er es gar nicht versucht hat, wegzurennen. Er stand da und las.
Beckett. Las gan einfach?
Salinger. Na, nicht einfach so. Ich weiss es nicht. Er hat wohl etwas von neuem gelesen. Er genoss es. Sie können sich meinen Zustand vorstellen, als ich davon erfuhr! Und mir meines Fehlers voll bewusst wurde.
Beckett. U-mm?
Salinger. Ich hälte mich überhaupt viel früher zurückziehen sollen! Noch bevor ich meinen Roman veröffentlichte.
Hemingway. (philosophierend  und weitertrinkend.) Herr Kollege, grämen Sie sich doch nicht deswegen. Man kann es ja nie im voraus wissen, was sich unsere Fans herauslesen können. Da will man ihnen eine Rose schenken, und die finden ein Haufen – ich sag´ nicht was...

Salinger. (aufgeregt). Dieser Chapman. Er war doch von Lennon sehr fasziniert. Und so weiter in diesem Sinne. Er hat oft den Spruch von John zitiert: "Leben ist das, was mit dir geschieht, solange du mit anderen Dingen beschäftigt bist". Ich könnte es ebenso ausdrücken. Und eben das macht alles so dramatisch. Wir alle sind einander irgendwie ähnlich.
Hemingway. Entschuldigen Sie, aber dieser Chapman könnte doch mit gleichem Erfolg auch Sie töten!
Beckett. Ich begreif´ es nicht! Warum machen die das?! Ein Marokkaner... Dieser Chapman... A? E-h?
Hemingway. Warum? Aber Sie, Monsieur, waren doch ebenfalls bereit, mich abzuschlachten nur aus dem Grunde, dass ich Sie angeblich um Ihre Frau brachte?! Geben Sie es doch zu!..
Salinger. Aber das ist doch nicht alles. Ich habe plötzlich verstanden, warum dieser Chapman es getan hat!
Hemingway. (trinkt) Äusserst interessant! Und warum wohl?!
Salinger. Chapman war von Lennon zutiefst beeindruckt. So tief, dass er quasi zu seinem Doppelgänger wurde. Er versuchte seinem Idol in allem  nachzueifern. Aber im laufe der Zeit hat sich Lennon verändert. Er gab seine bisherigen Gewohnheiten auf, veränderte seinen Lebensstil. Hat sich verspiessert. Diesen Eindruck hatte  Chapman, der Lennon für verkäuflich und verkauft hielt. Sein Abgott erwies sich als Fälschung. Und so weiter in diesem Sinne.
Hemingway. Und das konnte der Idealist Chapman nicht ertragen?! Aha?! Da zwingt sich eine Parallele auf... Denn auch Sie, Jerome, mit Ihrem billigen Idealismus, waren nicht fähig, dieses grobe Leben zu akzeptieren. Und zogen sich voller Stolz zurück. Waw!  Ideale Frauen! A? Wo seid ihr denn? Nirgendwo... Es gibt sie nicht, ist das nicht einleuchtend! Lucie, Susan, Margot, Liz... Absolut bedeutungslos, welche Namen sie haben! ...
Salinger. Das schrecklichste besteht darin, dass Chapman im Gericht anstelle seines letzten Wortes aus meinem Roman zitierte. Eben den Teil, die  kleinen im Roggenfeld spielenden Kinder an seinen Rand geraten, wo eine Schlucht ist. Abgrund.  Und er. (Pause.) Oder ich. Rettet sie. Er lässt sie nicht fallen.
Hemingway. Das heisst, wie es so rauskommt,  dass dieser paranoide Idealist uns alle, auch den armen John, zu retten suchte?!
Beckett. Fragen, Fragen... Man muss ausweichen können. Energie sammeln und nicht antworten. Antworten gibt es  sowieso nicht. Alles, was wir mit Namen festzuhalten versuchen ist wie Triebsand. Es gibt keinen Halt, keine Gewissheit. Nur eine Kette von Spiegeln.
Hemingway. ... Gewissheit. Sie, Sam, sind doch auch ein Fan von Fragen?! Ein Liebhaber von Fragen, den es nach Antworten begehrt... Sie erinnern mich irgendwie an einen meiner Kumpel. Er hiess Scott Fitzgerald. Ich traf ihn in Paris, gegen Ende der zwanziger Jahre. Er war ein feiner Kerl, aber alles anders als selbstbewusst. Stellen sie sich vor: ein Gentleman, blond, sehr helle Locken, hohe Stirn, Augen voller Feuer und Sanftmut zugleich. Zarter irischer Mund...
Salinger. (unterbricht)  Mund?.. Irischer?!
Hemingway. Genau. Zarter irischer Mund mit feingeschwungenen Lippen . Es wäre der Mund einer Schönheit, hätte er einer Frau gehört. Scott hatte ein gemeisseltes Kinn und eine fast tadellos gerade Nase. Sein Mund liess dumpfe Unruhe aufkommen, solange man Scott nicht näher kannte, wonach diese Unruhe erstrichtig stark wurde. An dem Tag habe ich viel gearbeitet. Als ich abends in einem Café mit irgendwelchen alles andere als respektablen Typen sass, erschien Scott Fitzegerald zusammen mit dem damals bekanntem Baseballspieler Dunc Chaplin. Scotts Erscheinen war wie ein Wunder, wollte ich ihn dicg schon seit langem kennenlernen. Scott sprach pausenlos, hauptsächlich über seine Werke, die er dabei als genial  bezeichnete.
Beckett. Typisch für Neurastheniker. Ich bin anders. A? E-h?
Salinger. Wir sind alle so. Und wir sind alle, mit Verlaub, Neurastheniker. In dem einen oder dem Masse.
Beckett. Ein starker Spruch. Aber Sie, Hem, haben doch von irgendwelchen Fragen gesprochen...
Hemingway. Ich setze fort. Laut unserer damaligen Ethik galt Lob als unverhohlene Beleidigung. Also hat Scott Champagner bestellt und trank es mit mir und Dunc aus. Natürlich geriet etwas auch in die Kehlen der Typen, die dabei waren. Wie ich ihn beobachtet habe, konnte ich nichts für mich interessantes finden, ausser dem, dass er schöne, energiegeladene Hände hatte. Und er gestikulierte gekonnt. Besonders ausdrucksstark, als er zur angenehmen Schlussfolgerung bezüglich meiner potentiellen Genialität kam. Dann aber folgten Fragen. Seine Ausführungen konnte man noch vertragen, aber gegen Fragen gab es keine Medizin. (Hemingway  sieht Beckett ausdrucksvoll an.)
Beckett. Was starren Sie mich so an? Erzählen Sie weiter!
Hemingway. Er stellte Fragen sehr direkt. Er arbeitete gerade an einem neuen Roman und so hielt er sich für berechtigt, Fragen aller Art zu stellen. Ernest, - fragte er, - Sie werden es mir nicht übel nehmen, wenn ich Sie mit Ernest anspreche? – Fragen sie Chaplin, - antwortete ich. – Spass beiseite, ich meine es ernst, - insistierte er. – Das ist sehr wichtig. Also, haben Sie mit Ihrer Frau noch vor der Ehe geschlafen? – Weiss nicht. – sagte ich. – Wie können Sie das nicht wissen? – fuhr er auf. – Ist mir entfallen, - antwortete ich. Aber wie können Sie sich an solche wichtige Dinge nicht erinnern? – setzte er seine Fragerei fort. – Ich weiss es nicht.- erwiderte ich. -Sonderbar, fürwahr ist es nicht sonderbar? Scott riss die Augen auf. Das ist mehr als seltsam, – meinte er. – Sie müssen sich unbedingt daran erinnern! – Entschuldigung, kann ich nicht – entgegnete ich ihm mit aller Aufrichtigkeit. – Schade, fürwahr ist es nicht schade? – Ach, lassen Sie doch diese englische Ausdrucksweise, - sagte er gereizt. – Seien Sie ernst und bemühen Sie sich, dies in Erinnerung zu rufen. – Wird nicht klappen, - sagte ich hoffnungslos. – Es wird nicht gelingen. Scott war richtig niedergeschlagen, und ich dachte mir, dass sein Lob einem ziemlich teuer zu stehen kommt. Ja! Übrigens, ist es nicht bemerkenswert, dass er ein Ihre ist, genauso wie Sie, Samuel! Womöglich habt ihr es im Blut, eine Art nationale Eigenschaft- Fragen zu stellen? Dabei zu ein und demselben Thema – zu den  Frauen. Ehefrauen. Realen und erträumten.
Beckett. (mürrisch). Was haben meine irischen Wurzeln damit zu tun? Männer werden auf allen Kontinenten um ihre Frauen gebracht.
Hemingway. (trinkend). Oder ist eine Art irischer Nationalsport – Fragen zu stellen?
Beckett. (zornig). Lassen sie doch meine vielgeplagte Heimat in Ruhe!
Salinger. Und trotz  alledem war sie hier! Liz! Dieser Duft! (Springt auf und atmet nach allen Seiten heftig ein.) Das ist es! (Geht zur Tür.) Hier wird es stärker! (Öffnet die Tür, greift hinein, holt eine Flasche Bier heraus.) Eine Flasche... (Beriecht sie.) Nein, die duftet nicht.

Allmählich werden die Rhytmen der Bewegungen von Salinger zu einer musikalischen Einheit. Es folgt eine Pantomime des erregten S. mit Flasche in den Händen. S. tritt an B.  heran und bleibt plötzlich stehen.

Salinger. (an Beckett). Ihr Duft! An Ihnen haftet Lizas Duft! Und so weiter in diesem Sinne!
Beckett (springt zurück). Sie sind verrückt! Ich kenne keinerlei Liz! (Apelliert an Hemingway) Hem, in der Tat, eine irre Geschichte!
Hemingway. (trinkt). Ein Moment! Jerome! Ich helfe Ihnen! Wie es sich unter Freunden gehört! T-ss! (Mit Finger an Lippen flüstert etwas ihm ins Ohr.)
Salinger. Wie? Wirklich?!
Hemingway. Genau so, Kumpel! Ich darf bitten! (Zeigt mit der Hand in Richtung  Tür, aus welcher Beckett vorher  kam.)
Salinger. Warten Sie! Warten Sie! (Reibt sich die Stirn, tut einen Schluck.) Ich weiss es wirklich nicht. Wirklich. Ich bin nicht bereit. Ich dachte mir... (Pause.). Man kann nicht dreimal in den gleichen Fluss steigen. Zweimal ginge es irgendwie. Aber dreimal... Nur im Traum vielleicht.
Hemingway. Ich weiss nicht, welche Flüsse Sie hierbei meinen, Jerome. Aber. Begreifen Sie es doch. Alles mag gleich im nächsten Augenblick abgeschlossen werden. All dieses Wirrwarr rund um uns. Ein Stop, ein Blitz und es ist aus. Aus mit uns! Ist es klar?
Beckett. Als ob nichts gewesen wäre. Und in dieser kurzen Zeit haben wir gar nichts verstehen können. A? E-h?
Hemingway. Genau! Und deswegen – handeln! Sie ist dort! (Stösst Salinger auf die Tür zu.)
Salinger. (macht einige unsichere Schritte und erstarrt dann ganz nahe der Tür) und trotzdem – nein! Alles ist bereits geschehen! Es wird nichts neues geben! Es wird nichts... von dagewesenem geben! Und demnach – wozu das Ganze?!
Hemingway. (trinkt). Na, wie Sie meinen! (Zieht aus der Tasche ein kleines Buch von Tschechow, macht am Rande einige Notizen, redet vor sich hin.) Und dann wurde das Wetter  schlecht... Es veränderte sich im Laufe eines Tages, und es war das Ende von diesem Herbst. Es regnete und wir mussten in der Nacht alle Fenster dicht schliessen. Kalter Wind riss Blätter von den Bäumen auf den Place Contrescarpe hinunter und sie lagen dort, nass und weich vom Regen... (schreibt konzentriert weiter.)
Salinger. (überzeugt). Nein! Nein! Es wäre besser, wenn so manches – Dinge, Erscheinungen, Menschen – sich nicht ändern würden! Es wäre schön, wenn man sie in eine gläserne Vitrine stellen könnte und nicht berühren würde! Ich weiss, dass es so nicht sein dorf, dass es unmöglich ist! Und ebendas macht alles so schlimm... (Kehrt zurück und sinkthoffnungslos auf den Stuhl.)
Beckett. (an Hemingway)  Inspiration?!
Hemingway. (lässt sich ablenken) A? Moment! (Schreibt weiter.). Whisky brannte nicht mehr in der Kehle und jetzt, als wir noch etwas Wasser zusetzten, schmeckte er als ob einfach zu stark wäre. (Schlägt das Buch zu; aufstehend). Stellen Sie sich vor! Plötzlich – geht´s! Von selber! Plötzlich, in einem Augenblick erschliesst sich mir die ganze Idee, die gesamte Handlung! Alle, selbst die verborgensten Winkel wurden erhellt! Hey, Kumpel! Schliessen Sie sich uns an, gemeinsam schaffen wir was Grosses! Stellen Sie sich vor – diese grosse Ratlosigkeit des Publikums, wenn die Leute auf dem Titelblatt die Namen der Verfasser lesen: H., B. (winkt mit der Hand in Richtung des still dasitzenden S.) unter Mitwirkung von S. ... und mit Unterstützung von Mister Tschechow. (An S.) Jerome, hören Sie mich?!
Salinger. (leise). Liz, Verzeih´ mir...
Beckett. Hem, das allerletzte Mal, bevor wir dieses ultrageniale Werk zu schaffen beginnen, sagen Sie es mir! Kurz und bündig! Meine Frau, Margot, ging sie wirklich...

Plötzlich geht das Licht aus. Windstösse sind zu hören.

Hemingway. Ich kann nichts sehen! Was ist geschehen!
Salinger. Wo sind wir? Hem, was geht hier vor?!
Beckett. Diese Lichtstreifen. Ich werde weggetrieben, irgendwohin, dorthin!... Nach oben!
Salinger. Wo sind wir?! Liz! Woher diese Windstösse?!
Hemingway. Geht nicht weiter!... Da ist irgendein Tunnel. Ja, zum Teufel! Ein endloser Gang!

Allmählich erscheint in der Tiefe der Bühne ein Lichtkreis. Es weitet sich aus.

Beckett. Diese Irrlichter, dieses geheimnisvolle Geflimmer. Es scheint, als ob wir uns in diesem sonderbaren Tunnel auf etwas zu bewegen würden!
Hemingway. Ich sehe Licht! Dort, am Ende! O, Gott...
Beckett. Ja-ja! Ich habe oft darüber geschrieben... Ich bin glücklich! Endlich! Ich bin glücklich!...
Salinger. Welch eine unsagbare Wonne! Das kann nicht wahr sein! O! Das Licht zieht uns an... Und so weiter in diesem Sinne...
Beckett. Die Stimme des Lichts. Seine klare und helle Note. Je  mehr Licht, desto dunkler die Finsternis...
Salinger. Es ist so gut! Alle Worte sind bei mir. Die ganze Welt, die ich liebe – hat sich mir offenbart! Liz!

Allmählich werden ihre Stimmen leiser, bis sie gänzlich erlöschen. In der Dunkelheit, in der Tiefe der Bühne – bleibt nur ein Lichtkreis übrig. Er zieht sich zusammen. Verschwindet. Auf der Bühne tänzelt ein winziger Sonnenfleck. Hier und dort.  Fällt auf die Frau. Es ist genau dieselbe Frau. Sie tritt heraus und der Sonnenfleck weicht dem Strahl eines starken Scheinwerfers.

Sie (ruhig, alltäglich) Das männliche Volk ist doch recht überspannt! Immer wieder wollen sie was von mir! Sie haben mich verführt, verlockt. Ich sollte ihrem Ruf folgen! Und dabei wussten sie selber nicht, wohin! Und sie litten, litten... Ich aber? Was bin ich? Warum traf ich gerade auf diese? Komische, ungestüme, Geliebte? Ich hab´s ja versucht, ihnen zu folgen! Und sogar treu zu dienen! Und – ich hab´ sie verraten! Aber jetzt sind sie irgendwohin verschwunden. Sind nicht mehr da. Ich bin allein. Mit meiner weiblichen körperlichen Substanz. Und es stellt sich heraus, dass es ohne sie nicht so toll ist. Aber mit ihnen ist es auch zu umständlich. Sie sind  so anspruchsvoll, so genial. Das passt ihnen nicht, und dies auch nicht! Und dabei werfen sie uns noch vor, wir wären zu launisch. Alles ist doch genau umgekehrt! Obgleich mir bald wohl ganz fad wird! Ohne ihr genervtes Sebstbewusstsein. Ohne diese tägliche Küchengespräche beim Tee – über Gott & die Welt. Wie der Tag verging. Wen man sah. Was der Sinn des Lebens ist. Ich, zum Beispiel, habe mir solche Fragen  nie gestellt. Ich hatte keine Zeit dazu. Sie aber waren ganz besessen davon. Was der Sinn der Lebens ist, na was wohl? Das Leben selbst, was denn sonst. Jetzt ist das Leben mit uns, in uns. Und jetzt gibt es uns nicht mehr. Hier, auf Erden. Und schon klingen wir anders, und wir schimmern anders. Dort, zwischen den Wolken. Oder irgendwo im Gestirne des Orion. Wenn ich es wüsste! Es ist so weit und unbestimmt. Und trotzdem bin ich ruhig. Denn ich wusste von all dem seit meiner Geburt! Nur habe ich es keinem erzählt und den Männern schon gar nicht! Sollen sie sich doch denken, dass sie die geistige Entwicklung der Gesellschaft vorantreiben. Ich aber weiss genau, wie es darum bestellt ist. Ich bin eine gewöhnliche Frau, die für ebendiese Männer bestimmt ist. So wollte es der Schöpfer. Und ich trage in mir dieses besondere Geheimnis. Das von Leben und Tod. Ohne Pathos und qualvolle Gedänkerei. Was bleibt? Nur Liebe. Denn Gott ist Liebe. Und sie bewegt alle Sterne und Himmelskörper.

Sie kommt zum Tisch, auf dem ein Buch liegt. Nimmt es. Beginnt zu lesen. Im Zuge ihres Monologs füllt sich die Bühne langsam, aber unaufhaltsam mit Licht auf.

Sie (das Buch in Händen haltend, überrascht). O, Tschechow!
Woher denn? (Blättert im Buch.) Jemand hat versucht, etwas auf den Rändern zu schreiben! Kann´s nicht entziffern! (Liest mit Mühe vor.) Und dann... dass Wetter... verrenkt... nein... funkelte?! Oder verändert? Gott weiss! Und gleich da – Tschechow. Interessant! (Liest vor). Menschen, Löwen, Adler und Rebhühner, Hirsche mit Hörnern, Gänse, Spinnen, schweigsame Fische, Seesterne und die, welche mit bloßem Auge nicht zu sehen sind – kurzum, alle diese leben, alle leben, alle leben, nachdem sie ihren traurigen Kreis vollbracht haben, sind erloschen... Es sind bereits tausende Jahrhunderte vergangen, seit  die Erde kein Lebewesen mehr auf sich trägt und der trübe Mond umsonst seine Leuchte anzündet. Auf der Wiese erwachen die Kraniche mit ihrem Gekreisch nicht mehr, und das Summen der Maikäfer in den Lindenhainen ist nicht mehr zu hören. Es ist kalt. Kalt. Kalt. Es ist leer. Leer. Leer. Es ist schrecklich. Schrecklich. Schrecklich. (Pause.) Die Körper der einst Lebenden sind in der Asche vergangen, die ewige Materie verwandelte sie in Gestein, Wasser, Wolken, und ihre  Seelen alle sind in eine verschmolzen. Die gemeinsame Weltseele bin ich... ich... (Sieht von dem Buch auf und blickt verwundert in den Zuschauerraum) Ich! (Liest weiter) In mir sind vereint – die Seelen von Alexander dem Grossen, und Caesar, und Shakespeare, und Napoleon und der letzten Blutegel. In mir sind das Bewusstsein der Menschen und die Instinkte der Tiere verschmolzen, und ich erinnere mich an alles, alles, alles und ein jedes Leben lebe ich in mir aufs Neue. (Schliesst das Buch, in den Saal blickend.) Jedes! (Pause.) Lebe durch. In mir. Aufs Neue.

Es dämmert. Irrlichter erscheinen und flimmern.
Der Vorhang fällt.

Juni – 31 Juli 2000